Hagen. . Regierungspräsident Gerd Bollermann hat Oberbürgermeister Jörg Dehm am Freitag schriftlich aufgefordert, die Wahl von Margarita Kaufmann als künftige Dezernentin der Stadt Hagen und damit Nachfolgerin des Ersten Beigeordneten Christian Schmidt zu beanstanden.
Begründung: Bei der Wahl sei es zu Rechtsfehlern gekommen, daher dürfe der OB auch keine Ernennungsurkunde aushändigen. Entsprechend hat Dehm, der dieser Weisung aus formalen Gründen nachkommen muss, den Rat informiert.
Arnsberg sucht Rechtssicherheit
„Wir betrachten dies als einen Beitrag hin zu mehr Rechtssicherheit – auch mit Blick auf ähnlich gelagerte Fälle“, begründete Christian Chmel-Menges, Sprecher der Bezirksregierung, den Vorstoß der Arnsberger. Nach erneuter Prüfung sei man zu der Auffassung gelangt, dass das Düsseldorfer Verwaltungsgerichtsurteil, welches im Dezember plötzlich den Ausschlag für die Kaufmann-Wahl gab, auf die Konstellation in Hagen nicht übertragbar sei. Dabei schaue die Kommunalaufsicht angesichts der prekären Hagener Finanzlage auch auf die möglichen Pensionsansprüche der vom Rat gewählten Beigeordneten. Eine Prüfung habe ergeben, dass diese voll zu Lasten der Stadt gingen, auch für ihr Wirken am Bodensee. Sollte es zur Klage kommen, bekämen alle Kommunen für die Zukunft mehr Handlungssicherheit, heben die Arnsberger auf die grundsätzliche Bedeutung des Kaufmann-Falls ab.
Der Fall
Bereits im Vorfeld der entscheidenden Ratssitzung am 12. Dezember, in der sich die 58-jährige Pädagogin und Sozialwissenschaftlerin nach einem eloquenten Auftritt mit 35:17 Stimmen klar gegen ihren SPD-Mitbewerber Thomas Michel durchsetzte, war es zu einer beschämenden Schlingerposse um die Wählbarkeit der Schwäbin gekommen. Zunächst aufgekommene Zweifel, dass die ehemalige Leiterin der Odenwaldschule wegen eines Alterslimits im Landesbeamtengesetz gar nicht antreten dürfe, wurden mit Hinweis auf ein Verwaltungsgerichtsurteil und mögliche Altersdiskriminierung durch das Düsseldorfer Innenministerium pulverisiert. Eine juristische Betrachtung, die Regierungspräsident Gerd Bollermann nicht teilt.
Wie kann es weitergehen?
Die Beanstandung durch den Regierungspräsidenten hat lediglich aufschiebende Wirkung – der OB darf noch keine Ernennungsurkunde überreichen.
Im nächsten Schritt hat jetzt der Hagener Rat zu entscheiden, ob er seinen Beschluss aufhebt.
Bleibt das Gremium bei seinem Votum, muss der OB unverzüglich eine Entscheidung der Aufsichtsbehörde einholen.
Arnsberg kann den Willen des Rates aber aufheben. Gegen eine solche Verfügung stünde dem Rat dann wiederum der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht offen.
Reaktionen
„Wir fühlen uns in unserer Rechtsauffassung bestätigt“, reagierte SPD-Fraktionschef Mark Krippner gestern wenig überrascht auf die Entscheidung des Regierungspräsidenten, die mit einem der SPD vorliegenden Rechtsgutachten eines Bochumer Fachjuristen übereinstimmt. Die Sozialdemokraten hatten Bollermann bereits direkt nach der entscheidenden Ratssitzung aufgefordert, das Votum des Hagener Stadtparlaments zu überprüfen. CDU und Grüne, so Krippner weiter, hätten aus parteitaktischen Gründen Recht und Gesetz außer Acht gelassen, „um unseren guten Kandidaten, der auch OB hätte werden können, zu verhindern“. Immerhin habe nach dem Ranking des Headhunters Thomas Michel sechs Plätze vor Margarita Kaufmann gelegen. „Wir sind jetzt angesichts des bevorstehenden Kommunalwahlkampfes sicherlich alle gut beraten, die Beigeordnetenwahl dem nächsten Rat zu überlassen. Oberbürgermeister Jörg Dehm schrieb der SPD-Fraktionschef zudem ins Stammbuch, „endlich seinen Resturlaub zu nehmen. Er hat sich hier abseits aller juristischen Realitäten für die politischen Interessen seiner Partei einspannen lassen.“
Hagen-Aktiv-Sprecherin Karin Nigbur-Martini wunderte sich derweil, dass der Regierungspräsident im Dezember einer angeblich rechtswidrigen Wahl tatenlos zugeschaut habe: „Endlich haben wir eine Dezernentin mit der notwendigen fachlichen Qualifikation. Schade, dass das jetzt wieder torpediert wird.“
„Für mich klingt das absurd“, staunte gestern CDU-Fraktionschef Wolfgang Röspel über den Vorstoß aus Arnsberg. „Wir haben uns auf die Signale aus Düsseldorf verlassen. Ich gehe dann auch davon aus, dass dies alles rechtmäßig ist und nicht erst der Klageweg beschritten werden muss. Wenn man verloren hat, muss man das auch ertragen.“
Sorge um die Außenwirkung
Grünen-Fraktionssprecher Jochen Riechel wagte die Prognose: „Der Rat wird seinen gefassten Beschluss kaum aufheben, sondern eher unterstreichen.“ Damit müsste Arnsberg ein solches erneutes Votum dann einkassieren und der Rat wiederum im Gegenzug Klage erheben. „Ich wundere mich, dass die Kommunalaufsicht sich von Leuten treiben lässt, die nicht bereit sind zu akzeptieren, dass es auch bessere Kandidaten als den eigenen gibt“, so Riechel. Gleichzeitig zeigte er sich besorgt über die Außenwirkung, die das gesamte Verfahren bekommen habe: „Falls wir von vorne anfangen müssen – wer soll sich nach diesem Chaos jetzt noch in Hagen bewerben?“
Ähnlich die Kritik von FDP-Fraktionschef Claus Thielmann: „Ich finde es höchst bedenklich, dass sich der Regierungspräsident vor den Karren der Hagener Seilschaften spannen lässt. Damit werden wir wohl auf absehbare Zeit kaum die Nachfolge von Christian Schmidt regeln können, denn ich gehe davon aus, dass Frau Kaufmann den Klageweg beschreiten wird.“ Durch diesen Schwebezustand spare Hagen zwar Geld, erinnerte der Liberale daran, dass seine Fraktion sich ja ohnehin für die Einsparungen eines Beigeordneten stark gemacht habe. „So haben wir das aber nicht gewollt.“
Die Betroffene
Eher sprachlos zeigte sich gestern die designierte Dezernentin für Familie, Bildung und Umwelt gegenüber dieser Zeitung: „Ich gehe davon aus, dass die Wahl gültig ist“, unterstrich Margarita Kaufmann, die sich ebenfalls juristisch beraten lässt, ihren bisherigen Standpunkt. „Es kann doch wohl nicht sein, dass die föderalistischen Strukturen in Deutschland es verhindern, dass der Regierungspräsident meine Zeit in Friedrichshafen nicht anerkennt“, wittert sie einen Verstoß gegen das Grundgesetz. „Ich werde in diesem Jahr 59 Jahre alt und möchte gerne arbeiten. Und zwar die volle achtjährige Amtszeit – das ist für mich klar.“
Am heutigen Samstag wird Frau Kaufmann übrigens wieder einmal in Hagen erwartet – sie möchte für ihren bevorstehenden Umzug die ersten Wohnungen besichtigen . . .