Hagen. . Vor seinem Konzert in der Stadthalle besuchte Kit Armstrong, Ausnahme-Pianist taiwanesisch-schottischer Abstammung, den Alfred Brendel als „größte musikalische Begabung, der ich in meinem ganzen Leben begegnet bin“, bezeichnet hat, das Fichte-Gymnasium.

Da steht also ein wirkliches Wunderkind im Klassenzimmer, ein Weltbürger zudem, ein Mathegenie obendrein, die Fünftklässler halten den Atem an, als sich Kit Armstrong (22) an den 100 Jahre alten Bechstein-Flügel setzt und eine Mozart-Sonate spielt. Sein Oberkörper schwingt wie ein Pendel hin und her, mit klassischer Musik, sagt er, könne man alle Gefühle ausdrücken. Alle.

Vor seinem Abendkonzert in der Stadthalle besuchte Kit Armstrong, dieser Ausnahme-Pianist taiwanesisch-schottischer Abstammung, den Alfred Brendel als „größte musikalische Begabung, der ich in meinem ganzen Leben begegnet bin“, bezeichnet hat, das Fichte-Gymnasium – und verriet den amüsierten Kindern, dass er eigentlich Müllwagenfahrer werden wollte, nicht mit dem Mondpionier Neil Armstrong verwandt sei und es in seiner Familie keine weiteren Musiker gebe. Woher also die musikalische Begnadung? Kit Armstrong berichtet, mit fünf Jahren habe er gelernt, Noten zu lesen und aufzuschreiben: „Aber dass ich Klavier spiele, ist reiner Zufall. Es war halt mein erstes Instrument.“

„Er geht auf in der Musik“

Ach so, Mathe-Genie. Armstrong hat nie eine normale Schule besucht, aber Mathematik am renommierten Imperial College in London studiert, Musik mag also für ihn durch Zahlen geordnete Bewegung sein. Er spricht sanft, seine Gebärden sind spärlich, die Fichte-Schüler hält er allein durch die Aura, die er unzweifelhaft verströmt, in seinem Bann. Er gibt beim Spielen nicht den Artisten wie sein Kollege Lang Lang, der fehlendes Gefühl durch Show zu ersetzen versucht, Armstrong ist, wenn er spielt, Gefühl: „Er geht auf in der Musik“, hat Christoph Lang, Konzertdramaturg am hiesigen Orchester und Begleiter des Pianisten während dessen Aufenthalts in Hagen, erkannt. Dazu passt, dass das zweite Klavierkonzert von Franz Liszt, das ohne Effekte daher kommt, zu seinen Lieblingskompositionen gehört.

Mit Popmusik kennt er sich nicht aus, auch mit Fußball nicht, da laufen die Fragen der Schüler ins Leere. Er lebe, gesteht er, ein wenig in der Vergangenheit, schließlich stammt die Musik, mit der er sich hauptsächlich beschäftigt, aus einer weit zurück liegenden Vergangenheit, insofern ist er nicht bloß ein Interpret, er ist ein Historiker.

Noch etwas Chopin

Das verstehen vielleicht nicht alle Kinder. Aber dass er gern in Hotels lebe, weil er dort nie aufräumen müsse, das, man merkt es am Beifall, können sie nachvollziehen.

Zum Schluss noch etwas Chopin. Hinter dem aufgeklappten Deckel des Flügels sehen die Kinder Kit Armstrongs Oberkörper leise hin und her wiegen. Ein Pendel, das in vollendeter Harmonie um seinen Ruhepunkt schwingt.