Hagen. Ruhrpott-Romantik oder City-Plage? Faszinierende Tiere oder Ratten der Lüfte? In Hagen wird das Thema Tauben schon seit vielen Jahren kontrovers diskutiert. Während die übervölkerten Schwärme im Innenstadtbereich in ihrem Wachstum nur schwer kontrollierbar bleiben, droht die einst blühende private Taubenzucht in Hagens Hinterhöfen von der Bildfläche zu verschwinden.
Etwa alle zwei Wochen sucht ein ehrenamtliches Ehepaar den hölzernen Taubenschlag an der Altenhagener Brücke auf und tauscht die Eier des brütenden Schwarms gegen Gipseier aus. Prinzipiell sinnvoll und doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn in dem Holzturm finden nur 25 Tauben Platz. „Die restlichen 400 Tauben im Bahnhofsbereich brüten frei“, sagt Stadttierarzt Wolfram Bell.
Kot-Problem durch Tauben in der City
Es ist viel versucht worden im Kampf gegen die zügig wachsenden Schwärme, die im City-Bereich vor allem aus Felsentauben bestehen. Zur Jagd ausgesetzte Wanderfalken sollten vom Rathausturm aus die Schwärme dezimieren. Die Raubvögel suchten allerdings das Weite und die Taubenschwärme in der City breiteten sich weiter aus. Und damit auch das Kot-Problem.#
Auf dem Bahnhofsgelände sind die meisten Tauben
„Die Schwärme im Bahnhofsbereich könnten nur mit betreuten Schlägen kontrolliert werden“, sagt Wolfram Bell. Das Problem: Auf dem Bahnhofsgelände, wo sich die meisten Tauben aufhalten und brüten, hat die Stadt keine Handhabe. Und der verhältnismäßig neue Taubenschlag am Remberg (nahe der Öwen-Witt-Halle) konnte nicht für eine Verlagerung der Schwärme aus der oberen City sorgen, weil der originäre Lebensraum der Felsentaube Felsklippen, Höhlen und Spalten sind. „Die Bauweise im Innenstadtbereich kommt dieser Lebensweise sehr nah“, sagt Bell. Und deshalb lässt sich die Felsentaube auch nicht für mehr als einen Abstecher zum Remberg locken.
Auf einer gedachten Beliebtheitsskala würden die Stadttauben in Hagen sicher den letzten Rang belegen. Den ersten Platz belegen ihre Artgenossen bei Dieter Posadowsky. Der 72-Jährige Hasper gehört noch zu den rund 30 Menschen, die in Hagen die uralte Tradition der Brieftaubenzucht betreiben. Eine punktgenaue Leidenschaft, bei der die Tiere für ihre hunderte Kilometer langen Flugreisen nach stetig weiterentwickelten Trainingsmustern und -methoden gehalten und gepflegt werden.
Tauben orientieren sich am Stand der Sterne und Sonne
Eine vollständige Erklärung für ihre Fähigkeit, von egal wo den Weg zurück in die Heimat zu finden, gibt die Wissenschaft bislang nicht her. Die Forschung geht davon, dass die Tauben sich, ähnlich wie Zugvögel, am Stand der Sterne, der Sonne und am Magnetfeld der Erde orientieren.
Noch rund 1000 Brieftauben bei 30 Züchtern in Hagen
„Der Züchter trägt viel Verantwortung“, sagt Dieter Posadowsky. Und damit sind wir direkt beim Kern des Problems, warum junge Menschen sich an diesem Hobby nicht mehr erfreuen können. „Man benötigt Platz, man benötigt Zeit und Hingabe“, sagt Posadowsky, „wo bleibt das alles in einer Welt voller Computer und Zeitdruck?“
Was die Tradition noch länger als gedacht am Leben hält, ist die Tatsache, dass heute weniger Züchter mehr Tauben als früher haben. Rund 1000 Brieftauben gurren noch in den Schlägen der 30 Züchter in Hagen. Vor 30 Jahren waren es noch 230 Züchter. Posadowsky, der sich als Jugendlicher in einige „Wiener Hochflieger“ seines Onkels verliebte, schickt seine Tauben aus dem Schlag unter dem Dach demnächst wieder auf die Reise. Im Garten leben die quasi pensionierten, schon weit gereisten Vögel.
Jungspund mit 37 Jahren in der Brieftauben-Welt
Marc Zorn ist mit seinen 37 Jahren der Jungspund in der Hagener Brieftauben-Welt. Er ist der Vorsitzende der Reisevereinigung Hagen. Er schlägt den Bogen zurück zu den Stadttauben: „Durch die Tauben in den Innenstädten genießt das Tier an sich heute ein schlechteres Image. Das ist nicht nur in Hagen so, sondern überall in Deutschland. Er selbst besitzt 150 Brieftauben. „Eigentlich“, hat Marc Zorn ein weiteres Hindernis ausgemacht, „benötigt man auch Eigentum, um die Tiere halten zu können.“