Hagen. . Die Nottaufe war eine vorgetäuschte Zwangstaufe - so urteilte das Amtsgericht Hagen in einem ungewöhnlichen Fall. Die Oma eines Mädchens hatte behauptet, noch im Wöchnerinnenzimmer das Kind getauft zu haben. Die Mutter verwahrte sich dagegen.
Ist Daniela (Name geändert) vor zehn Jahren in aller Heimlichkeit getauft worden? Die Großmutter des Kindes, seinerzeit Leiterin eines katholischen Kindergartens im Hagener Norden, spricht von einer „Nottaufe“. Das Amtsgericht beurteilt es anders: Es war eine „vorgetäuschte Zwangstaufe“.
Diese Geschichte klingt schier unglaublich – doch sie ist wahr. Am 21. September 2002 kam im Allgemeinen Krankenhaus (AKH) die kleine Daniela zur Welt. Die Mutter ist evangelisch, der Vater katholisch. Welche Konfession die Tochter einmal bekommen sollte, darüber herrscht Uneinigkeit. Bis heute. Dabei soll das Kind längst in aller Heimlichkeit, ohne dass die Eltern davon wussten, katholisch geworden sein.
Oma benetzt Köpfchen mit Kranwasser
Inzwischen ist Daniela zehn Jahre alt, ihre Eltern sind geschieden und gemeinsam sorgeberechtigt. Jetzt kommt die streng gläubige katholische Großmutter ins Spiel. Sie behauptet nun, ihr Enkelkind Daniela sei bereits seit zehn Jahren insgeheim katholisch. Der Säugling wäre sofort nach der Geburt getauft worden – und zwar von ihr, durch eine „Nottaufe“.
Die Mutter des Babys hätte damals für einen kurzen Moment das Wöchnerinnenzimmer verlassen, da will die Oma den Säugling an sich genommen und zum Waschbecken getragen haben. Während sie das kleine Köpfchen dreimal mit Wasser aus dem Kran benetzte, hätte sie die Taufformel „Ich taufe dich Daniela, im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes“ gesprochen. Sie hätte das Baby spontan getauft, weil es „äußerst schwach gewesen“ sei und „um es in Gottes Schutz und im Schutz der Kirche zu wissen“. Beim Betrachten des Kindes wäre ihr deutlich geworden, wie schutzlos ein Neugeborenes sei.
Nottaufe nach Kirchenrecht möglich
Tatsächlich darf nach katholischem Kirchenrecht jedermann einen Ungetauften taufen, wenn ein besonderer Notfall vorliegt, Lebensgefahr besteht und ein „ordentlicher Taufspender“ (Priester) nicht rechtzeitig herbeikommen kann.
Auf diese Sonderregelung sowie die ordnungsgemäße Einhaltung der Taufriten und der Taufformel hatte sich die Großmutter gegenüber dem Ortspfarrer berufen und sogar eine eidesstattliche Versicherung darüber abgegeben. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der behaupteten „Nottaufe“ kamen auch deshalb nicht auf, weil die Großmutter eine langjährige Angestellte der Kirche war und über Jahre den örtlichen Kindergarten leitete.
Aufgenommen in katholischen Kindergarten
Enkelkind Daniela wurde 2005 in den katholischen Kindergarten, dem ihre Oma seinerzeit vorstand, aufgenommen und später in eine katholische Grundschule eingeschult. Auf beiden Betreuungsverträgen wurde damals ausdrücklich notiert, dass das Kind „noch getauft wird“.
Mit einer Klage vor dem Amtsgericht (10 C 187/12) hat die Mutter von Daniela ihre Ex-Schwiegermutter jetzt in die Schranken verweisen lassen. Sie verwahre sich gegen ein Eingreifen in ihr elterliches Erziehungsrecht und die „Vereinnahmung ihres Kindes in die katholische Kirche“.
Keine Komplikationen bei Geburt
Das Baby sei an seinem Geburtstag um 7.30 Uhr gesund zur Welt gekommen, Komplikationen oder Krankheiten hätten nicht vorgelegen. Insofern hätte es überhaupt keinen Grund für eine Nottaufe gegeben. Und insofern hätte die Großmutter der Gemeinde auch eine falsche eidesstattliche Versicherung vorgelegt, um eine Eintragung ins Taufregister zu erreichen.
Amtsrichter Dr. Harald Barkam verurteilte „die eigenmächtig vollziehende Großmutter“ zum Widerruf der Taufanzeige gegenüber der katholischen Kirchengemeinde und dem Pfarrer. Dieses sei auch von der Kirche zu beachten, weil in das religiöse Selbstbestimmungsrecht der Mutter eingegriffen worden sei.
„Aus durchsichtigen Grünen Lüge aufgestellt“
In dem Urteil, das rechtskräftig ist, kommt Richter Dr. Barkam zu dem Schluss, dass die Behauptung der Oma, sie habe das Kind im Jahr 2002 notgetauft, „unwahr ist. Sie hat aus durchsichtigen Gründen diese Lüge aufgestellt“.
Die einstige katholische Kindergartenleiterin darf nicht mehr behaupten, sie habe ihre Enkelin „getauft“.