Hagen/Siegen. . Nachfrage- und Auftragsrückgang macht vor allem den exportorientierten Unternehmen zu schaffen. Die Unternehmer beklagen: Die politische Debatte schaffe eine massive Verunsicherung. Das Ende der Durststrecke sehen sie erst im März oder April kommenden Jahres.

Das Thema Kurzarbeit wirft in Südwestfalen seine Schatten voraus. Der Informationsbedarf der Unternehmen über die Modalitäten sei sehr groß, berichtet Larissa Probst, Sprecherin der Arbeitsagenturen Siegen und Meschede. „Die Unsicherheit über den Konjunkturverlauf ist spürbar, und die Betriebe wollen ihre Belegschaften halten. Das ist ein gutes Signal.“ Die Euro-Schuldenkrise hat das Wirtschaftswachstum fast zum Erliegen gebracht.

Wegen des Nachfrage- und Auftragsmangels rechnen Experten wie Gewerkschaftssekretärin Gisela Mielke von der IG Metall in Hagen für 2013 daher mit einem Anstieg der Kurzarbeiterzahl in der Region. „Im Januar und Februar wird das noch anziehen.“ Nach einer Umfrage des Märkischen Arbeitgeberverbandes unter 152 Firmen plant mehr als ein Drittel der Betriebe zum Jahresende oder im ersten Quartal 2013 Kurzarbeit.

Der erste Bevollmächtigte der IG Metall Siegen, Hartwig Durt, spricht von einem „gefühlten Abriss beim Auftragseingang quer durch alle Branchen“. Zulieferer haben es derzeit besonders schwer. Hagener Unternehmen wie die Schmiede Schöneweiss, die KB Schmiedetechnik oder die MK Metallfolien fahren bereits Kurzarbeit. Dasselbe gilt für die Edelstahlwerke Südwestfalen und die Gießerei Gontermann-Peipers in Siegen, Thyssen-Krupp in Kreuztal sowie Infineon in Warstein, wo 1200 Mitarbeiter kurzarbeiten. Einer der größten Arbeitgeber der Region, die SMS-Gruppe in Hilchenbach, plant diesen Schritt für Februar.

140 Betriebe aus der Region haben Kurzarbeitergeld abgerechnet

Nach Informationen des WDR haben Südwestfalen-weit zuletzt über 8600 Beschäftigte weniger gearbeitet. 140 Betriebe aus der Region haben danach in den vergangenen acht Wochen bei den Arbeitsagenturen Kurzarbeitergeld abgerechnet. Angesichts der Lage schlagen IG Metall und Betriebsräte Alarm und erneuern ihre Forderung nach Wiedereinsetzung der alten Kurzarbeitergeldregelung, die die Wirtschaftskrise von 2008 bewältigen half. „Der Instrumentenkoffer ist leer“, sagte Durt.

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Ein typisches südwestfälisches Unternehmen, das jetzt Kurzarbeit anmeldet, gibt es nicht. Aber die Gründe, die Gerd Cloppenburg, geschäftsführender Gesellschafter der Hagener MK Metallfolien GmbH, für die Kurzarbeit in seinem Unternehmen anführt, können als typisch gelten. Infolge des Auftragsrückgangs sind es seit September 50 Beschäftigte, berichtet der Unternehmer.

Sein Betrieb liefert hauchdünn gewalzte Stahlfolie vor allem für die Autoindustrie, wo sie etwa in Katalysatoren Verwendung findet. Diese hat ihrerseits - jedenfalls im Massenmarkt - mit einem Nachfragerückgang zu kämpfen. „Es herrscht eine massive Verunsicherung durch die politische Debatte“, sagt Cloppenburg. „Jeder fährt seine Lager zurück.“ Das Ende der Durststrecke sieht er erst im März oder April kommenden Jahres. Dann könne die Krise weitgehend überstanden sein.

Kurzarbeit bei Infineon in Warstein - Marktsituation verantwortlich 

Beim Chiphersteller Infineon in Warstein-Belecke wird ebenfalls seit September kurz gearbeitet. Es fing bei einer Fertigungslinie an, was 130 Mitarbeiter betraf, und wurde dann im Oktober ausgeweitet auf rund 1200 Beschäftigte. Pressesprecher Jörg Malzon-Jessen hatte vor wenigen Tagen die Marktsituation für die Maßnahme verantwortlich gemacht. Es handele sich um eine konkunkturelle Delle.

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Heinrich Weiss, der Vorstandschef des Siegerländer Maschinen- und Anlagenbauers SMS, der allein am Standort Hilchenbach 2200 Menschen beschäftigt, hatte bereits Anfang Oktober Kurzarbeit für Februar oder März des kommenden Jahres angekündigt. Die südeuropäischen Länder sind seinen Worten zufolge wegen der Euro-Krise als Kunden weitgehend ausgefallen, und in den USA und einigen asiatischen Staaten herrsche Angst vor Ansteckung. Der Auftragseingang habe schon für 2012 um rund 10 bis 15 Prozent unter Plan gelegen, und für 2013 sehe es noch schlechter aus. Bis zum Jahresende fahre SMS Überstunden, aber danach könne es zu Auslastungsproblemen kommen.

Anschlussaufträge fehlen vielen Unternehmen

Das bestätigt auch Josef Schulte, Pressesprecher des Märkischen Arbeitgeberverbandes: „Viele Unternehmen schieben noch eine Auftragswelle vor sich her - was aber fehlt, sind Anschlussaufträge.“ Dies könne Anfang 2013 direkt in die Kurzarbeit münden - „eine schizophrene Situation.“ Dass schon in diesem Jahr nicht alles Gold war, was glänzte, bestätigt Hartwig Durt, erster Bevollmächtigter der IG Metall in Siegen. Er berichtet von 400 bis 600 Arbeitsplätzen, die allein in seinem Bezirk über Sozialpläne und andere Maßnahmen abgebaut worden seien. Und in der gemeinsamen Transfergesellschaft der Region gebe es mehr Transfers als zu den Hoch-Zeiten der Weltwirtschaftskrise.

Auch von einer weiteren Traditionsfirma, die sich in Schieflage befindet, konnte Durt berichten. Trotz der Beratung durch die IG Metall werde die Gießerei Hundt und Weber mit rund 100 Beschäftigten wohl Insolvenz anmelden müssen. „Wir haben geglaubt, wir könnten die Firma noch retten.“