Hagen. . Felix Weimer verließ mit 13 Jahren die Schule und nahm ein Studium an der Fernuni in Hagen auf. Aber ohne Abitur bekommt er keinen Abschluss.

„Die Fernuni Hagen ­bemüht sich sehr“, sagt Sibylle Schwarz. „Felix ist voll des Lobes.“ Ganz anders sehen die Wiesbadener Rechtsanwältin und ihr 16-jähriger Mandant die Rolle der hessischen Schulbehörden: Die verweigern dem jungen Fernuni-Studenten Felix Weimer aus dem Main-Taunus-Kreis die Abiturprüfung für Externe. Und ohne Abitur kann die Fernuni ihm kein Bachelor-Zeugnis in Informatik ­geben.

An der Fernuni ist es nicht ungewöhnlich, dass junge Schüler studieren. Zunächst als sogenannte Akademie-Studenten. Das können auch ältere Menschen machen. An anderen Unis nennt man sie Gasthörer. Aber in Hagen gibt es die Möglichkeit, sich regulär einzuschreiben, wenn man einige Module erfolgreich absolviert hat. „Solche Jungstudierenden sind oft Hochbegabte, die an der Schule nicht ausgelastet sind“, erklärt Susanne Bossemeyer, Sprecherin der Fernuni. „22 hatten wir im Sommersemester, im Wintersemester dürfte die Zahl noch höher liegen.“ Aber für einen Studienabschluss müssen auch die jungen Überflieger ein Abitur nachweisen oder ­ersatzweise eine Hochbegabtenprüfung. Bossemeyer: „Wir hatten schon einen Fall, bei dem ein Absolvent sein ­Bachelor-Zeugnis erst verspätet überreicht bekam, weil das mit dem Abitur noch dauerte.“

Zwei Klassen übersprungen

Bei Felix Weimer liegt der Fall komplizierter. Der Junge hat schon in der Grundschule zwei Klassen übersprungen und sich später im Gymnasium so gelangweilt, dass er krank wurde. Von Bauchschmerzen, Übelkeit und Migräne berichtete seine Mutter dem „Spiegel“. Deshalb ging er mit 13 von der Schule ab, nach der neunten Klasse. Das ist nun sein Problem. Denn so hat er nur einen Hauptschulabschluss erhalten. Um eine Abi-Prüfung als Externer ablegen zu können, braucht er die Mittlere Reife.

Dagegen haben Felix und seine Anwältin vor zwei Jahren Klage eingereicht - vorsichtshalber. Die wurde vom Verwaltungsgericht Frankfurt abgewiesen, seit Februar 2011 liegt das Verfahren beim hessischen Verwaltungsgerichtshof. Die Argumentation der Rechtsanwältin: „Bei der Verkürzung der Schulzeit auf G8 wurde ein Mittelstufen-Jahr gestrichen. Die Oberstufe beginnt jetzt mit Klasse 10. Deshalb müsste auch die Mittlere Reife vor Beginn der 10. Klasse erteilt werden - nach Ende der Mittelstufe, ganz wie früher.“

Doch die Kultusministerkonferenz hat das anders entschieden. Die bleibt bei Klasse 10. Bundesweit. Die Klage, die Schwarz nun vertritt, ist ihres Wissens die einzige in dieser Sache. Das Ergebnis dürfte über Hessen hinaus von Interesse sein - auch für Schüler, die in der zehnten Klasse scheitern und mit Hauptschulabschluss abgehen. Unklar ist, wann die Richter entscheiden werden. Das ist ein Problem für Felix: „Im März 2013 müsste er die schriftlichen Prüfungen ablegen, da wird die Zeit langsam knapp.“

"So viele derartige Fälle gibt es ja wirklich nicht."

Es gibt noch ein weiteres Hindernis, ein Hessen-spezifisches: Beim Externen-Abitur wird ein Alter von 19 Jahren verlangt. „Wahrscheinlich hat man beim Gesetzgeber einfach nicht an Jüngere gedacht“, so Schwarz. Was sie nicht nachvollziehen kann, ist, warum man im Ministerium keine Ausnahme zulassen will: „Dadurch wird kaum ein Massen-Ansturm ausgelöst. So viele derartige Fälle gibt es ja wirklich nicht.“ Auch deshalb ist Anwältin mit dem Schwerpunkt Bildung mit ihrem Mandanten jetzt an die Öffentlichkeit gegangen.

Die Fernuni kann für Felix derzeit nichts tun. „Am Anfang nehmen wir immer Rücksprache mit der Heimatschule und den Eltern, um zu erfahren, ob das Studium sich problemlos in den Alltag einpassen lässt“, sagt Susanne Bossemeyer. „Aber ohne Abitur oder Abitur-Ersatz ist ein Hochschulabschluss nun einmal nicht möglich.“