Hagen-Wehringhausen.

Die Zahl klingt aus heutiger Sicht unglaublich: Sage und schreibe achtzehn Kinos brachten den Hagenern um 1960 die Welt des Films näher. Fünfzig Jahre später ist von den Filmpalästen selbst zwar nicht viel übrig, doch im Wehringhauser Erzählcafé wurde die Erinnerung an Bali, Lux oder Gloria bei einem Treffen noch einmal lebendig.

Rote Plüschsessel im Lipa

Die extralangen Filme im Altenhagener Hohenzollerntheater. Die roten Plüschsessel im Lipa oder die Tütenlampen im Bahnhofskino Bali – schon nach zehn Minuten schwirren unzählige Bilder und Geschichten durch das bis auf den letzten Klappstuhl gefüllte Café. „Hagener Kinos im Wandel der Zeit“ heißt der Themenabend, mit dem Filmliebhaber Uli Weishaupt durch die Blütezeit der Lichtspielhäuser führt. Den pensionierten Lehrer hat die Kinobegeisterung schon im Kinderzimmer gepackt: „Ich bin in einer Wohnung direkt über dem Lux aufgewachsen. Wenn die Filme lang genug gelaufen sind, konnte ich den Text irgendwann mitsprechen.“

Das Kultkino in der Elberfelderstraße war nicht das einzige, das in den Fünfziger und Sechziger Jahren scharenweise Zuschauer anlockte: Siebzehn Mal jährlich ging der durchschnittliche Hagener damals ins Kino, mit Preisen um 1,50 DM kam er dabei vergleichsweise günstig weg.

Eva Schäfer, die Vorsitzende des Erzählcafés, weiß noch genau, dass nicht nur das Geschehen auf der Leinwand entscheidend war: „Als ich zum ersten Mal zu einem Film eingeladen wurde, wollte meine Mutter sofort wissen: „Geht ihr ins Kino oder in die Loge?“, erinnert sie sich lachend. Uli Weishaupt hat da ähnliche Erfahrungen gemacht: „Bei Doktor Schiwago habe ich weniger vom Film wahrgenommen als von meiner Begleiterin.“

Zwiespältige Erinnerungen

Auch tragische Momente können untrennbar mit bestimmten Filmen verknüpft sein: „1943 schaute ich mit meiner Schwester im Weidenhof „Dr. Crippen an Bord“ an, als plötzlich der Film unterbrochen wurde. Man bestellte uns dann zum Ausgang, wo wir erfuhren, dass unser Bruder gefallen war“, sagt Elfriede Forster.

Mit dem Kino des Dritten Reichs verbindet sie auch sonst zwiespältige Erinnerungen: „Damals ging es geschlossen im Klassenverband ins Kino, um sich „Fridericus Rex“ oder „Jud Süß“ anzusehen – ob wir wollten oder nicht.“ Nach Kriegsende war die Hagener Kinolandschaft vollständig zerstört. Es dauert einige Zeit, bis vom Eilper Atrium zur Wehringhauser Lichtburg Filmhäuser in ganz Hagen (wieder)eröffneten, die gelegentlich auch prominenten Besuch bekamen: Klaus Kinski soll zu seiner Theaterzeit dem Lux einen Besuch abgestattet haben, Rex Gildo gab dort ein ausverkauftes Konzert.

Inzwischen sind weder vom Lux noch von Olympia, Capitol oder Viktoria mehr geblieben als die stolzen Namen. Nicht nur das Fernsehen habe dieses Kinosterben verursacht, glaubt Uli Weishaupt: „Die Filme sind ab den späten Sechzigern immer seichter geworden.“

Auch am 1997 eröffneten Multiplex Cine-Star geht der Fortschritt nicht vorbei, in wenigen Jahren wird die Vorführtechnik nur noch digital laufen. Andreas Vogt, seit zwanzig Jahren Filmvorführer in Hagen, sieht die Entwicklung mit gemischten Gefühlen: „Für mich ist das kein Kino mehr“, sagt der 38-Jährige. „Ein Plattensammler packt seine Musik auch nicht auf einen USB-Stick.“