Hagen. .

Filmkonzerte mit Liveorchester erfreuen sich in den Großstädten enormer Beliebtheit. Auch in unserer Region gibt es eine begeisterte Fangemeinde. Die könnte allerdings noch wachsen, wie die Chaplinade der Hagener Philharmoniker jetzt gezeigt hat.

Vielleicht ist der Preis von 20 Euro aufwärts pro Karte für die Zielgruppe einfach zu teuer. Doch musikalisch und optisch lässt die Chaplinade im Sinne des Wortes kein Auge trocken – es ist selten, das in einem Sinfoniekonzert so viel gelacht wird.

Als Charlie Chaplin mit seinen Stummfilmen berühmt wurde, gab es noch keine originale Filmmusik. In den Kinos sorgten Pianisten oder Organisten für Klanguntermalung; größere Lichtspielhäuser hatten eigene Kapellmeister und Orchester. Von Anfang an stellte sich heraus, dass bewegte Bilder ohne Töne nicht funktionieren. Man sieht nur, was man hört. Die Filmmusiker mussten also zu den Szenen improvisieren. Rasch gaben die Notenverlage sogenannte Kinotheken heraus, in denen für jede denkbare Gefühlslage und jeden möglichen Spannungsverlauf spezielle Motive aus Oper, Schlager und Sinfonik vorgeschlagen wurden.

Chaplin-Stummfilme

So ähnlich arbeitet der amerikanische Komponist Carl Davis ebenfalls, der die Musik zu den vier gezeigten Chaplin-Stummfilmen von 1917 nachkomponiert hat. Bernd Wilden, früher Kapellmeister am Theater Hagen und inzwischen ein anerkannter Spezialist auf dem Gebiet der Filmmusik, setzt diese Klänge mit den Philharmonikern leidenschaftlich in Szene. Bei der Live-Musik zu Stummfilmen dreht sich alles um den Faktor Zeit. Leinwand und Orchester müssen um jeden Preis synchron bleiben, das macht die Aufgabe des Dirigenten so kniffelig.

In „Die Kur“ bringt Charlie einen Koffer voller Schnapsflaschen ins Hotel mit. Wenn die Diener den Alkohol in den Heilbrunnen kippen, erklingt eine Fuge im „Zauberflöten“-Stil. So plündert Carl Davis genüsslich die Opern- und Sinfonie-Literatur und mischt ab und zu ein wenig Blues oder Foxtrott darunter.

Vergnügliche Ohrenkost

Bernd Wilden ist ein großartiger Dirigent. Mit leichter Hand zelebrieren er und die Musiker diese vergnügliche Ohrenkost: In „Der Abenteurer“ liefert sich Charlie zum „Freischütz“-Marsch eine Verfolgungsjagd mit den Gefängniswärtern. In „Easy Street“ tappt er angetrieben vom Spott des Fagotts als Polizist durch die Elendsviertel. „Wie man Filme macht“ zeigt sogar, wie man mit einem Golfball Walzer tanzen kann.

Wer genau zuhört, erfährt dank Wildens Dirigat eine Menge über die Psychologie der Klangfarben, die erst verrät, ob ein Drehtür-Duell komisch ist oder traurig. Die Schlagzeuger haben als einzige Musiker übrigens Monitore. Denn Pauke und Trommel erfüllen noch eine besondere Aufgabe: Sie garantieren die reale Geräuschkulisse – immer wenn im Film etwas knallt oder rappelt, kommt es von echten Instrumenten.