Hagen. Es sollte der erste Kinobesuch nach vielen Jahren werden. Frank Beele aus Wehringhausen und Achim Gentz aus Volmarstein wollten sich am frühen Donnerstagabend mit vier Bekannten den Film „Ziemlich beste Freunde“ im Cinestar Hagen ansehen. Doch bereits an der Kinokasse war Schluss.
Drei Plätze in der ersten Reihe bekam die Männer-Clique angeboten, die anderen drei hätten einen anderen Film in einem anderen Saal wählen müssen. Denn nur fünf der acht Säle im 1998 gebauten Kino-Komplex sind für Rollstuhlfahrer geeignet, allerdings gibt es auch dort nur je drei Plätze in der ersten Reihe. „Wir wollen aber zusammen in der Loge sitzen“, sagt Frank Beele. Zumal einige der Rollstuhlfahrer auch mit einer Spastik gehandicapt sind und nicht in der Lage wären, mit dem Kopf im Nacken so weit vorn einen Film zu gucken.
Theaterleiter versteht Unmut
Der kommissarische Theaterleiter Marcel Mumm versteht den Unmut der Rollstuhlfahrer. „Die Tatsache, dass nicht alle Säle behindertengerecht sind oder nur bis zu drei Rollstühle pro Saal in der vorderen Reihe zugelassen sind, hängt mit den Brandschutz- und Evakuierungsbestimmungen zusammen“, erklärt er. „Heute würde man das anders planen. Aber leider sind wir bei der bestehenden Architektur nicht in der Lage, die Gegebenheiten zu ändern.“
Ohnehin seien dem Cinestar als Mieter die Hände gebunden, nimmt Mumm Vermieter Heiner Kieft in die Pflicht. „Ich bin nicht glücklich über die Situation“, sagt Kieft. „Aber wir haben damals beim Bau keine andere Lösung gesehen. Die Alternative heute wäre: abreißen und neubauen. Aber dann hätte Hagen kein Kino mehr.“
Neuer Vorstoß im Behindertenrat
Kieft möchte nun zeitnah Ideen mit dem Behindertenbeirat der Stadt Hagen austauschen. Der Beirat hatte schon vor zehn Jahren Gespräche angestoßen und Verbesserungsvorschläge für einen Kinobesuch im Rollstuhl erarbeitet. Umgesetzt wurden diese nicht. „Teilweise sind die Pläne aus Brandschutzgründen gescheitert, teilweise aus Kostengründen“, bedauert Martina Gleiß, Behindertenkoordinatorin der Stadt Hagen. Gemeinsam mit Meinhard Wirth, dem Vorsitzenden des Behindertenbeirats, kündigt auch sie nun einen neuen Vorstoß an.
Auch Dirk Rottschäfer, Leiter des ambulanten Dienstes der evangelischen Stiftung Volmarstein, ärgert sich über die Diskriminierung. Er begleitete die sechs Rollstuhlfahrer ins Kino. „Das ist entwürdigend“, sagt Rottschäfer und verweist auf die UN-Behindertenrechtskonvention, die Deutschland 2009 anerkannt hat. Demnach hat jeder Mensch das Recht auf uneingeschränkte Teilhabe am Leben in allen gesellschaftlichen Bereichen. „In Hagen können behinderte Menschen nicht vernünftig ins Kino gehen“, kritisiert er. „Die nächste Möglichkeit wäre in Bochum.“
Verschlossene Behinderten-Toilette
Verärgert sind die Rollstuhlfahrer auch, dass sie am Eingang zum Foyer - die Türen müssen für sie aufgehalten werden - und beim Gang auf die verschlossene Behinderten-Toilette ohne fremde Hilfe nicht weiterkommen. „Ich muss immer jemanden bitten. Das ist doof“, sagt Frank Beele und macht sich auf den Heimweg nach Wehringhausen.
Achim Gentz muss nach Volmarstein. Um vier hat er sich mit den Kollegen nach der Arbeit getroffen. Um sieben waren sie zu Hause - ohne Kinogenuss. Ein Aufwand, der sich für Gentz trotzdem gelohnt hat: „Ich bin mitgefahren, um Druck zu machen.“