Hagen-Eppenhausen. . Er setzt auf Kult statt Klamauk und auf Kunst statt Kracher: Michael van Wijk betreibt in Eppenhausen eine ganz spezielle Videothek. Auch das, was es bei ihm nicht gibt, lässt aufhorchen.

Pornos und Videospiele sucht der Kunde vergebens. Und das, obwohl gerade diese beiden Sparten in Videotheken als lukrative Angelegenheit gelten. Aber mit sinnfreien Sex-Filmchen oder Computer-Geballer hat Michael van Wijk nun mal nichts am Hut. In seinem Verleih „Filmgalerie“ an der Eppenhauser Straße stehen stattdessen „Alexis Sorbas“, „Frühstück bei Tiffany“, „Nosferatu“ oder „Das Cabinet des Dr. Caligari“ in den Regalen. Echte Klassiker eben.

Hinter der Ladentheke hängen Autogramme von Al Pacino, Mario Adorf, Bruno Ganz und Tom Cruise. Ganz klar: Michael van Wijk ist ein Film-Freak. Und das seit Kindesbeinen. „Schuld ist mein Opa“, erinnert sich der 40-Jährige. „Er hat damals, zu Zeiten von Betamax, schon Filme gesammelt. Bei ihm durfte ich auch mal Gruselfilme gucken, was meiner Mutter eigentlich gar nicht passte. Aber ich war von dem Virus infiziert.“

Gegen den Strom geschwommen

Und zwar so stark, dass auch der Enkel anfing, Filme zu horten und die Kollektion irgendwann alle Grenzen sprengte. Als dann eine Videothek in Mönchengladbach, wo van Wijk seinerzeit noch wohnte, aufgegeben werden sollte, schlug er zu und übernahm kurzerhand das Geschäft. Mit gerade einmal 18 Jahren. Allerdings schwamm der Jungunternehmer schon damals gegen den Strom: „Ich wollte alles anders machen. Klassiker, Literaturverfilmungen, mehr Anspruch anbieten.“

Schnell merkte van Wijk jedoch, dass ein kompletter Verzicht auf aktuelle Kassenschlager aus finanziellen Gründen einfach unmöglich ist. Zumal die Bezahlsender sowie das Internet nach und nach einen großen Teil vom Kuchen abbissen. „Zu Spitzenzeiten gab es in Deutschland etwa 10.000 Videotheken, heute sind es nur noch knapp über 2000.“ Eine davon ist die „Filmgalerie“. Van Wijk hat überlebt.

Hagener mögen

Über 16 000 Filme auf DVD gibt es in der Filmgalerie, die meisten befinden sich in der Düsseldorfer Filiale. Sollte der Streifen in Hagen nicht vorrätig sein, besorgt Michael van Wijk ihn aus der Landeshauptstadt.

In Hagen würden verstärkt ältere Werke von Quentin Tarantino und David Lynch ausgeliehen, erzählt van Wijk: „Dafür scheint es hier einige Liebhaber zu geben.“

Seine Kunden sind dem Teenageralter fast alle entwachsen, sagt der Experte: „Unter 20-Jährige kommen fast gar nicht. Die laden alles im Internet runter und scheinen dabei auch kein Unrechtsgefühl zu besitzen.“

Läden, die sich auf Klassiker spezialisiert haben, gibt es u. a. in Köln, Stuttgart und Berlin. Allerdings hat die gesamte Videotheken-Branche laut van Wijk zu kämpfen: „Die Goldgräberzeiten, das waren die 80er-Jahre.“

Auf seinen Lieblingsfilm angesprochen, tut sich van Wijk schwer: „Von den älteren Sachen vielleicht ,Der dritte Mann’, von den neueren ,The Big Lebowski’. Aber eigentlich kann man das nicht sagen, wenn man so viel gesehen hat wie ich.“

2006 zog der Cineast mit seinem Geschäft nach Düsseldorf um, 2011 eröffnete er ein weiteres in Hagen, wohin ihn die Liebe verschlagen hatte. Schon das Ladenlokal an der Eppenhauser Straße, untergebracht in einem Fachwerkhaus, habe ihn gereizt: „Die meisten Videotheken sind ja große Hallen mit Neonlicht. Hier sieht es ja eher aus wie in einer Bücherei.“ Mit diesem Wohlfühlfaktor setzt der 40-Jährige auf Kunden, „die eben nicht im Internet alles auf Knopfdruck machen wollen. Menschen, die auch mal in ein richtiges Geschäft gehen möchten.“

"Die Leute zu beraten, macht am meisten Spaß"

Ungefähr die Hälfte aller ausgeliehenen DVDs sind Klassiker und oftmals Meilensteine der Filmgeschichte. „Und die Leute dabei zu beraten, macht einfach am meisten Spaß.“ Denn nicht selten entwickelt sich ein Detektivspiel, wenn ein Kunde nur noch Fragmente des Werkes kennt. „Die Leute erzählen von einem Film, den sie gern mal wieder sehen würden, wissen aber weder Titel noch Darsteller.“

Aus diesen Teilen versucht van Wijk dann, das Puzzle zusammenzusetzen – was ihm häufig auch gelingt. Schließlich hat er selbst schon so manche Stunde im Kino oder vor dem Fernseher verbracht: „Wie viele Filme ich gesehen habe? Genau weiß ich’s nicht, aber es ist ‘ne hohe vierstellige Zahl.“

Hagener peilt Rekord an

Ein Hagener könnte ihm allerdings den Titel des Vielguckers streitig machen, wenn der Kunde seine Gewohnheiten nicht ändert. „Der Mann hat in 15 Monaten 1300 Filme ausgeliehen. Normalerweise jeden Tag zwei, an den Wochenende mehr“, berichtet van Wijk anerkennend. Angefangen in den Stummfilmzeiten habe sich der berufstätige Herr Jahrzehnt für Jahrzehnt nach vorn gearbeitet. Und darf sich mittlerweile wohl auch als Experte bezeichnen.

Der älteste Streifen im Angebot der Filmgalerie heißt übrigens „Der Student von Prag“, ein Stummfilm aus dem Jahre 1913. Und, wird der häufig ausgeliehen? Michael van Wijk kann sich ein Lächeln nicht verkneifen: „Nee, der eher selten.“