Hagen. .

Zwischen 1990 und 2010 ging die Bevölkerungszahl in Hagen von 214.499 auf 188.529 Menschen zurück. Das entspricht einem Verlust von 12,1 Prozent. Zum Vergleich: Die Bevölkerungsentwicklung im gesamten Land Nordrhein-Westfalen verlief im gleichen Zeitraum positiv. Das Land legte 2,9 Prozent bei den Bewohnern zu. Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Bis 2030 erwarten die Statistiker einen weiteren Einwohnerrückgang in Hagen um 13,1 Prozent auf dann nur noch geschätzte 163.830 Personen.

Und auch im Land wird ein Rückgang erwartet, allerdings nur um 2,9 Prozent. Naturgemäß schrumpft somit auch die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 65 Jahren. Bis 2030 wird ein Rückgang um 19,3 Prozent auf dann rund 97.000 erwartet (NRW: -11,5 Prozent).

„Die Problematik für den Arbeitsmarkt verschärft sich noch durch die Tatsache, dass es im Märkischen Kreis und im Ennepe-Ruhr-Kreis ähnlich aussieht“, sagt Gerhard Kopplin, operativer Geschäftsführer der Agentur für Arbeit in Hagen. „Das heißt, dass die Unternehmen nicht so einfach Personal aus dem Umland rekrutieren können.“

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Fachkräftesituation

Die Verantwortlichen der Agentur für Arbeit zeigen sich bezüglich der Fachkräfte-Situation zurückhaltend optimistisch. Zwar gebe es in einigen Berufszweigen durchaus einen Mangel zu beklagen, zum Beispiel in den Bereichen Ärzte, Pflegefachkräfte, Elektro- und Metallingenieure, Metallfacharbeiter, Elektrofacharbeiter sowie in bestimmten Handwerksbereichen, wie Maler und Lackierer oder Gartenbaufacharbeiter. Dagegen stagniere die Situation bei den Bürofach- und -hilfskräften oder entwickele sich sogar erfreulich wie beispielsweise bei den Warenkaufleuten. Da habe Hagen von 2001 bis 2011 um die 325 neue Stellen gewonnen.

„Da zeigt sich, dass Hagen ein Oberzentrum ist. Mit Blick auf die Rathaus-Galerie erwarten wir zahlreiche neue sozialversicherungspflichtige Voll- und Teilzeitjobs“, sagt Kopplin. Ohnehin sei kein Trend in diesem Bereich hin zu geringfügiger Beschäftigung zu erkennen. „Uns bereitet zurzeit eher Probleme, dass in der Vergangenheit zahlreiche Ausgebildete aus finanziellen Anreizen in Helfertätigkeiten abgewandert sind“, betont Kopplin. So hätte es früher zahlreiche Schlosserhelfer gegeben, die es heute des komplexeren Berufsbildes wegen so nicht mehr gebe.

Die Fachkräfte-Entwicklung und der Handlungsplan der Stadt 

In Zukunft werden die Unternehmen nach heutigen Prognosen auf weniger Fachkräfte zurückgreifen können. Für 2012 rechnet die Agentur für Arbeit mit 2197 potenziellen künftigen Fachkräften. Durch den doppelten Abiturjahrgang wird sich diese Zahl im kommenden Jahr auf 2772 erhöhen. Danach allerdings wird es bergab gehen: 2020 erwarten die Statistiker noch 1751. Das allerdings schreckt Kopplin nicht: „Ab 2014 beginnt der Kampf um junge Talente. Für junge Leute bricht dann ein goldenes Zeitalter an“, so Kopplin. „Trotzdem werden noch viele junge Leute um einen guten Job kämpfen müssen.“

Der Handlungsplan für Hagen

„Gut ausgebildete und ausreichend verfügbare Fachkräfte werden künftig zum entscheidenden Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und damit auch für die Zukunftsfähigkeit unserer Region.“ Diese Worte fassen die Aufgabenstellung des Handlungsplanes der Märkischen Region im Rahmen der NRW-Fachkräfteinitiative zusammen. Die Agentur Mark als Regionalagentur koordiniert die Aktivitäten der verschiedenen lokalen Akteure.

„Das Fachkräfteprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen konkretisiert schon bestehende Aktivitäten“, sagt Erik O. Schulz, Geschäftsführer der Agentur Mark. „Wir haben gemeinsam mit unseren Partnern eine Stärken- und Alleinstellungsanalyse erstellt und nun werden entsprechende Projekte aufgelegt.“ Schulz hat in Bezug auf Fachkräftesicherung drei wesentliche Handlungsfelder ausgemacht: Gewinnung von Nachwuchskräften, Fachkräfteentwicklung und -bindung sowie Erhöhung des Erwerbspersonenpotenzials.

Nachwuchsgewinnung

„Wir haben relativ alte Belegschaften, die in Teilen weniger qualifiziert sind und die jungen Leute wandern ab.“ So fasst Andreas Lux, Bildungsgeschäftsführer der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK), die Ausgangslage am heimischen Arbeitsmarkt zusammen. Das muss sich ändern. Berufsorientierung kann daher nicht früh genug beginnen. Schon heute sind spezielle Projekte auf Kindergartenkinder zugeschnitten. „Es geht darum, früh Interesse zu wecken“, so Schulz.

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„Generell geht es darum, möglichst früh über die Herausforderungen des Berufslebens zu informieren“, so Schulz. Aktivitäten in diesem Bereich sollen die eigentliche Berufsfindung vorbereiten. „Spätestens ein Jahr vor dem Abschluss sollte die Entscheidung stehen“, sagt Andreas Lux von der SIHK. Inwieweit die schon existenten Projekte als erfolgreich zu bewerten sind, sei eine schwammige Angelegenheit. So gibt es zum Beispiel den Girls’ Day seit etlichen Jahren – der Topberufswunsch von Mädchen bleibt trotzdem häufig der der Friseurin.

Verpflichtende Berufsorientierung ab der achten Klasse

Das A & O bei der Berufsentscheidung sei eine breite Informationsbasis bei den Jugendlichen. „Wir möchten daher ein Übergangssystem von der Schule in den Beruf einführen, das mit einer verpflichtenden Berufsorientierung ab der achten Klasse startet“, so Schulz. In dieses System sollen die lokalen Akteure ihre Projekte einspeisen. So soll eine durchgängige Kette entstehen, an deren Ende sogar eine Übergangsempfehlung für die Jugendlichen stehen soll. „Wir erhoffen uns, dass so das duale Ausbildungssystem an Attraktivität gewinnt “, so Schulz. „Ein wichtiger Schlüssel sind da auch die Eltern, die wir ins Boot nehmen müssen.“

Die Menschen in der Region halten 

Unsere Region leidet in besonderem Maße an der demografischen Entwicklung. Umso wichtiger ist es, die vorhandenen Fachkräfte zu entwickeln und in der Region zu halten. Ein wichtiger Baustein ist hier das Regionalmarketing. Was im touristischen Bereich leidlich funktioniert ist in Bezug auf die heimische Wirtschaft noch ausbaufähig. Es geht ganz speziell aber auch um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

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„Und dann müssen wir uns um die Menschen in den Betrieben selbst kümmern“, weiß Schulz. So kümmert sich die Karrierewerkstatt der Deutschen Edelstahlwerke beispielsweise darum, an- und ungelernte Arbeitskräfte zu qualifizieren. „Lebensbegleitendes Lernen ist und bleibt ein Thema, auch wenn die Bereitschaft, die Schulbank erneut zu drücken, ab 40 erfahrungsgemäß abnimmt“, so Lux.

Dennoch sei es wichtig, am Ball zu bleiben. „Zurzeit setzt aber auch ein Umdenken ein. Schließlich weiß heute jeder, dass es schwierig wird, als älterer Arbeitssuchender wieder in einen Job zu kommen. Und die Unternehmen ihrerseits haben auch ein Interesse nach qualifizierten Mitarbeitern.“

Neue Erwerbspersonen

„Das größte Potenzial in der Region können wir bei den Frauen heben“, so Schulz. „Dafür haben wir kürzlich das Kompetenzzentrum Frau und Beruf ins Leben gerufen.“ Dieses Themenfeld zeichnet sich jedoch nicht nur durch die Aktivierung von bisher nicht berufstätigen Frauen aus. „Es geht auch darum, zu überlegen, wie etwa Kontakt in der Elternzeit gehalten werden kann“, so Schulz. „Die Bindung an die Unternehmen kann vergrößert werden, wenn die Frauen während der Elternzeit in Fortbildungen eingebunden werden oder an Betriebsversammlungen teilnehmen.“

Eine weitere Personengruppe in diesem Handlungsfeld stellen Menschen mit Migrationshintergrund dar. „Wichtig ist es, diese Leute nicht als Problemfälle zu stigmatisieren, sondern deren Potenziale zu aktivieren“, so Schulz. Unter dem Titel „Foreign Skills Approval“ (FOSA) können seit 1. April Anträge gestellt werden, um im Ausland erworbene Berufsabschlüsse in Deutschland anerkennen zu lassen.

Die Resonanz darauf ist dem Vernehmen nach mäßig. „Wir haben von vorneherein nicht mit einer großen Welle gerechnet“, sagt Lux. Schließlich seien diejenigen, die bereits beschäftigt seien, überhaupt nicht betroffen. „Wir führen dennoch täglich ein bis zwei Beratungsgespräche.“