Hagen-Boele. . Konditormeister Dieter Käsgen hat vor zwei Jahren das alte Stadtbad in Hagen-Boele gekauft und daraus eine Backstube gemacht. Wo einst geplanscht wurde, dampfen jetzt die Backöfen.

Die Kühlaggregate brummen kaum hörbar. Wie ein Schiffsrumpf erhebt sich das mit geschnitzten Holzbalken verstärkte Deckengewölbe über der hochmodernen Mikrobefeuchtungsanlage, in der die Teiglinge frisch gehalten werden. Es riecht typisch nach Backstube. „Hier habe ich schwimmen gelernt“, sagt Dieter Käsgen.

Wie bitte? Schwimmen gelernt zwischen Brötchen, Mehl und ­glühenden Öfen?

Und doch stimmt es. Denn die Backstube von Konditormeister Dieter Käsgen (49) in Boele befindet sich an einem für Backstuben ganz außergewöhnlichen Ort, sie liegt im ehemaligen Boeler Hallenbad. Vor zwei Jahren wurde die Schwimmhalle geschlossen - Käsgen, dem seine zwei Häuser weiter liegende Backstube in der Hospitalstraße 2 zu eng geworden war und der längst über eine Erweiterung nachdachte, kaufte das leerstehende Objekt kurzentschlossen von der Hagenbad GmbH. Und machte daraus eine Bäckerei. „So konnte ich in unmittelbarer Nachbarschaft expandieren“, sagt Käsgen, der das 1900 gegründete Traditionsunternehmen vor Jahren mitten im Studium von seinem Vater übernahm und in vierter Generation führt.

Schwimmbecken wurde zugemauert

Wo einst Kinder und Nichtschwimmer planschten, steht jetzt der hölzerne Aufarbeitungstisch für Brote und Brötchen. An die Stelle der Herrenduschen ist der Knet­kessel getreten, die Damenduschen wiederum haben dem Sauerteig­bereiter Platz gemacht. Das kleine Sprungbrett nahe der Durchgangstür zum Foyer ist den Etagenöfen gewichen, das eigentliche Schwimmbecken aber hat Käsgen mit einer Betondecke zumauern lassen und darauf seine Kühlhäuser platziert. „Hier steckt mein Herzblut drin“, sagt der Chef. „Und ein gutes Stück meiner Kindheit.“

Die Spuren der Vergangenheit sind an vielen Stellen sichtbar, durch die Backstube schwebt die morbide Aura einer Badeanstalt, die schon während ihres Bestehens von den Zeitläuften überholt worden war. Das 22 Meter lange Becken entsprach ganz und gar nicht den heutigen Ansprüchen, von Saunalandschaften, Rutschen oder Wellness ganz zu schweigen. Hinter den galerieartig angeordneten Türen auf der Empore befanden sich Badewannen, in der sich Generationen von Boelern mit Kernseife und Wurzelbürste den Rücken schrubbten. Die Zeit war auf eine halbe Stunde begrenzt und wurde vom Badewärter mit einer Eieruhr gemessen. ­Einige der Baderäume hat Käsgen in Duschkabinen für sein Personal umwandeln lassen.

Haus steht unter Denkmalschutz 

Und überall dort, wo es Bauvorschriften und Hygienestandards möglich machten, hat er die Reminiszenzen an die gute, alte Schwimmbadzeit erhalten: die zwölf in die Wand gemauerten Seifenschalen, die jetzt halb von der Paniermehlmühle verdeckt sind, die gebrannten Hohlziegel an den Wänden und vor allem das historische Schiffe-Mosaik an der Kopfseite der Halle, das seine Bäcker beim Teigkneten betrachten können.

Das Haus steht unter Denkmalschutz, die Umwandlung in eine Bäckerei war für alle Beteiligten die denkbar beste Lösung. Hagenbad wurde eine kaum zu vermittelnde Immobilie los, dem Stadtteil droht keine denkmalgeschützte, vor sich hin gammelnde Ruine, und Käsgen konnte seinen Betrieb erweitern. Ab 2 Uhr nachts arbeiten hier täglich vier Bäcker, vier Konditoren und zwei Fahrer. „Und wir sind auf weitere Expansion ausgelegt“, so Käsgen, der seine Erzeugnisse zurzeit in vier Filialen verkauft. „Wenn sich die Gelegenheit bietet, wollen wir uns vergrößern.“

Für die Vorhalle, die ehemalige Wohnung des Bademeisters und einige andere Räume sucht Käsgen einen Mieter - denkbar wären eine Anwaltskanzlei oder auch eine Arztpraxis. An der Wand hängen noch die Haus- und Badeordnung von anno dazumal, die letzten Eintrittspreise (Kinder 2,10 Euro, Erwachsene 3,30 Euro) und die Öffnungszeiten. Donnerstags, samstags und sonntags war das Hallenbad immer geschlossen. In der Bäckerei, die es heute beherbergt, wird dagegen an sechs Tagen in der Woche unter Volldampf gearbeitet.