Hagen.

Die Tagesstätte wird gebaut, aber sie wird nicht als Betriebskindergarten eröffnet: Im August wird auf dem Gelände der Firma KB Schmiedetechnik wie geplant eine Kindertagesstätte samt Therapiezentrum eröffnet. Doch um ein Haar wäre das ehrgeizige Vorhaben gescheitert. Regie führt nun nicht allein die Firma, sondern die Stadt Hagen.

Man kann Angelika Schulte (60) schwerlich vorwerfen, realitätsfremde Anschauungen zu besitzen. Doch die erfolgreiche Unternehmerin, Chefin der KB Schmiedetechnik mit 120 Mitarbeitern, ist ihrer Zeit voraus. Wie sonst ist es zu verstehen, dass sie mit ihrem wegweisenden Projekt, der Gründung eines Kindergartens für alle im Industriegebiet Unteres Lennetal angesiedelten Firmen, beinahe Schiffbruch erlitten hätte?

Geplatzt wie eine Seifenblase

Zur Erinnerung: Weil sich Angelika Schulte seit langem über das Angebot vieler Tagesstätten ärgert, die meist gegen 16 Uhr schließen und den Bedürfnissen berufstätiger Eltern damit nicht gerecht werden, wollte sie einen Betriebskindergarten, der von 7 bis 19 Uhr geöffnet sein und damit den unterschiedlichen Arbeitszeiten und Schichtdiensten der Beschäftigten Rechnung tragen sollte. „Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf liegt mir am Herzen“, sagt die Fabrikantin, die selbst zwei Kinder groß gezogen hat.

Da ein Betriebskindergarten für die Firma KB, die Spezialteile für Raffinerien und Kraftwerke herstellt, allein viel zu groß wäre, sollten alle benachbarten Firmen des von mittelständischen Unternehmen geprägten Industriegebietes Plätze für die Kinder ihrer Eltern buchen können. Die Resonanz sei auch anfangs vielversprechend gewesen, so Matthias Feldhege (52), Justiziar der Firma an der Buschmühlenstraße: „Als es zum Schwur kam und Betreuungsplätze gebucht werden sollten, wollten nur drei Betriebe mitziehen.“ Zwar hätten die meisten der 130 angeschriebenen Unternehmen grundsätzliches Interesse an einem Kindergarten mitten im Industriegebiet bekundet, doch an den Kosten wollte sich kaum eine Firma beteiligen: „Im Grunde ist unser Konzept geplatzt wie eine Seifenblase“, so Feldhege.

Eröffnung der Kita ist für August geplant

Doch Oberbürgermeister Dehm und seinem Dezernenten Christian Schmidt hatte das Engagement der taffen Unternehmerin imponiert. Und weil sie das Experiment eines Betriebskindergartens in einem großen Gewerbegebiet für bahnbrechend halten, verhalfen sie der Idee doch noch zur Umsetzung. Die Tagesstätte wird wie beabsichtigt im August eröffnet, allerdings als öffentlicher Kindergarten geführt und damit allen Familien offen stehen. „Als die Firma Douglas ihren Betriebskindergarten gründete, haperte es anfangs auch mit den Anmeldezahlen“, begründete Schmidt die Unterstützung seitens der Stadt. „Mittlerweile platzt diese Tagesstätte aus allen Nähten.“ Vielleicht werde das im Lennetal bald ebenso sein, fügte der Dezernent mit einer Mischung aus Zuversicht und Hoffnung hinzu.

Große Enttäuschung bei der Initiatorin

Unternehmerin Schulte macht aus ihrem Herzen dennoch keine Mördergrube. „Ich bin schon sehr enttäuscht, denn den Charakter eines reinen Betriebskindergartens wird die Tagesstätte nicht mehr haben.“ Dennoch bleibt sie bei ihrem Versprechen, den Bau des Kindergartens und des Therapiezentrums zu finanzieren, wobei sie natürlich auch das langfristige Wohl ihres eigenen Unternehmens nicht aus den Augen verloren hat: „Drei Kinder von Eltern aus meinem Betrieb sind schon angemeldet. Um Fachkräfte zu binden, muss man etwas tun. Meine jungen Leute sind auch bei anderen Betrieben begehrt.“