Hagen. . Die meisten seiner Mitbürger prosten sich heute Nacht zu und wünschen sich lachend ein frohes neues Jahr. Nicht so Peter Rische. Mit seinen breiten Schultern wirkt der Hagener auf den ersten Blick zwar, als habe er ein dickes Fell, doch der Eindruck täuscht. Sechs Jahre Arbeitslosigkeit haben den 50-Jährigen gebrochen, ihm jegliches Selbstvertrauen genommen: „Ich habe keine Hoffnung mehr.“

Die meisten seiner Mitbürger prosten sich heute Nacht zu und wünschen sich lachend ein frohes neues Jahr. Nicht so Peter Rische. Mit seinen breiten Schultern wirkt der Hagener auf den ersten Blick zwar, als habe er ein dickes Fell, doch der Eindruck täuscht. Sechs Jahre Arbeitslosigkeit haben den 50-Jährigen gebrochen, ihm jegliches Selbstvertrauen genommen: „Ich habe keine Hoffnung mehr.“

Dabei verlief sein Leben bis zum Jahr 2005 in geregelten Bahnen – nichts deutete darauf hin, dass es auf der sozialen Leiter einmal nach unten gehen sollte. Nach der Schule absolvierte Rische eine Ausbildung zum Industriekaufmann, arbeitete in einem Betrieb 15 Jahre, in einem anderen sieben Jahre lang. Ware annehmen und ausgeben, Kunden bedienen, Lagertätigkeiten, bei Bedarf auch mal Auslieferungsfahrten. Als ihm die Firma aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten die Kündigung in die Hand drückte, nahm er das noch relativ gelassen hin: „Ich hatte damals das Gefühl: Du fasst schon wieder Fuß.“

Doch Peter Rische hatte sich getäuscht. Er fand keinen Ausweg mehr aus dem Teufelskreis von Arbeitslosigkeit, Bewerbungen, Absagen und Hartz IV. Hinzu kam, dass er sich um seine pflegebedürftige Mutter kümmern musste, die im Oktober 2009 verstarb. „Das alles hat mich seelisch schwer belastet“, erinnert sich der 50-Jährige; so schwer, dass ihm sein Hausarzt Depressionen attestiert.

Nur wenige Menschen zeigen Verständnis

Mittlerweile gehöre der Arzt neben einigen seelsorgerisch tätigen Personen zu den wenigen Menschen, die Verständnis für seine Situation aufbrächten. „Auch wenn es keiner direkt ausspricht, fühle ich mich in meiner Umgebung – Nachbarn, Freunde, Bekannte – als Faulpelz diffamiert, der nur nach Ausreden sucht, um nicht arbeiten zu müssen.“

Da er zudem kein Geld für außerplanmäßige Ausgaben übrig habe, ziehe er sich immer mehr zurück, erzählt der Hagener mit Tränen in den Augen: „Das örtliche Feuerwehrfest, zu dem ich immer gern gegangen bin, besuche ich schon seit Jahren nicht mehr. Ebenso den monatlichen Stammtisch mit den Nachbarn. Ich scheue die Ausgaben dafür, aber mehr noch, auf meine Situation angesprochen zu werden und mich rechtfertigen zu müssen.“

Sicherlich habe er selber Fehler gemacht, gesteht Rische ein. „Ich habe die Entwicklung mit dem Internet verpasst“, sagt er. „Als ich noch einen Job besaß, habe ich nicht dran gedacht. Es interessierte mich nicht.“ Zwar besitzt er einen Computer, doch der arbeitet noch mit dem beinahe historischen Betriebssystem Windows 95. „Viel mehr als Bewerbungen schreiben geht damit gar nicht.“

Und das hat er in der Vergangenheit reichlich getan – als Kommissionierer, Büroangestellter, Aushilfsfahrer... Vergebens: „Meist habe ich nicht mal eine Absage erhalten, geschweige denn meine Unterlagen zurückbekommen. Von einer Einladung zu einem Vorstellungsgespräch gar nicht zu reden.“

Und dabei suche er doch nur einen normalen Arbeitsplatz und keine befristete Tätigkeit bei einem Zeitarbeitsunternehmen, „bei dem man täglich wieder entlassen werden kann und man gegenüber dem Stammpersonal eine Arbeitskraft dritter, vierter oder fünfter Klasse ist. Wenn ich in allen Belangen schlechter gestellt bin als meine Kollegen, empfinde ich keine Würde. Ich finde es verlogen, wie die Zeitarbeit schöngeredet wird.“

„Fühle mich an der Haltestelle vergessen“

Doch Wirtschaftsbossen und Politikern scheine es egal zu sein, dass ein großer Teil der Bevölkerung unter diesen Arbeitsbedingungen leide. „Unsere Politiker führen gerne Sätze wie ‘Wir müssen die Menschen abholen’ im Mund“, sagt Peter Rische und schluckt. „Ich fühle mich an der Haltestelle vergessen.“