Hagen. . Die Geheimnisse stecken hinter dicken Mauern. Sie sind verborgen im massiven Turm der Johanniskirche am Markt in Hagen. Doch jetzt können sie entdeckt werden.
Regelmäßig samstags steigt Gemeindepfarrer Frank Lehmann (55) mit interessierten Besuchern nach oben. Nicht die ganzen 76,50 Meter hoch – denn so weit ragt allein die Turmspitze gen Himmel – aber immerhin bis zum großen Geläut: drei schwere Stahlglocken, die in über 50 Metern Höhe schwingen und dröhnen. „Turmführung mit historischen Details“ nennt sich die Kirchenerkundung der besonderen Art. Seit Sommer haben sich schon über 70 Teilnehmer davon begeistern lassen.
"Christus – das Licht der Welt"
Erste Station im quadratischen Turm: Ein prachtvolles, aber nach innen verdecktes Fenster. Zu seinem 60. Geburtstag 1991 sammelte Pfarrer Rudolf Asselmeyer 60.000 Mark, um die bis dahin zugemauerte „Luther-Rosette“ verglasen und farbenfroh ausgestalten zu lassen. Künstler Leo Janischowsky nannte seine wirbelnde Kreation „Christus – das Licht der Welt“.
Leider können die Gottesdienstbesucher das leuchtende Kunstwerk aus halbtransparentem, alabasterähnlichem Spezialglas vom Kirchenschiff aus nicht sehen. Eine hohe Wand in ihrem Rücken verdeckt das bisher. Pfarrer Lehmann lüftet nun ein Geheimnis: „Es ist keine tragende Wand. Sie könnte völlig unproblematisch abgerissen werden.“ Der Pastor schmunzelt. Vielleicht findet sich ja dafür noch ein Geldgeber.
Ältestes Gotteshaus Hagens
Die Johanniskirche ist das älteste Gotteshaus („Ur-Pfarre“) Hagens. Bereits im Jahr 800 stand eine schlichte Holzkapelle am Markt, die 1150 einer romanischen Stein-Basilika weichen musste. Im Jahr 1750, also vier Jahre nach der Stadtgründung, wurde an gleicher Stelle eine dreischiffige barocke Hallenkirche eingeweiht. Der Bau in seiner jetzigen Form stammt von 1951.
Im Zweiten Weltkrieg war die Johanniskirche am 2. Dezember 1944 von einer Bombe zerstört worden. „Ein offener Dachstuhl“, weiß Pfarrer Lehmann. „Die ersten Konfirmationen nach dem Krieg müssen noch unter freiem Himmel stattgefunden haben.“
Schwindelfreiheit erforderlich
Jetzt wird es spannend: Wer von den Kirchenexkursionsteilnehmern schwindelfrei ist und es sich traut, darf über eine steile Leiter den „Kirchenhimmel“ erklimmen und von oben ins Dachgewölbe steigen. Es ist wie ein Schritt in eine andere Welt: Eine unwirkliche, bizarre Landschaft aus silbergrau glitzenden Kratern breitet sich dort aus.
Zurück in den Johannisturm. Eine Wendeltreppe mit Steinstufen führt weiter nach oben. Bei 1,70 Meter Durchgangshöhe ist ducken angesagt. An rauen Wänden blättert Mörtel. Doch darauf: eine unscheinbare Tuschkritzelei. Initialien und, in Schnörkeln, die Jahreszahl 1907. Wer war denn damals schon hier oben? Vor 104 Jahren gab es also schon Graffiti – allerdings viel dezenter als heute.
Hagens älteste Stadtglocke
Eine knarrende Holztreppe noch, schon sind wir bei den drei großen Glocken: Allen voran die 3400 Kilo schwere und dumpfe Johannesglocke (mit „e“), die an Festtagen und als Totenglocke dröhnt.
Und dann gibt es da noch das kleine Glöckchen, 1200 Gramm leicht, von 1590. Hagens älteste Stadtglocke, einstmals „St. Martin“, heute „Martin Luther“ geheißen. Sie wird bei jedem „Vater unser“ neunmal angeschlagen und ist die einzige von Hand betriebene Kirchenglocke in Hagen.
Termine
An Silvester 2011, findet um 23 Uhr ein Sonderaufstieg auf den Turm der Johanniskirche statt – mit Blick auf die Stadt und das Mitternachtsfeuerwerk. Weitere Turm-Exkursionen sind bereits für den 21. und 28. Januar jeweils um 11 Uhr terminiert. Ab Februar sollen dann regelmäßig Führungen an jedem 1. Samstag im Monat um 11 Uhr stattfinden. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.