Hagen-Mitte. .

Die evangelische Stadtkirchengemeinde durchläuft einen Wandel: Mitglieder gehen verloren, fünf von sechs Geistlichen haben die Gemeinde verlassen, Kirchen und Gemeindezen­tren müssen saniert werden. Nun wird ein Gemeindezentrum verkauft.

„Wir müssen finanziell wie strukturell ganz stark runterfahren“, gibt Pfarrer Frank Lehmann (55) die Marschrichtung für die Zukunft vor.

Als erste Konsequenz aus der sich zuspitzenden Situation hat das Presbyterium den Verkauf des Gemeindezentrums in der Hochstraße 61 für 720 000 Euro an die Unternehmensgruppe Silbersiepe, die dort ein Seniorenzentrum errichten will, beschlossen. Allerdings werden von der Summe noch die Abrisskosten, die bei gut 120 000 Euro liefen dürften, abgezogen, so dass die Gemeinde letztlich nur knapp 600 000 Euro erhält. „Das ist Substanzgeld und muss in der Gemeinde bleiben“, kündigt Rendant Heinz-Hermann Kiemen (59) an. Das Presbyterium schlägt vor, mit einem Teil des Geldes die Johanniskirche so umzubauen, dass dort nicht nur Gottesdienste gehalten werden können, sondern auch kirchliche Gruppen wie der Abendkreis oder die Frauenhilfe, die bislang in der Hochstraße zusammenkamen, Platz finden. Zudem sollen in der Kirche Konzerte und Feiern stattfinden, etwa Hochzeitspartys oder Jubelkonfirmationen.

Das Angebot an Gottesdiensten und seelsorglicher Betreuung musste reduziert werden

Schwer getroffen hat die Gemeinde, die 2003 aus der Fusion von Markus-, Luther- und Johanniskirche hervorging, auch der Abgang von fünf Pfarrern innerhalb von eineinhalb Jahren. Verabschiedet haben sich Pfarrer Welz (Ruhestand), Pfarrer Becht (nach Minden), Pfarrer Hammermeister-Kruse (Polizeiseelsorge), Pfarrerin Thomas (Ziel unbekannt) und Pfarrerin Behrend-Fuchs (Telefonseelsorge).

Zwar hat Frank Lehmann, sozusagen der letzte Mohikaner in der Innenstadt, in Siegfried Erbslöh einen Pfarrer als Aushilfe zur Seite gestellt bekommen, doch das Angebot an Gottesdiensten und seelsorglicher Betreuung muss drastisch reduziert werden. Immerhin besteht die Aussicht, im Januar eine neue Pfarrerin für die Markuskirche einstellen zu können.

„Noch vor einem Jahr haben wir gedacht: Das kriegen wir schon alles irgendwie hin“, so Lehmann. „Als gebe es jenseits von Stadtkirchengemeinde nur noch Dinge, die wir ganz weit weg wähnten.“ Das Erwachen ist nun umso erschütternder. Auch über dem Friedhof Remberg/Buschey, an dem die Stadtkirchengemeinde zu drei Sechsteln beteiligt ist, schwebt ein Damoklesschwert. Noch schreibt die Friedhofskommission eine schwarze Null, doch drohe stets die Gefahr, dass die Bilanz kippe. „Wir bewegen uns dort ständig am Limit“, berichtet Baukirchmeisterin Monika Dettmar (61). „Das ist kein beruhigender Zustand.“

Kirche ist marode, kann aber nicht abgerissen werden

Ein „ungeheurer Investitionsstau“ liege, so Kiemen, auf der Lutherkirche. Zwar finden dort schon längst keine Gottesdienste mehr statt, denn das Gotteshaus muss dringend saniert werden. Doch das Presbyterium will auf keinen Fall Geld in das marode Bauwerk stecken. Andererseits kann die Kirche nicht - wie das benachbarte, vom Schimmelpilz befallene Gemeindehaus, dessen letztes Stündlein bald geschlagen hat - abgerissen werden. Erstens steht sie unter Denkmalschutz, zweitens würden das viele Gläubige als Kapitulation gegenüber dem Islam auffassen, denn direkt nebenan steht eine Moschee.

Angesichts der einschneidenden Veränderungen rumort es in der Gemeinde. So mancher Gläubige fühlt sich nicht mitgenommen auf dem Weg in die Zukunft: „Wir werden übergangen. Das Presbyterium trifft Entscheidungen über unsere Köpfe hinweg“, beklagen Kornelia Stauch (54), Stefan Wever (41), Jutta Homburg (69) und Manfred Lohberg (77), die alle in der ehrenamtlichen Gemeindearbeit engagiert sind oder waren.

Pfarrer Lehmann kennt derlei Kritik. Dem Vorwurf, dass man die Gläubigen vor fertige Tatsachen gestellt habe, könne er nicht widersprechen: „Aber wir waren zum Handeln gezwungen.“ Das Presbyterium habe für alle kirchlichen Gruppen und Mitglieder Lösungen erarbeitet, wie es auch ohne die Gemeindezentren weitergehen könne.

Am Reformationstag, 31. Oktober, werden die Pläne in einer Gemeindeversammlung allen Gläubigen vorgestellt.