Hagen.

Die Krise in der Stadtkirchengemeinde hat sich dramatisch zugespitzt. Fast alle Mitglieder des 20-köpfigen Presbyteriums haben ihren Rücktritt erklärt, das Führungsgremium der Gemeinde ist damit handlungs- und beschlussunfähig.

Jetzt wird die Gemeinde von einem sogenannten Bevollmächtigtenausschuss geführt.

Der nahezu geschlossene Rücktritt der Presbyter geschah unter dem immensen Druck, unter den die Gemeinde durch Mitgliederschwund, Sanierungsstau und Finanznot geraten ist. Fünf Pfarrer haben sich in den letzten zwei Jahren aus der einstmals blühenden Gemeinde verabschiedet, die seelsorgliche Betreuung musste drastisch reduziert werden. Auf der Lutherkirche, neben Markus- und Johanniskirche eines von drei Gotteshäusern, liegt ein ungeheurer Investitionsstau, das benachbarte Gemeindehaus ist vom Schimmelpilz befallen und muss abgerissen werden. Die Johanneskirche soll so umgebaut werden, dass dort auch kirchliche Gruppen wie Abendkreis oder Frauenhilfe unterkommen können. Das Gemeindezentrum in der Hochstraße 61 wurde für 720 000 Euro an die Unternehmensgruppe Silbersiepe verkauft, die dort ein Seniorenzentrum errichten will.

Probleme zu groß für kleine Gemeinde

Über die Gründe für ihre Rücktrittsersuchen hüllten sich die Betroffenen in Schweigen: „Es ist Teil der Absprache, dass nichts nach außen gesagt wird“, so der Rechtsanwalt Jörg Scharditzky, vormals 2. Vorsitzender des Presbyteriums. Lediglich Pfarrer Frank Lehmann erklärte, die Gemeinde sei weder logistisch noch finanziell ausgestattet, um die anstehende Probleme bewältigen zu können: „Wir sind zu klein. Wir brauchen die Hilfe einer größeren Einheit.“

Damit ist der Kirchenkreis gemeint, dessen Synodalvorstand nach dem Rückzug des Presbyteriums den Bevollmächtigtenausschuss einsetzte. „Das ist nach Artikel 81 des Kirchenrechts so vorgesehen“, bestätigte Pfarrerin Stefanie Elkmann. Neben Superintendent Bernd Becker, der auch den Vorsitz innehat, wurden fünf weitere Mitarbeiter aus dem Kirchenkreis sowie sechs Mitglieder der Stadtkirchengemeinde berufen.

Das bedeutet, dass nun Menschen über das Schicksal der Gemeinde befinden werden, die ihr gar nicht angehören. Zwar gilt der Bevollmächtigtenausschuss als Übergangslösung bis zur Neuwahl eines Presbyteriums im Frühjahr 2012, doch Superintendent Becker ließ keinen Zweifel daran, dass wichtige Entscheidungen nicht aufgeschoben werden dürften: „Ich sehe im Rücktritt des Presbyteriums kein Scheitern. Die Stadtkirche muss sich jedoch reduzieren.“ Ob und welche Gebäude letztlich aufgegeben werden müssen, vermochte Becker, der vor einer undankbaren Aufgabe steht, nicht zu prophezeien: „Das Thema ist hochemotional besetzt. Da wird auch keine Einigung zu erzielen sein.“