Hagen. Die Stadt Hagen hat ihr Budget für die Pflanzung neuer Straßenbäume auf Null zusammengestrichen. Doch nun gibt es eine alternative Finanzierungsmöglichkeit. In Zukunft sollen Baum-Neupflanzungen zu den gesetzlichen Kompensationsmaßnahmen gehören. Heißt: Bauherren zahlen Bäume.

25.000 Straßenbäume gibt es in Hagen. Vielleicht sind es auch 30.000, so genau weiß das keiner. Aber die großen und kleinen Bäume am Fahrbahnrand, auf Bürgersteigen, in Grünanlagen und Parks, auf Spielplätzen und Friedhöfen sowie im Umfeld öffentlicher Gebäude erfüllen eine wichtige Funktion: „Sie machen unsere Stadt lebenswert“, so Nils Böcker (28), Fachleiter für Verkehrssicherung in der Stadtverwaltung. „Aber manchmal lassen wir ihnen keinen Platz zum Leben.“

Wenn den Wurzeln zwischen Asphalt und Wohnbebauung keine Luft zum Atmen bleibt und die riesige Pflanze umzustürzen droht, muss ein Baum gefällt werden. Gut 100 Exem­plare trifft es pro Jahr. „Die Fällung ist aber nur der letzte Ausweg“, so Böcker, der so etwas wie der Herr über die Hagener Bäume ist und ihre Standsicherheit mit einem Team von sieben Baumpflegern und drei Baumkontrolleuren ständig überprüft.

"Dieser Baum hat keine Kraft mehr"

An einer 110 Jahre alten Linde in der Tannenstraße hat sich ein Loch im Stamm aufgetan, mühelos kann Böcker das spröde gewordene Holz mit einem eisernen Stab durchstoßen. „Massive Holzfäule“, stellt der Fachmann nüchtern fest. „Dieser Baum hat keine Kraft mehr, wir müssen ihm helfen.“ Eine Aufgabe für seinen Mitarbeiter Dirk Wollnik (44), der mittels einer Hubarbeitsbühne in luftiger Höhe die Krone der Linde zurückschneidet und die Dynamik des Baumes damit erheblich reduziert: „Jetzt müssen die Wurzeln nicht so viele Äste versorgen. So können wir die Linde noch Jahrzehnte am Leben erhalten.“

Doch Hagens Baumbewahrer haben ein Problem. Muss wirklich einmal einer ihrer Schützlinge gefällt werden, wurde bislang stets ein Nachfolger gepflanzt. Doch die finanziell angeschlagene Stadt Hagen hat ihr Budget für neue Bäume auf Null zusammengestrichen, und das Geld, das die Bezirksvertretungen regelmäßig für Neuanpflanzungen spenden, reicht nicht aus, um jeden abgesägten Baum zu ersetzen.

"Kompensationsmaßnahme im Rahmen der Eingriffsregelung"

Im Stadtplanungsamt ist man deshalb auf eine pfiffige Idee verfallen: die „Pflanzung von Stadtbäumen als Kompensationsmaßnahme im Rahmen der Eingriffsregelung nach Baugesetzbuch in der Bauleitplanung“. Hinter dieser in bestem Beamtendeutsch gehaltenen Formulierung verbirgt sich konkrete Umwelt-, man könnte auch sagen Baumpolitik.

Im deutschen Baurecht gibt es die so genannte Eingriffsregelung, die vorschreibt, dass jede Beeinträchtigung von Natur und Umwelt ausgeglichen werden muss. Beispiel: Ein Unternehmer, der eine Fabrik auf der grünen Wiese baut, muss an anderer Stelle Ersatz schaffen, etwa durch Anlegung eines Biotops, einer Obstwiese oder einer Hecke.

Neupflanzung innerstädtischer Einzelbäume

In die Liste dieser Kompensationsmaßnahmen wird nun die Neupflanzung innerstädtischer Einzelbäume und Baumgruppen aufgenommen. Damit schlägt das Planungsamt zwei Fliegen mit einer Klappe: „Wir können neue Bäume pflanzen“, so Jürgen Weiß vom Fachbereich Grünordnung. „Und das kostet uns keinen Cent.“

Denn Bäume, da sind sich die städtischen Experten wohl mit der Mehrheit der Bürger einig, machen Hagen lebenswert.