Haspe. .
Das Forstamt in Hagen hat keine andere Wahl: 200 Bäume sind krank, ihnen fehlt die Vitalität. Sie müssen gefällt werden. Schuld ist der Holzfeind Nr. 1, der Borkenkäfer.
Auch Bäume können sich erkälten. Sozusagen. „Die Fichten haben sozusagen einen Schnupfen“, sagt Michael Knaup, Förster der Stadt Hagen. „Und jetzt kommt noch eine schwere Erkältung hinzu. Da hat der Borkenkäfer leichtes Spiel.“
Den Schnupfen, von dem der Förster spricht, haben sich die Fichten vor dreieinhalb Jahren, als der Orkan Kyrill übers Land tobte, zugezogen. Seitdem ist der Wurzelstock vieler Stämme geschwächt. Für die schwere Erkältung sorgt die seit Tagen andauernde Dürre, die den Bäumen das Wasser entzieht und den Harzfluss im Holz zum Erliegen bringt. Holzfeind Nr. 1, der Borkenkäfer, der zur Eiablage lange Gänge in Holz und Rinde bohrt, nutzt diese Krise gnadenlos aus. Der Schädling hat sich bereits enorm vermehrt. „Ein Borkenkäfer-Paar hat pro Jahr rund 200 000 Nachkommen“, so Knaup. Das sind ungefähr so viele wie Hagen Einwohner hat.
Auch Bäume bekommen einen Sonnenbrand
Deshalb ist Eile geboten. Bevor die Borkenkäferpopulation auf gesunde Bestände überspringt, müssen befallene Bäume aus dem Wald entfernt werden. Am Südrandweg der Hasper Talsperre ließ das Forstamt deshalb an den vergangenen drei Tagen 200 Fichten fällen. Alle standen an einem von Kyrill heftig zerzausten Hang in der prallen Sonne. „Sie hatten keine Vitalität mehr“, erklärt Förster Knaup. „Bäume können ja nicht weggehen, wenn es ihnen zu heiß wird, und sich in den Schatten stellen.“
Tatsächlich spricht man auch bei Bäumen von einem Sonnenbrand, wenn die Rinde infolge intensiver Besonnung aufplatzt. Für die Waldbesitzer, private wie kommunale, kommt es darauf an, die Massenentwicklung des Borkenkäfers im Keim zu ersticken. Die Stämme werden zu Poltern geschichtet und so schnell wie möglich fortgebracht. Dafür sorgt Holzrücker André Puppe (24), ein Waldarbeiter wie aus dem Bilderbuch, der fast genauso stark aussieht wie sein 190-PS-Traktor. „Waldarbeit macht nicht reich, aber glücklich“, sagt er und legt die Klauen des Holzgreifers schnaufend um einen mächtigen Fichtenstamm: „Trotz der schweren Maschinen ist Holzrücken nach wie vor eine schwere und gefährliche Arbeit.“
Für die Plackerei an der Hasper Talsperre - die gesamte Gegend ist Wasserschutzgebiet - braucht er ein Zertifikat. „Ich arbeite hier ausschließlich mit biologisch abbaubaren Ölen. Mit denen kann man auch sein Essen braten.“
Das Holz geht an ein Sägewerk im Sauerland
Das Holz aus Haspe ist bereits verkauft und geht an ein Sägewerk im Sauerland. 80 Euro kassiert das Forstamt pro Festmeter Fichte, nach Abzug der Holzerntekosten bleibt der Stadt ein Reingewinn von gut 55 Euro. Macht immerhin knapp 20 000 Euro nach drei Tagen Schwerstarbeit im Wald.
Zurück bleibt ein gerodeter Hang, den Baumstümpfe, Kräuter, Buschwerk und Pionierpflanzen in unordentlicher Eintracht bevölkern. Doch im Zuge der ökologischen Waldbewirtschaftung wird das Forstamt hier bald nachhelfen. Im nächsten Jahr sollen Buchen und Eichen angepflanzt werden, um die einstige Fichten-Monokultur in einen gesunden Mischwald zu verwandeln; einen Wald, der Orkanen und Borkenkäfern trotzt und sich auch längeren Trockenperioden gegenüber unempfindlich zeigt. Auch an anderen Stellen wird mit Laubholz aufgeforstet, rund 100 000 Setzlinge sollen den Hagener Wald pro Jahr verjüngen. Denn dass sich die prognostizierte Erderwärmung in Westfalen bereits andeutet, steht für Knaup fest: „In den letzten Jahren hatten wir durchweg einzelne Monate mit extremer Hitze.“
Sind andere Baumarten für die warme Zukunft besser gerüstet?
Der Klimawandel erfordert auf jeden Fall eine differenzierte Standortbetrachtung. Da niemand weiß, ob die Temperaturen in 30 oder 40 Jahren nicht auch für die guten, alten Eichen und Buchen zu hoch sind, experimentiert das Forstamt auch mit anderen Arten wie Douglasien und Tannen. Möglicherweise sind diese Sorten für die warme Zukunft am besten gerüstet.
Doch auch die Fichte wird ihren Platz im Hagener Forst behalten. „Warum auch nicht - sie wächst schnell, wird gut bezahlt und ist einfach zu pflegen“, so Knaup. „Wir müssen auch den wirtschaftlichen Aspekt berücksichtigen.“
Eine profitable Baumart also, selbst wenn sie manchmal einen Schnupfen bekommt.