Hagen. Der städtische Fachbereich für Grünanlagen- und Straßenbetrieb nutzt die Wintermonate, um die nicht mehr standsicheren Bäume entlang der Hagener Straßen zu lichten oder zu fällen.

80 Jahre hat die alte Linde auf dem Buckel. Ihre Krone ist weit ausfächernd, knorrig die Rinde, der Stamm ragt hoch auf über den Häusern an der Christian-Rohlfs-Straße in Wehringhausen. Ein müder Zweig torkelt zu Boden, ansonsten scheint der Baum kerngesund zu sein.

Dann schiebt Franz-Josef Kreutzer den Efeu und das Heckenkraut am Fuß des Stamms beiseite. Schwarz verfärbt ist die Rinde hier, löchrig und spröde, man kann das verfaulte Holz förmlich riechen. „Der Brandkrustenpilz”, stellt Kreutzer fest. „Er ist trichterförmig ins Holz eingedrungen und hat schon die Haltewurzeln befallen. Die Linde muss weg, sonst stürzt sie demnächst auf das Nachbarhaus.”

"Es tut mir Leid um jeden Baum"

Franz-Josef Kreutzer (58) vom Fachbereich für Grünanlagen- und Straßenbetrieb ist so etwas wie der Herr über die Hagener Bäume. Er kennt sie nicht alle, aber doch die meisten der gut 25 000 Linden, Ahorne, Rotdorne, Kastanien, Platanen und weitere Arten, die sich auf städtischem Gebiet verteilen (nicht eingerechnet die Wälder, die das Forstamt betreut). Ohne Kreutzer wird keinem Baum ein Ast gekrümmt, geschweige denn einer gefällt. „Ich liebe Bäume”, sagt er. „Ich liebe ihren Schatten, ihre Ruhe, die Vögel im Gezweig, die Kulisse am Horizont. Und ihre ökologische Bedeutung. Es tut mir Leid um jeden Baum, den wir wegnehmen müssen.”

Zweimal im Jahr überprüfen Kreutzer und sechs ausgebildete Baumkontrolleure Stämme, Kronen und Äste ihrer holzigen Schützlinge. Dazu ist die Stadt aus Gründen der Verkehrssicherheit verpflichtet. Die städtischen Mitarbeiter verlassen sich auf die optische Einschätzung vom Boden aus. „Ein geschultes Auge erkennt, ob etwas nicht stimmt, es erkennt den kranken Baum”, berichtet Fachbereichsleiter Michael Haneke.

284 Bäume im vergangenen Jahr neu gepflanzt

In diesem Winter müssen 159 Bäume gefällt werden, das entspricht 0,6 Prozent des Bestandes. Andererseits wurden im vergangenen Jahr 284 Bäume neu gepflanzt. Das Grünflächenamt greift vor allem auf Linden und Ahorne zurück, weil diese Arten unempfindlich sind, Hitze und Feinstaub gut vertragen und eine hohe Filterfunktion aufweisen. Eichen sind dagegen nur bedingt stadtklimafest und werden ebenso wie Platanen, deren aggressive Wurzeln Gehsteigplatten mühelos nach oben drücken, nur an wenigen Standorten gepflanzt. Buchen sind als Straßenbäume gänzlich ungeeignet.

Bezahlt werden die Neuanpflanzungen aus Spendenmitteln, die vor allem von den Bezirksvertretungen kommen. Die finnaziell angeschlagene Stadt Hagen hat ihr Budget für neue Bäume vor drei Jahren, als die Baumschutzsatzung gekippt wurde, auf Null zusammengestrichen.

Wie gesagt, die Linde an der Christian-Rohlfs-Straße muss weg und ein Schwesterbaum weiter oben neben der Fahrbahn noch dazu. „Wir haben versucht sie zu heilen”, berichtet Kreutzer. „Aber es ist wie mit der Medizin: Der Arzt kriegt auch nicht jeden Patienten wieder hin.”