Hagen. Die Toiletten in der Kleingartenanlage “Im Alten Holz“ in Hagen sind illegal. Und deshalb soll den Kleingärtnern nun das Wasser gekappt werden. Die Wirtschaftsbetriebe kündigen strenge Kontrolle an und drohen den Hobbygärtnern, die die Auflagen nicht erfüllen, mit “strafrechtlichen Konsequenenzen“.
Dunkle Wolken ziehen über der Kleingartenanlage Im Alten Holz auf. Totenstille herrscht auf dem verwaisten Gelände, auf dem die Natur ihren Winterschlaf hält. Nur zwei Kleingärtner stehen vor dem Aushang und schauen verkniffen auf einen Brief. Absender ist der Wirtschaftsbetrieb der Stadt Hagen, in Person Dipl.-Ing. Winfried Heckroth.
„So ein Quatsch, das bisschen Pipi kann doch wohl nicht schaden. Unsere Toiletten sind doch nur für den Notfall gedacht. Wenn ich da an die Bauern denke, die tonnenweise Gülle aufs Feld fahren, da wird mir ganz anders“, schimpft Arno Freigang, der seit 21 Jahren einen Garten gepachtet hat. Sein Gartenkollege wird noch deutlicher: „Die sollen sich mal um wirklich wichtige Dinge kümmern und uns hier in Ruhe lassen. Jetzt sollen wir nicht nur die Toiletten ausbauen, sondern sogar den Wasseranschluss an unseren Häusern abklemmen. Da können wir ja nicht mal mehr die Kaffeetassen spülen“, grummelt der Gärtner und setzt hinzu: „Bei solchen Sachen sag’ ich immer: Erst mal abwarten, was kommt.“
Stadtbedienstete kommen zu Besuch
Was auf die Kleingärtner 2012 in insgesamt elf Hagener Anlagen zukommt, das ist detailliert in dem Schreiben aufgeführt. Denn von April bis September bekommen die 750 Gartenpächter jeweils samstags Besuch von den Stadtbediensteten, die gemeinsam mit dem Bezirksverbandsvorsitzenden Hans-Günther Cremer und dem jeweiligen Vereinsvorstand einen prüfenden Blick in jedes Gartenhäuschen werfen werden. Und dabei, so wird bereits jetzt eine penible Kontrolle für den 2. Juni in der Anlage Im alten Holz angedroht, sei das Zustellen von nicht entfernten Toiletten oder Wasserstellen mit Kisten oder anderem Unrat zwecklos.
„Ob da alle da sind...“, zweifelt Arno Freigang an der Effektivität der Aktion. Und Hans-Günther Cremer hat eine ganz andere Befürchtung. „Ich hab’ jetzt schon Angst, wenn ich an das Frühjahr denke und den Protest, der uns begegnen wird.“ Denn welcher Kleingärtner sei schon bereit, auf die lieb gewonnenen aber verbotenen und bislang nur geduldeten Annehmlichkeiten zu verzichten. „Aber jetzt muss Schluss sein mit den Fäkalien in den Sickergruben unter jedem Gartenhaus. Da kann ich die Stadt und auch den bissigen Brief von Heckroth nur unterstützen.“
Ingenieur droht mit strafrechtlichen Konsequenzen
Denn der Ingenieur der städtischen Wirtschaftsbetriebe setzt nicht nur Termine, sondern droht renitenten Kleingärtnern und ihren Vereinen auch strafrechtliche Konsequenzen an, wenn die Auflagen nicht erfüllt werden.
Winfried Heckroth: „Uns bleibt doch gar nichts anderes übrig. Natürlich kann ich verstehen, dass das vielen Gartenbesitzern nicht passt. Aber alle wissen doch bereits seit 1990, dass sie quasi illegal ihre Toilette im Garten nutzen. Jetzt haben wir in vielen Anlagen, auch mit tatkräftiger Unterstützung der Kleingärtner und mit Landeszuschüssen, Gemeinschaftstoiletten und Entsorgungsanlagen für Campingtoiletten gebaut, die an das Kanalnetz angeschlossen sind. Daraus folgt nun ganz konsequent, dass die undichten Sickergruben endgültig nicht mehr benutzt werden dürfen. Das gilt für Toiletten ebenso wie für verschmutztes Wasser. Daher müssen auch die Wasseranschlüsse gekappt werden“, so der Ingenieur, der Kleingärtnern prophezeit: „Wenn wir die Bestimmungen nicht umsetzen, dann müssen wir die Fördergelder zurückzahlen.“
"Das ist ja dann wie im Mittelalter"
„Das ist ja dann wie im Mittelalter. Jetzt sollen wir uns wieder draußen am Wasserhahn waschen und das Kaffeewasser in Eimern ins Haus tragen“, schimpft ein Kleingärtner aus einer anderen Hagener Anlage über die Einschnitte im ansonsten so beschaulichen Leben auf der Parzelle. Winfried Heckroth kann diese Betrachtungsweise allerdings nicht teilen. „Wir prüfen heute jeden Kanalanschluss auf Undichtigkeit. Da kann es doch nicht angehen, dass in über 2000 Gartenhäusern die Fäkalien aus undichten Sickergruben weiterhin ins Erdreich gelangen. Das ist Mittelalter. Mit den neu errichteten Toiletten und Entsorgungsanlagen sind wir endlich in der Neuzeit angelangt. Und die werden wir auch durchsetzen.“