Hohenlimburg. Auf Spurensuche in einem alten Sprengstoffbunker in Hohenlimburg. Könnten solche Anlagen im Kriegsfall reaktiviert werden?
Wo finden wir Schutz, falls in diesem Land wieder Krieg herrscht? Eine Frage, die sich niemand stellen will, die mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine aber plötzlich wieder aufkommt. Jüngst forderte der Städte- und Gemeindebund, ehemalige Bunker zum Zivilschutz wieder zu ertüchtigen. Auf Hagen geblickt, gibt es ganz andere Probleme mit den alten Anlagen - und in Hohenlimburg ist die Lage historisch bedingt besonders. Besuch in zwei fast vergessenen Bunkeranlagen
Bunker-Community
Horst Klötzer wundert sich nicht mehr, wenn er die aufgebrochene und verzogenen Gitterstäbe vor dem ehemaligen Bunker an der Hünenpforte sieht. „Das Schloss wird immer wieder aufgeflext“, weiß der Hobby-Archäologe aus Iserlohn, der seit vielen Jahren in der hiesigen Unterwelt unterwegs ist und mehr als hundert Bunker im Stadtgebiet gefunden hat. „Heute mag man nicht mehr sagen, wo man was gefunden hat“, sagt der Pensionär. Fundstellen ziehen häufig Besucher nach sich. Zahlreiche Fotos aus den 2010er-Jahren von Hohenlimburger Luftschutzstollen finden sich in Internet-Foren, hochgeladen von Bunker-Fans, die ihre Touren auf eigene Faust mit der Community teilten. „Tolle Bilder!“, schrieb einer. „Scheint ja einen Besuch wert zu sein“, kommentierte ein anderer.
Standorte nicht öffentlich
Unkontrollierter Bunker-Tourismus, der auch deshalb möglich ist, weil die Anlagen sich selbst überlassen werden und nur den Fledermäusen als Quartier dienen, wie ehemalige Schutzstollen in der Nahmer. Menschen hinterlassen dort eher Müll und Graffiti. Entsprechend zurückhaltend gibt sich die Stadt, wenn nach Bunkern gefragt wird: „Aufgrund von Vandalismus und Eigengefährdung geben wir die Standorte ehemaliger Bunkeranlagen nicht öffentlich bekannt“, heißt es auf Anfrage. Längst sind viele in der Szene bekannte Stollen zugemauert und schwerer zu erreichen. Eine prominente Ausnahme bildet besagter Bunker an der Hünenpforte.
Vandalismus an Bunkern
Als die Bäume an der Bundesstraße 7 vor zwei Jahren gefällt wurden, gaben sie den Blick frei auf den Beton-Vorbau dieses ehemaligen Sprengstoffbunkers, der während des Zweiten Weltkriegs in den Massenkalk am Weißenstein geschlagen wurde. Immer wieder wurde das Stahlgitter aufgebrochen, das Unbefugte vom Zutritt abhalten soll. Anfangs habe er die Aufbrüche noch gemeldet, sagt Horst Klötzer. Doch längst hat er resigniert. „Es wird sehr viel eingebrochen.“
Drinnen wartet am Ende eines dreißig Meter langen klüftigen Felstunnels ein mannshoher Panzerschrank. Der einzige Fixpunkt in dieser sonst wenig spektakulären Umgebung. Ein Relikt aus alten Tagen, von Rost befallen und mit Graffiti beschmiert. Im Zweiten Weltkrieg lagerten dort Zünder für Sprengstoff. „Damals durften Zünder und Sprengstoff noch in einem Raum liegen, das ist heute anders“, erläutert Klötzer. „Auch wegen dieses Schranks wird so häufig in diese Stollen eingebrochen.“
Hochbunker nur in Hagen
Mehrere Stollen ähnlicher Art finden sich an Berghängen um Hohenlimburg, Oege und Nahmer. Felsige Tunnel, die Wände teils verputzt, in denen Hohenlimburger im Zweiten Weltkrieg Schutz gesucht haben, als die Sirenen heulten. Große Hochbunker wie in Hagen gab es in der kleinen Stadt Hohenlimburg damals nicht. Als im Oktober 1940 das Führer-Luftschutz-Sofortprogramm zur Errichtung von „bombensicheren“ Bunkern aufgelegt wurde, war Hohenlimburg nicht dabei. Das sollte sich erst fünf Jahre nach Kriegsbeginn ändern.
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„Im Sommer 1944 wurde das Luftschutz-Führerprogramm erweitert und auch Städte wie Hohenlimburg, Schwelm, Schwerte, Soest oder Iserlohn aufgenommen“, berichtet Stadthistoriker Ralf Blank. „Daraufhin begannen auch in Hohenlimburg umfangreiche, nun auch vom Reichsfiskus getragene Bauarbeiten von privater Seite und durch Industriebetriebe. Die Anlage von Stollen an den Berghängen an der Hünenpforte, am Weißenstein oder in Oege und im Nahmertal sollten zumindest einen Teil der Bevölkerung einen Schutz bieten.“
Keine sicheren Orte
Schwer vorstellbar, dass in diesen Stollen noch Menschen Schutz suchen könnten, wenn es - Gott bewahre - wieder zu einem Krieg in diesem Land käme. Überlegungen, die Bunker zu erneuern, gibt es nicht. „Alle uns bekannten Bunkeranlagen befinden sich in Zuständen, die eine Ertüchtigung ausschließen oder diese nur mit hohem finanziellen Aufwand möglich wäre“, so Stadtsprecher Michael Kaub. „Diese Ertüchtigung wäre zudem Aufgabe des Bundes.“
Aufgabe des Bundes
Tatsächlich liegen Bau, Bereitstellung und Unterhaltung von Schutzräumen laut Grundgesetz in der Zuständigkeit des Bundes. Im Jahr 2007 entschied der Bund, die noch vorhandenen Schutzräume abzuwickeln. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) in Bonn prüft und bewertet die noch vorhandenen Schutzräume. Nur 48 öffentliche Schutzräume gibt es aktuell noch in Nordrhein-Westfalen, so die BImA auf Anfrage. „Die Anlagen sind weder funktions- noch einsatzbereit.“
Vor dem Hintergrund des Ukrainekrieges gerät der Zivilschutz aber wieder mehr in den Fokus. „Derzeit entwickelt eine Facharbeitsgruppe Vorschläge zu baulichen Schutzmöglichkeiten für die Bevölkerung“, so die BImA.