Holthausen. Das Aufräumen nach Baumfällungen an der B 7 in Hagen hat den Blick auf einen alten Luftschutzstollen aus dem zweiten Weltkrieg freigelegt

Am Fuße der wuchtigen Felswand wirkt der Betonvorsprung klein und unscheinbar. Doch vor 78 Jahren befand sich an dieser Stelle ein Ort, der Schutz versprach, wenn die Fliegersirenen heulten. Der Eingang kam jüngst zum Vorschein, nachdem die Bäume am Straßenrand der Bundesstraße 7 zwischen Hünenpforte und Donnerkuhle gefällt wurden. Die Aufräumarbeiten haben den Blick auf ein Konstrukt freigelegt, das während des Zweiten Weltkrieges als Luftschutzstollen genutzt wurde.

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Luftschutzstollen aus Kriegszeiten

Auch, wenn sich an dem Beton selbst keine Hinweise mehr auf seinen Nutzen finden, ist Hagens Chefhistoriker Ralf Blank sicher: „Das ist zweifelsohne ein Luftschutzstollen, wie sie seit 1943 im Luftschutz-Notprogramm hochgezogen wurden.“ Denn nicht wenige dieser Stollen wurden in Kriegstagen entlang der Bundesstraße 7 im Bereich der Hünenpforte in den Fels geschlagen. Der Hagener Historiker hat zu den Luftangriffen und den Folgen für Hagen und Hohenlimburg mehrfach publiziert.

Ein Foto eines 1969 an der B7 bei der Hünenpforte in Hohenlimburg entdeckten Stollens. Hinter dem betonierten Splitterschutz befindet sich bei diesem Stollen eine im Herbst 1944 künstlich erweiterte Höhle.
Ein Foto eines 1969 an der B7 bei der Hünenpforte in Hohenlimburg entdeckten Stollens. Hinter dem betonierten Splitterschutz befindet sich bei diesem Stollen eine im Herbst 1944 künstlich erweiterte Höhle. © Stadtarchiv Hagen

Luftschutz ab 1944 verstärkt

Rückblick: Die damals eigenständige Kleinstadt Hohenlimburg war im Zweiten Weltkrieg kein Luftschutzort erster Ordnung, sondern stand nur auf zweiter Position. Deshalb war sie 1940 nicht am „Führer-Sofortprogramm“ zum Bau von „bombensicheren“ Hochbunkern beteiligt. Zwar blieb Hohenlimburg von schweren Luftangriffen weitestgehend verschont. Zwischen 1943 und 1944 erreichte jedoch das Bombardement auf die nicht weit entfernten Metropolen im Ruhrgebiet seinen Höhepunkt und führte dazu, dass auch die Stadtverwaltung in Hohenlimburg ihr Bemühen um den Luftschutz verstärkte.

Bevölkerungszahl vor Kriegsende verdoppelt

Der Bedarf war groß: Ein Jahr vor Kriegsende gab es hier nur wenige veraltete Luftschutzbunker. Zugleich zog es in den letzten Monaten des Krieges immer mehr Menschen aus der Ruhr-Region in das von Zerstörung weitestgehend verschont gebliebene Hohenlimburg. „Zwischen Herbst 1944 und April 1945 hat sich die Bevölkerungszahl in Hohenlimburg verdoppelt“, berichtet Ralf Blank. Dazu zählten neben Kriegsflüchtlingen aus den bombardierten Gebieten auch hochrangige Nationalsozialisten. So tagte etwa im Bentheimer Hof der Ruhrstab, der Reparatur und Produktion der kriegswichtigen Betriebe an der Ruhr koordinierte. Dem Ruhrstab gehörten unter anderem Vertreter des Rüstungsministeriums und der Wehrmacht an.

Der Eingang zum ehemaliger Luftschutzstollen an der Bundesstraße 7 nahe der Hünenpforte in Hohenlimburg. Ein Zugang ist nicht mehr möglich.
Der Eingang zum ehemaliger Luftschutzstollen an der Bundesstraße 7 nahe der Hünenpforte in Hohenlimburg. Ein Zugang ist nicht mehr möglich. © WP Hagen | Marcel Krombusch

Um den Luftschutz in Hohenlimburg zu verbessern, initiierte die Stadtverwaltung im November 1944 ein Bauprogramm, um Stollen, Bunker und Deckungsgräben zu errichten. „Hohenlimburg war da besonders eifrig“, sagt Blank. „Dieses Bauprogramm wurde noch bis zum Einmarsch der US-Truppen im April 1945 fortgesetzt.“

Bauprogramm initiiert

Mit staatlicher Hilfe sollten Firmen und Privatleute animiert werden, selbst Bunker zu bauen. Die NS-Führung verkaufte es als Projekt der „Volksgemeinschaft“, historisch eingeordnet war es für Blank eine Kapitulation des NS-Staates, der mit dem nötigen Aufbau von Luftschutzanlagen für die Bevölkerung schlicht überfordert war.

Ein Blick durch das Absperrgitter zeigt den Eingang zum ehemaligen Luftschutzstollen an der Bundesstraße 7.
Ein Blick durch das Absperrgitter zeigt den Eingang zum ehemaligen Luftschutzstollen an der Bundesstraße 7. © WP Hagen | Marcel Krombusch

Firmen bauen Stollen aus

Die am Bauprogramm beteiligten Firmen und Behörden setzten neben ausländischen Arbeitskräften und Kriegsgefangenen auch Bergleute ein, um die Stollen in den Fels zu schlagen, der die Kleinstadt umgibt. Wer dabei den Stollen an der Hünenpforte anlegte, der nun wieder zum Vorschein kam, ist unklar. Blank vermutet, der Stollen könnte mit dem Luftschutz der Stoffdruckerei Göcke & Sohn zusammenhängen, die kaum 500 Meter entfernt lag.

Rüstungsindustrie vor Ort

Wo heute ein roter Backsteinbau unter anderem Fitnessstudio, Escape-Room und Ski-Verkauf beherbergt, arbeiteten damals rund 1000 Mitarbeiter in der Tuchwarenfabrik. Darunter waren auch Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene. Sie stellten in den Kriegsjahren bis 1943 unter anderem Fallschirme und Tarnstoffe für das Militär her, später auch Heck- und Rumpfteile für die Flugbombe Fiesler 103, die spätere „V 1“, die als erster Marschflugkörper der Welt gilt.

Viele Stollen im Stadtgebiet

Die Luftschutzstollen wurden nach dem Krieg gesprengt, verschlossen und verschwanden aus dem Alltag einer Bundesrepublik in Friedenszeiten. Für Blank ist das nun freigelegte Relikt interessant, aber nicht außergewöhnlich. Schließlich finden sich noch viele dieser Stollen im Stadtgebiet.