Hagen. Schrottimmobilien belasten in Hagen die Menschen. Auf unterschiedliche Art will die Stadt gegen die Besitzer der verwahrlosten Häuser vorgehen
Es gibt diese Paradebeispiele. Einst völlig heruntergekommene Häuser, vorzugsweise in Wehringhausen, deren Fassaden jetzt strahlen und die für ganz normale Familien oder wie an der Eugen-Richter-Straße in Hagen für Studenten zu einem wohnlichen Zuhause geworden sind. Das hat gleich zwei Effekte: für die Menschen, die in den frisch sanierten Immobilien in Hagen wohnen. Und für Straßenzüge und Quartiere, die aufgewertet werden.
Die Stadttochter Hagener Erschließungs- und Entwicklungsgesellschaft (HEG) hat bei diesen Paradebeispielen die Finger im Spiel. Zum Beispiel auch an der Wehringhauser Straße und am aufgewerteten Bodelschwinghplatz, wo das Engagement von Prokurist Patrick Bänsch und seinen Kollegen sogar so weit geht, dass für die einst völlig heruntergekommenen Häuserblocks jetzt die nötige Energie ökologisch aus dem Abwassernetz gewonnen werden soll.
HEG bietet bei Zwangsversteigerungen mit
„In einem ersten Schritt geht es uns immer darum, uns die Gebäude zu sichern“, sagt Bänsch. Dazu wälze man auch die Gerichtsspiegel, setze sich bei Zwangsversteigerungen in den Saal und biete mit. „Im zweiten Step gucken wir dann, was am Ende aus der Immobilie wird.“
Von Abriss bis Sanierung reichen die Optionen. Die Häuser seien in einem völlig unterschiedlichen Zustand, manche stünden leer, andere seien gar voll vermietet. „Es geht auch nicht immer darum, dass rein wirtschaftlich betrachtet zumindest eine schwarze Null herauskommt“, sagt Bänsch. „Wenn ein Quartier aufgewertet wird, hat das ja auch einen Wert.“
HEG hat 40 Schrottimmobilienen erworben
40 Immobilien hat die HEG mittlerweile erworben, davon wiederum rund zwei Drittel saniert. Dieser Strang ist zumindest einer von mehreren, den die Stadt verfolgt. „Allerdings beschränken wir uns da bislang vor allem auf Wehringhausen“, macht Baudezernent Henning Keune deutlich. Hier, im ehemaligen Fördergebiet Soziale Stadt, sind zuletzt immerhin öffentliche Gelder für Fassadensanierung und Öffnung der Höfe geflossen.
Auch interessant
„Die Problemimmobilien aber finden sich auch in Altenhagen, in Haspe, im Bahnhofsquartier und an der Frankfurter Straße“, macht Keune deutlich, dass sich der Fokus künftig verschieben soll. „Auch da wollen wir nicht tatenlos zusehen.“
Verfügungsfonds kann Hagen helfen
Dabei soll sich nach seinen Vorstellungen die HEG hin zu einer Stadttochter entwickeln, die Entwicklungsziele umsetzt. Ein sogenannter Verfügungsfonds, den das Land NRW künftig bereitstellen will, könnte da helfen. „Mit Geldern aus diesem Fonds könnte es uns gelingen, weitere Problem-Immobilien zunächst einmal vom Markt zu nehmen“, sagt Keune. „Im Anschluss können wir gucken, ob wir sie selbst entwickeln oder ob sich ein vertrauensvoller Partner findet, der daran Interesse hat.“
Würden die Häuser weiter vermarktet, müssten Gelder an den Fonds zurückgezahlt werden. „Aber das wäre in einem solchen Fall ja nicht weiter tragisch“, sagt Keune. Der Vorteil: Auch Immobilien, die zu höheren Preisen auf dem Markt sind, könnten gesichert werden. Die HEG sei momentan vor allem im absoluten Niedrigpreissektor unterwegs.
Druck auf Besitzer nimmt stetig zu
Offen sei noch, ob Mittel aus dem Fonds für das gesamte Stadtgebiet zur Verfügung stünden, oder ob man eher kleinteilig Förderungen beantragen könne. „Wir haben jedenfalls ganz aktuell beim Land unser Interesse bekundet“, erklärt Keune. Darüber hinaus könnten im Bahnhofsviertel auch Mittel für Städtebauförderung für Erwerb und Abriss verwendet werden.
Daneben erhöht die Stadt über die Wohnungsaufsicht den Druck auf die Besitzer heruntergekommener Häuser. „30 Immobilien haben wir für unbewohnbar erklärt“, sagt Anja Hegel-Söhnchen vom Fachbereich Immobilien, Bauverwaltung und Wohnen. Was immer dann funktioniert, wenn Gefahr für Leib oder gar Leben besteht.
Maßnahmen erfolgreich
Hinzu kommt der Kontrolldruck, den die Stadt mit mehreren Abteilungen zum Teil gemeinsam mit der Polizei ausübt. „Alles in allem können wir schon sagen, dass unsere Maßnahmen im Bereich Wehringhausen Erfolge erzielen. Das merken wir bei unseren Kontrollen“, sagt Hegel-Söhnchen.
Gleichwohl wissen die Experten der Stadt, dass auch in Hagen Modelle funktionieren, bei denen skrupellose Investoren Schrott-Häuser ersteigern, lediglich die geforderte Sicherheitsleistung in Höhe von zehn Prozent hinterlegen, nie beabsichtigen, den vollen Kaufpreis zu zahlen, aber teils über Monate oder sogar Jahre hinweg (bis die nächste Versteigerung ansteht) Mieten kassieren.
Überzogene Mieten
„Teilweise werden überhöhte Quadratmeter-Mieten in den sogenannten Schrottimmobilien verlangt, die häufig sogar vom Jobcenter getragen werden, da sich die übernommene Miethöhe nach der Haushaltsgröße richtet. Durch Überbelegung der Wohnungen wird so von den Vermietern die hilflose Lage von Zuwanderern ausgenutzt“, sagt Anja Hegel-Söhnchen. Tatsächliche Größe der Wohnung oder die Qualität spielen keine Rolle.
Auch ein sich anbahnendes Gesetz, das dem Versteigerungswahn von Schrottimmobilien Einhalt gebieten soll, spielt der Stadt in die Karten. „Wir kennen den Entwurf und begrüßen die Initiative“, sagt Andreas Beilein vom Fachbereich Stadtentwicklung, -planung und Bauordnung.
Neues Gesetz in der Mache
Demnach sind bei Zwangsversteigerungen durch die Kommune Anträge auf gerichtliche Verwaltung möglich. Damit werden die Einnahmen so lange vom Gericht verwaltet, bis der volle Kaufpreis bezahlt ist. Erst dann kann der neue Erwerber Mieten und Kautionen einziehen.
Trotz positiver Signale spricht Henning Keune von „einem langen und steinigen Weg“. Und sagt weiter: „Wenn wir Quartiere qualitativ stabilisieren wollen, brauchen wir - wie wenige andere Städte, die in ähnlichen Ausmaß betroffen sind - die Unterstützung des Landes. Es ist ja kein Zufall, dass so viele Menschen aus Südosteuropa nach Hagen kommen. Auf Dauer müssen wir die Bestände von Problemimmobilien reduzieren.“