Wehringhausen. Moderner Wohnraum soll rund um den Bodelschwinghplatz entstehen, die Mieten sollen steigen: Wie die HEG die soziale Abwärtsspirale stoppen will:
Wehringhausen ist – und das ist ganz unvoreingenommen – ein Quartier der Extreme. Zwei Welten treffen aufeinander, wenn man einmal durch das obere Wehringhausen spaziert und sich dann Richtung Bodelschwinghplatz und Bohne bewegt. Es lässt sich, mit jeder Straße weiter nach unten, der soziale Abstieg beobachten. Oben sind die Straßen gepflegt, die Mietpreise hoch, die Bausubstanz gut erhalten, viele Einfamilienhäuser oder gar Villen stehen hier. Umso weiter man sich die Straßen hinabbewegt, desto mehr wird das Straßenbild von Müll und Dreck dominiert. Und von Häusern, die von außen nicht unbedingt einladend wirken. Hinter den Fassaden aber verstecken sich echte Schätze.
„Hier schlummert ein unfassbares Potenzial. Man kann hier richtig was rausholen“, ist Patrick Bänsch, Prokurist bei der Hagener Erschließungs- und Entwicklungsgesellschaft (HEG), überzeugt. Gleichwohl weiß er um die sozialen und strukturellen Probleme im Stadtteil, der bei vielen Hagenern einen schlechten Ruf genießt. Günstige Mieten, Problemimmobilien, Müll, Vandalismus, teils unhaltbare Zustände in den Häusern: „Mit unseren Leuchtturmprojekten wollen wir die soziale Abwärtsspirale abfangen und einen Imagewandel anstoßen“, sagt Patrick Bänsch.
Das hört sich zunächst an, als wäre das einfach so dahergesagt. Alles sehr theoretisch. So ist das aber nicht: Seit Jahren kauft die HEG Immobilien in Wehringhausen. Mittlerweile sind es um die 30, rund 15 allein im Bereich rund um den Bodelschwinghplatz im unteren Wehringhausen und damit dem problembelastetsten Bereich im Quartier.
Attraktiven Wohnraum schaffen
Zwei Häuser, genau gegenüber der „Bohne“, sind aktuell eingerüstet und werden saniert. Auch die links und rechts nebenstehenden Häuser gehören mittlerweile der HEG – sowie weitere entlang der Wehringhauser Straße. „Uns war es wichtig, das Entree zur Bohne aufzuwerten. Wir sind froh, dass wir die fünf Häuser am Straßenzug gegenüber des Freizeitareals erwerben konnten“, so Bänsch. In einigen Immobilien ist schon viel passiert, in anderen laufen die Arbeiten, in wiederum anderen haben sie noch gar nicht begonnen.
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„Das Ziel ist es, attraktiven und modernen Wohnraum hier anzubieten. Und dann nicht für 2,50 Euro pro Quadratmeter, wie es teilweise bis jetzt der Fall war. Sondern eher für 5 oder 6 Euro, womit wir uns immer noch im unteren Bereich des Mietspiegels bewegen würden“, so Bänsch.
Einige Wohnungen in den Häusern der HEG seien vermietet. Andere wiederum nicht. Auch in den bewohnten Einheiten würden Renovierungsmaßnahmen stattfinden. Zudem befinden sich einige Gewerbeeinheiten hier, die auch weiterhin als solche vermietet werden sollen. Je nach Haus ist der „Renovierungsstau“, wie Bänsch es vorsichtig umschreibt, unterschiedlich groß. Also einfach gesagt: in manchen Häusern geht es, in anderen muss alles neu gemacht werden: Kernsanierung.
Neue Grün- und Spielflächen
Hinter der Häuserreihe (37, 39, 41, 43 und 43a) befindet sich ein großflächiger Hinterhof. Bänsch zeigt Visionen auf, die nicht nur an dieser, sondern auch an anderen Stellen umgesetzt werden sollen: „Ein Teil der hintenliegenden Bebauung könnte zurückgebaut werden. Somit entsteht Platz für neue Grün- und Spielflächen oder Urban-Gardening-Konzepte. Natürlich müssen aber auch Parkflächen vorgehalten werden“, gibt Bänsch Einblicke, der mit dem Team der HEG erst unlängst selbst das neue Büro an der Wehringhauser Straße bezogen hat, das die HEG saniert hat.
„Wir setzen auch auf neue Photovoltaik-Konzepte“, gibt Bänsch Einblicke. In zwei Hinterhöfen sind auf den Dächern der dortigen Immobilien schon entsprechende Anlagen installiert worden. „Außerdem gibt es erste Ideen, ein Nahwärmenetz hier für einige Wohneinheiten aufzubauen und Wärme aus dem Abwasserkanal zu generieren. Da sind wir aber noch ganz am Anfang.“
Der Blick auf eine Baustelle zeigt, was sich hinter den trist-wirkenden Fassaden verbergen kann: Helle, geräumige Wohnungen mit hohen Decken – und mit besonderen Stuck-Elementen, die bei den Arbeiten freigelegt wurden. Ein alter, historisch wirkender Ofen, massive Holz-Zwischentüren – „sowas ist wirklich was Besonderes. Böden, wie sie hier teilweise in den Fluren verlegt sind, könnte man heute gar nicht mehr bezahlen“, sagt Patrick Bänsch.
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Aus den oberen Etagen eröffnet sich der Blick auf historische Häuser-Fassaden, auf den kürzlich neugestalteten Bodelschwinghplatz, der von weiter weg sogar einladend und heute einigermaßen aufgeräumt wirkt und auf Teile der Grünanlage der Bohne.
Neue Menschen ins Quartier ziehen
Bei all den Bauprojekten, die hier parallel laufen, scheint es schwierig, den Überblick zu bewahren. Zumindest für Außenstehende. „Aber wir kommen gut voran“, gibt Bänsch Einblicke. Wann die Arbeiten abgeschlossen sind, ist für jedes Projekt unterschiedlich. „Und auch von der Situation abhängig“, spielt Bänsch auf Materialengpässe, gestiegene Preise und Handwerkermangel an. Die Sanierungsarbeiten bieten auch die Chance, die Flächen an vielen Stellen zu entsiegeln und neue Grünschneisen zu schaffen. „In Wehringhausen hat sich in den letzten Jahren unfassbar viel getan – und daran möchten wir anknüpfen“, blickt Bänsch auf das Quartier. Man erhofft sich dadurch auch, neue Menschen ins Quartier zu locken und eine Durchmischung sozialer Schichten hinzubekommen – und somit gleichermaßen auch die Lebensqualität, der Familien, die hier wohnen zu verändern.
Ob dieser Imagewandel gelingt – das kann letztlich aber nur die Zeit zeigen. Aber, im Gegensatz zu vielen anderen, gibt es auch viele Menschen, die dieses Quartier nicht einfach aufgeben, sondern echte Veränderung anstoßen wollen.