Hagen. Beim 2023er-Vergleich der 71 deutschen Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern stellen die Forscher Hagen ein ernüchterndes Zeugnis aus.

Dieses Ergebnis kann angesichts der Erfahrungen aus den Vorjahren leider kaum überraschen: Wenn es um bundesweite Vergleiche und Rankings rund um den Wirtschaftsstandort Hagen geht, lohnt es sich meist, die Tabelle von unten zu studieren, um die Volmestadt flott zu entdecken.

So auch beim jüngsten Städteranking 2023 unter 71 kreisfreien Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern, das IW Consult gemeinsam mit ImmoScout24 und der Wirtschaftswoche zusammengestellt hat. Dafür wurden anhand von Datensätzen 87 verschiedene Indikatoren aus den Bereichen Arbeitsmarkt, Wirtschaftsstruktur, Lebensqualität, Immobilienmarkt sowie die Nachhaltigkeit berücksichtigt. „Das Ergebnis ist für uns doppelt tragisch“, versucht Christopher Schmitt, Geschäftsführer der Hagener Wirtschaftsförderung, die Zahlen gar nicht erst schönzureden, „denn diese unter dem Strich schlechte Gesamtplatzierung prägt zugleich das Image der Stadt mit“.

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Das Ergebnis ist für uns doppelt tragisch, denn diese unter dem Strich schlechte Gesamtplatzierung prägt zugleich das Image der Stadt mit.
Christopher Schmitt

Die Untersuchung basiert auf drei Indizes: dem Niveauranking, das den Status Quo anhand von 51 Indikatoren bewertet, dem Dynamikranking, das die Entwicklung von 36 Indikatoren in den letzten fünf Jahren vergleicht, und dem Nachhaltigkeitsindex, der die ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit anhand von 22 weiteren Indikatoren ermittelt.

Während Hagen beim Thema Nachhaltigkeit sich mit Platz 57 (Vorjahr: 64) immerhin in den oberen Bereich des letzten Tabellenviertels verbessern konnte, reicht es in puncto Niveau gerade noch zu Platz 66 (Vorjahr: 66) und im Dynamikranking zu Platz 71 (Vorjahr: 68) – also die Rote Laterne. Damit zählt Hagen in der Gesamtbetrachtung wieder einmal zu den absoluten Schlusslichtern unter den deutschen Großstädten.

Wohnungssituation problematisch

Die alle Jahre wiederkehrende Analyse stammt aus dem Haus von IW Consult. Dabei handelt es sich um einen Dienstleister für Auftragsforschung und Beratung, der unter dem Dach des Instituts der deutschen Wirtschaft (Köln) agiert und an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis vorzugsweise innovative Lösungen für seine Kunden aus Verbänden, Ministerien, Stiftungen und Unternehmen erarbeitet.

Das sogenannte Niveauranking vergleicht die Ist-Werte ausgewählter Kennziffern, also zum Beispiel die Arbeitsplatzversorgung oder das Pro-Kopf-Wachstum. Weitere Faktoren sind Mietpreise, Attraktivität des Wohnungsmarktes, Kita-, Ingenieurs- und Pendler-Quoten oder auch die Höhe der Steuereinnahmen. Werte im vorderen Drittel erreicht Hagen lediglich bei der Quote der Schulabgänger ohne Abschluss (Rang 23) und Pendlern (Rang 22); alarmierend ist hingegen die Situation bei den Mietpreisen (Rang 69) und dem Wohnungsneubau (Rang 71).

Hagen hat einen Mangel an qualitätvollen Wohnangeboten, was auch die Mietpreise nach unten zieht.
Hagen hat einen Mangel an qualitätvollen Wohnangeboten, was auch die Mietpreise nach unten zieht. © Hagen | Michael Kleinrensing

Beim Dynamikranking wiederum geht es allein um die Veränderungsraten in den fünf zurückliegenden Jahren – etwa wie sich Bauaktivitäten oder Ärztedichte entwickelt haben. So lässt sich zeigen, welche Standorte sich – unabhängig von ihrer Ausgangslage – um Verbesserungen bemühen oder letztlich auf der Stelle treten. Hier kann Hagen lediglich bei der Jugendarbeitslosenquote (Rang 22) punkten, alarmierend sind hingegen die private Überschuldung (Rang 70) und die Straftatenquote (Rang 69).

Zusätzlich gibt es ein gesondertes Nachhaltigkeitsranking. Dieses lehnt sich an den Nachhaltigkeitsbegriff der UN an. Eingeflossen sind hier weitere 22 Indikatoren. Zum Beispiel: Haltestellendichte im ÖPNV, Fahrradtauglichkeit, Zahl der E-Ladestellen, installierte Solar- und Windenergieleistung, Art der Heizenergie, Glasfaserversorgung, Jobs in Nachhaltigkeitsberufen oder auch der Ausbau der digitalen Infrastruktur. Punkten kann Hagen hier bei der Dichte der ÖPNV-Haltestellen (Rang 2) oder der Art der verwendeten Heizenergie (Rang 7). Abgehängt ist die Stadt bei den Themenfeldern Ingenieursdichte (Rang 70) und ADFC-Fahrradklima-Test (Rang 70).

Langfristige Verbesserungen

„Bei dem Gesamtranking fällt, genauso wie bei manch anderer Ruhrgebietsstadt, insbesondere die problematische Sozialstruktur mit großem Gewicht in die Waage“, ordnet Wirtschaftsförderer Schmitt die Zahlen ein. „Weil gerade in diesem Bereich nur durch langfristige Arbeit Verbesserungen erzielt werden können und beispielsweise mit der weiterhin hohen Armutsmigration weitere Belastungen zu verkraften sind, überrascht auch das schlechte Abschneiden im Dynamikranking nicht.“

Beim aktuellen Blick auf die deutschen Wirtschaftsstandorte schneidet Hagen wieder einmal nicht besonders erfolgreich ab.
Beim aktuellen Blick auf die deutschen Wirtschaftsstandorte schneidet Hagen wieder einmal nicht besonders erfolgreich ab. © Hagen | Hans Blossey

Bei der Wirtschaftsstruktur schneide Hagen im Dynamikranking mit dem Gesamtplatz 50 (Produktivität Platz 37, gemeindliche Steuerkraft Platz 47) deutlich weniger schlecht ab, beurteilt er dieses Ergebnis. „In der Gesamtbetrachtung ist der Handlungsbedarf aber nicht von der Hand zu weisen. Er wird im Endbericht zu ,HAGENhorizonte2035‘ ebenso klar benannt wie die daraus abgeleiteten Projekte auf Feldern wie Innovation, Produktion, Bildung, Innenstadt und Tourismus.“ Das Städteranking müsse alle Akteure darin bestärken, so Schmitt, die in dem Strategieprozess erarbeiteten Maßnahmen zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Hagen konsequent umzusetzen.

Zuletzt stellte im Herbst 2022 das renommierte Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos in seinem Zukunftsatlas der Stadt Hagen ebenfalls ein ernüchterndes Zeugnis aus. Dort belegte die Stadt im bundesweiten Ranking der 400 kreisfreien Städte und Kreise gerade einmal Platz 360. Zugleich wurden der Kommune mit Blick auf die künftigen Entwicklungsperspektiven „hohe Risiken“ attestiert.

Drei Jahre zuvor hatte Hagen den kaum schmeichelhafteren Rang 354 (im Jahr 2016: Rang 339) belegt – also ein klarer Abwärtstrend. Zugleich vergab Prognos der Stadt die ebenfalls besorgniserregenden Etiketten „geringe Stärke“ und „geringe Dynamik“.

Auch schlechtes Prognos-Zeugnis

Die Prognos-Profis stellen bereits seit 2004 alle drei Jahre die Zukunftsfestigkeit der deutschen Regionen einander gegenüber und erarbeiten anhand von 29 ausgewählten makro- und sozioökonomischen Einzelindikatoren ein bundesweites Ranking. Damit ist der Prognos-Zukunftsatlas, so die Selbsteinschätzung der Forschenden, die einzige deutschlandweite Rangliste, die regionale Entwicklungen seit mittlerweile fast zwei Jahrzehnten sichtbar macht.

Damit solle im Standortwettbewerb der Regionen Orientierung geschaffen werden, wenn es um das interkommunale Werben um Einwohner, Fachkräfte, Investitionen, Unternehmensansiedlungen und -erweiterungen sowie den Infrastrukturausbau geht. Es werde aufgezeigt, welche langfristigen Entwicklungsperspektiven ein Standort hinsichtlich Arbeitsplätzen, Innovationskraft, aber auch Wohlstand und sozialer Lage aufweist.

Abgesehen von der Kategorie Demografie, wo Hagen angesichts der enormen Zuwanderungsbewegungen der vergangenen Jahre sowie der hohen Migrantenquote und den damit einher gehenden höheren Geburtenraten immerhin Platz 40 belegen konnte, fielen 2022 die übrigen Prognos-Betrachtungsfelder ebenfalls eher alarmierend aus: Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit: Platz 280, Stärkeranking: Platz 344, Arbeitsmarkt: Platz 361, Dynamikranking: Platz 382, Wohlstand und soziale Lage: Rang 395.