Hagen. Die Zukunft für Hagen sieht immer schlechter aus: Wirtschaftsforscher sehen für künftige Entwicklungsperspektiven „hohe Risiken“.

Ein ernüchterndes Zeugnis stellt das renommierte Wirtschaftsforschungsinstitut Prognos in seinem jetzt vorgelegten Zukunftsatlas der Stadt Hagen aus. Demnach belegt die Stadt im bundesweiten Ranking der 400 kreisfreien Städte und Kreise gerade einmal Platz 360. Somit werden der Kommune mit Blick auf die künftigen Entwicklungsperspektiven „hohe Risiken“ attestiert. Vor drei Jahren belegte Hagen noch den kaum schmeichelhafteren Rang 354 (im Jahr 2016: Rang 339), bekam aber immerhin von Prognos nur „leichte Risiken“ ins Zukunftsstammbuch geschrieben. Trotz dieses Alarmsignals hat sich die Situation für Hagen im Vergleich zum Rest der Republik also weiter verschlechtert. Zudem vergibt Prognos der Stadt die ebenfalls besorgniserregenden Etiketten „geringe Stärke“ und „geringe Dynamik“.

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Die Spitzenplätze belegt vorzugsweise der süddeutsche Raum mit den Regionen München, Erlangen, Ingolstadt, Wolfsburg, Böblingen, Darmstadt oder auch Stuttgart. Aus NRW finden sich nur Düsseldorf, Münster und Bonn auf den vorderen Plätzen. Die Metropolräume bleiben also die Wachstumsmotoren in Deutschland, so die Prognos-Analyse. Doch in deren Schatten könnten sich durchaus weitere Zukunftsregionen entwickeln, zu denen im Nordwesten der Republik beispielsweise Ostwestfalenlippe, das Münster- oder das Emsland zählen.

Experten überblicken Jahrzehnte

Die Prognos-Profis stellen bereits seit 2004 alle drei Jahre die Zukunftsfestigkeit der deutschen Regionen einander gegenüber und erarbeiten anhand von 29 ausgewählten makro- und sozioökonomischen Einzelindikatoren ein bundesweites Ranking. Damit ist der Prognos-Zukunftsatlas, so die Selbsteinschätzung der Forschenden, die einzige deutschlandweite Rangliste, die regionale Entwicklungen seit mittlerweile fast zwei Jahrzehnten sichtbar macht. Damit soll im Standortwettbewerb der Regionen Orientierung geschaffen werden, wenn es um das interkommunale Werben um Einwohner, Fachkräfte, Investitionen, Unternehmensansiedlungen und -erweiterungen sowie den Infrastrukturausbau geht. Es wird aufgezeigt, welche langfristigen Entwicklungsperspektiven ein Standort hinsichtlich Arbeitsplätze, Innovationskraft, aber auch Wohlstand und soziale Lage aufweist.

Abgesehen von der Kategorie Demografie, wo Hagen angesichts der enormen Zuwanderungsbewegungen der vergangenen Jahre sowie der hohen Migrantenquote (ca. 42 Prozent) und den damit einher gehenden höheren Geburtenraten immerhin Platz 40 belegen kann, fallen die übrigen Prognos-Betrachtungsfelder eher alarmierend aus: Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit: Platz 280, Stärkeranking: Platz 344, Arbeitsmarkt: Platz 361, Dynamikranking: Platz 382, Wohlstand und Soziale Lage: Rang 395.

SIHK: „Keine Ausreden“

SIHK Hauptgeschäftsführer Ralf Geruschkat
SIHK Hauptgeschäftsführer Ralf Geruschkat © WP | Michael Kleinrensing

SIHK-Hauptgeschäftsführer Ralf Geruschkat räumt in seiner Einordnung des Resultats ein, dass die Corona-Pandemie und die Energiekrise – wie auch in allen anderen Regionen – in Hagen ihre Spuren hinterlassen hätten. Hinzu kämen die Hochwasser-Folgen und das Verkehrsdebakel rund um die Rahmedetalbrücke. „Das kann und darf aber keine Ausrede sein“, betont der Wirtschaftsvertreter. „Um Zukunft zu gestalten, braucht man Perspektiven. Dafür ist ein schlüssiges Gesamtkonzept notwendig und das permanente Schaffen von Zukunftspotenzialen: bei Flächen, beim Hochwasserschutz, bei einer Willkommenskultur für neue Unternehmen sowie bei einer aktiven Bestandssicherung der ansässigen Unternehmen“, mahnt Geruschkat an.

Renommierte Experten

Die Prognos AG ist eines der ältesten Wirtschaftsforschungsunternehmen Europas. An der Universität Basel gegründet, forschen Prognos-Expertinnen und -Experten seit 1959 für verschiedenste Auftraggeber aus dem öffentlichen und privaten Sektor – politisch unabhängig, wissenschaftlich fundiert, so der Selbstanspruch.


Die bewährten Modelle der Prognos AG liefern somit die Basis für belastbare Prognosen und Szenarien. Die Projektteams arbeiten interdisziplinär, verbinden Theorie und Praxis, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik.

Oberbürgermeister Erik O. Schulz und Wirtschaftsförderer Christopher Schmitt verweisen in einer gemeinsamen Stellungnahme darauf, dass Ruhrgebietsstädte in dem Ranking „traditionell schlecht“ abschnitten und Duisburg, Herne, Gelsenkirchen und Oberhausen sogar noch schlechter platziert seien. Immerhin erreiche Hagen in der Kategorie „Wettbewerb und Innovation“, einem wichtigen Indikator für wirtschaftliche Entwicklung einen Mittelfeldrang. „Hauptursache für dieses Abschneiden sind zum Teil seit Jahren verfestigte Strukturprobleme, die bei der Gesamtbewertung mit großem Gewicht in die Waagschale fallen und selbst bei Erfolgen auf den anderen Feldern eine positive Platzierung im Ranking verhindern“, hinterfragt die Rathaus-Spitze den methodischen Ansatz der Prognos-Untersuchung.

OB setzt auf Horizonte-Prozess

Oberbürgermeister Erik O. Schulz und Wirtschaftsförderer Christopher Schmitt (rechts) sehen Hagen auf einem guten Entwicklungsweg.
Oberbürgermeister Erik O. Schulz und Wirtschaftsförderer Christopher Schmitt (rechts) sehen Hagen auf einem guten Entwicklungsweg. © Gunther Fessen

Dennoch hat sich Hagen genau dieses Wirtschaftsforschungsinstitut als Partner ins Boot geholt, um im Rahmen des sogenannten Horizonte-Prozesses eine detaillierte Zukunftsstrategie für Hagen zu entwickeln. Dieser vom einstigen Hagen-Agentur-Geschäftsführer Volker Ruff initiierte Strategie-Pfad, der zunächst einmal vom Hochwasser überspült wurde, wird zurzeit noch einmal überarbeitet. „Die Zwischenergebnisse werden aktuell mit großem Aufwand auf Relevanz, Wirkung, Realisierbarkeit und Vollständigkeit überprüft. Gleichzeitig fließen die Erkenntnisse aus der Unternehmensbefragung 2022 und aus dem Urbanista-Prozess (Hagen Valley, 2022) mit ein. Die interne Bewertung ist mittlerweile abgeschlossen, jetzt erfolgen diverse Abstimmungsprozesse mit externen Beteiligten“, stellen Schulz und Schmitt in Aussicht, dass die Resultate eines Tages auch das Licht der Öffentlichkeit erblicken.

„Unabhängig davon werden strategische Themenschwerpunkte intensiv vorab bearbeitet“, blicken OB und Wirtschaftsförderer auf Aspekte wie Bildung, Talente, Standards & Service, Produktion, Innovation, vitale Innenstadt, Stadt- und Standortmarketing sowie Tourismus. Hier steht man aber offenkundig noch ganz am Anfang.