Hagen. Hagen ächzt unter dem Flüchtlingszustrom. Ein Container-Dorf in Hohenlimburg und das Max-Bahr-Gelände als Landesunterkunft sollen helfen:
Hagen ächzt unter der Zuwanderung: fehlende Unterbringungsmöglichkeiten, keine Kapazitäten in den Schulen und Kitas, belegte Turnhallen. „Hätten wir die Sporthallen-Schließungen verhindern können, dann hätten wir es getan“, betont André Erpenbach, Leiter des Krisenstabs, der sich seit vier Jahren von einer Krise in die nächste bewegt. Erst Corona, dann das Hochwasser, jetzt der Strom an Zuwanderern, die Hagen in der Höhe vorher noch nicht erlebt hat.
Jetzt aber kann der Krisenstab erste Lösungen präsentieren. Wenngleich es sich auch dabei um Übergangslösungen handelt - „die uns aber Zeit verschaffen. Deutlich mehr Zeit“, betont Dezernentin Martina Soddemann. Konkret geht es um ein Containerdorf, das auf dem Parkplatz des Kirchenbergstadions gebaut werden soll, und um eine Landeseinrichtung für Geflüchtete, die zumindest für zwei Jahre im alten Max-Bahr-Gebäude einziehen soll. Denn die Unterbringungsmöglichkeiten in der Stadt sind längst erschöpft.
Die aktuelle Flüchtlingslage
Die Zahl der Zuweisungen hat sich nach Weihnachten etwas entspannt. „Wobei man nicht von richtiger Entspannung sprechen kann - eher einer Beruhigung, die Zuweisungen fallen niedriger aus als im Dezember“, sagt Martina Soddemann. Im Dezember wurden weit über 100 Menschen zugewiesen, im Januar waren es bislang 53. Hintergrund sei eine Umverteilung gewesen - die Landeseinrichtungen waren überfüllt, sodass mehr Menschen auf die Städte und Kommunen verteilt werden mussten. Das bekam Hagen deutlich zu spüren.
„Allerdings muss man dazu betonen, dass Hagen nicht nur durch die Zuweisungen belastet ist, sondern parallel auch einen anhaltenden Zuzug aus Osteuropa erlebt und viele Menschen aus der Ukraine hergekommen sind“, so Soddemann weiter. In Summe kamen im letzten Jahr knapp 600 Menschen allein über Zuweisungen in die Stadt. Appelle Richtung Landesregierung, eine Gesamtquote für Hagen zu bilden, „bleiben bislang ungehört“, so Soddemann. Und die Quote wird Mal um Mal angehoben.
Das Container-Dorf am Kirchenbergstadion
Abhilfe schaffen soll nun unter anderem ein Container-Dorf, das auf dem Parkplatz des Kirchenbergstadions entstehen soll. Wann es dort losgehen kann - all das ist zum jetzigen Zeitpunkt noch offen. „Wir haben mehrere Flächen geprüft und tun das auch nach wie vor“, erklärt André Erpenbach. „Wir sind aber im Krisenstab zu dem Schluss gekommen, dass diese Fläche die meisten Kriterien erfüllt und wir dort eine solche Lösung am schnellsten realisieren könnten.“
Konkret bedeutet das, dass schon in absehbarer Zukunft ein Wohncontainer-Dorf für bis zu 100 Menschen am Kirchenberg entstehen soll. „Es soll Wohnräume und Gemeinschaftsräume geben, entgegen der aktuellen Situation in den Sporthallen sollen die Menschen die Möglichkeit haben, selbst zu kochen oder auch Wäsche zu waschen“, blickt Natalia Keller, die den Fachbereich für Integration leitet, auf die vorgeschlagene Lösung. Das wiederum könne dazu führen, dass absehbar die Menschen aus den Sporthallen ausziehen könnten. „Zunächst einmal würden wir in der Boelerheide die Halle in der Kapellenstraße leerziehen - dann würde die Karl-Adam-Halle in Vorhalle folgen. Parallel besteht bei anderen Unterkünften die Herausforderung, dass diese nur befristet zur Verfügung stehen - beispielsweise das ESW Berchum, das ebenfalls im Sommer leer gezogen werden muss“, so Keller weiter. Auch diese Menschen müssen dann anderswo untergebracht werden.
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Die Landeseinrichtung auf dem Max-Bahr-Gelände
Parallel soll für einen begrenzten Zeitraum eine Landeseinrichtung im alten Max-Bahr-Gelände aufgebaut werden. „Dabei handelt es sich um eine Lösung für maximal zwei Jahre - denn dann soll an dem Standort die neue Feuer- und Rettungswache entstehen“, erklärt André Erpenbach den weiteren Fahrplan. Bis für das Großprojekt die Arbeiten starten, soll die Halle - in der sich auch ein Lager für Katastrophenschutz-Materialien befindet - anders genutzt werden. „Wir werden dort die Infrastruktur für eine Landeseinrichtung schaffen - die Abstimmungen mit Bezirksregierung und Land sind bereits erfolgt.“ Wann dort die ersten Menschen einziehen könnten: offen.
„Menschen aus anderen Unterkünften können dann nicht dorthin verlegt werden“, erklärt Martina Soddemann. Dennoch erhofft sich der Krisenstab eine deutliche Entlastung durch die Einrichtung, die für die Stadt gleich mehrere Vorteile bringt, „denn wir möchten nicht die Sporthallen leer ziehen, um sie dann einige Monate später neu zu belegen“, so Erpenbach. Eine mögliche dauerhafte Lösung, die über die zwei Jahre hinausgehe, befinde sich in der Prüfung.
Größter Vorteil für Hagen dürfte sein, dass die Plätze der Landeseinrichtung zu 100 Prozent auf die Quote angerechnet werden - und das, selbst wenn dort nicht alle Plätze belegt sind. Parallel ist die Stadt quasi ab der Übergabe an das Land nicht mehr zuständig - muss sich beispielsweise nicht um Versorgung, Sicherheitsdienst, oder gar Anschluss an das Bildungssystem kümmern. „Für die meisten Menschen ist das eine Übergangslösung und sie werden dann anderen Städten zugewiesen“, erklärt Martina Soddemann. Erreicht die Stadt die 100-prozentige Quote, können keine Menschen mehr zugewiesen werden.
Die anderen Unterkünfte
Beide Turnhallen, sowohl die Karl-Adam Halle (in der vorwiegend Einzelpersonen untergebracht sind) als auch die Turnhalle Kapellenstraße (in der hauptsächlich Familien leben) sind aktuell nicht voll ausgelastet. Jeweils 150 Plätze stehen dort zur Verfügung. In beiden Hallen leben jeweils knapp 60 Menschen. „Es ist gut, zu wissen, dass wir für die nächsten Monate noch Kapazitäten haben“, betont Natalia Keller, die im gleichen Zug darauf verweist, dass auch die Menschen dort die Situation als belastend empfinden: „Sporthallen ohne Privatsphäre sind für niemanden eine gute Lösung“, erklärt Natalia Keller, dass man bemüht sei, möglichst schnell bessere Alternativen zu schaffen.
Die Optionen für die Zukunft
Parallel zum Aufbau eines Containerdorfes und einer Landeseinrichtung möchte der Krisenstab aber noch weitere Lösungen verfolgen, um sich für die Zukunft gut aufzustellen. „Denn keiner kann eine sichere Prognose geben, wie sich die Lage in Zukunft entwickeln wird“, betont Martina Soddemann. So hatte André Erpenbach zuletzt noch von Plänen gesprochen, einen Beherbergungsbetrieb an der Hochstraße für fünf Jahre zu mieten, um dort eine Flüchtlingsunterkunft einzurichten. „Das Vorhaben gibt es nach wie vor, allerdings stehen noch Prüfungen aus und der Mietvertrag ist noch nicht unterzeichnet“, so Natalia Keller. „Theoretisch könnte dort aber künftig Platz für bis zu 90 Menschen sein.“
Weitere Container-Standorte befinden sich parallel dazu ebenfalls in der Prüfung. So hatte die Verwaltung zuletzt ein verlassenes Gelände am Kratzkopf (ehemaliges Tierheim Natorpstraße) favorisiert. „Allerdings stehen dort diverse Prüfungen aus - beispielsweise zur Standfestigkeit des Untergrundes oder Altlasten“, erklärt Erpenbach. „Auch das bestehende Gebäude müsste zunächst zurückgebaut werden. Im Hintergrund prüfen wir daher weitere Optionen, die aus unserer Sicht sogar noch schneller realisierbar wären.“