Hagen. Zuwanderung aus Südosteuropa stellt Stadt vor Herausforderungen - auch, weil viele Familien wieder wegziehen. Ein ehrlicher Blick auf die Lage.

„Wir fangen gefühlt immer wieder von vorne an“, will Bildungsdezernentin Margarita Kaufmann die Situation nicht beschönigen: Hagen erlebt auch heute noch einen anhaltenden Zuzug von osteuropäischen Familien in die Quartiere: „Mit leider immer wieder auftauchenden Klagen von Anwohnern über Müll, Dreck und Lärm.“

Bei der Stadt gibt es mittlerweile eine Task Force, die sich mit der Zuwanderung und Integration in der Volmestadt beschäftigt – auch mit einem Fokus auf Familien aus Rumänien und Bulgarien.

Die Seiteneinsteiger-Zahl an den Schulen ist hoch, der Bedarf an Kita-Plätzen wächst parallel. 170 Seiteneinsteiger-Kinder aus den beiden Ländern in allen Schulformen dokumentierte die Verwaltung allein seit Anfang des Jahres. „Wir kennen nur die Anmeldungen, nicht die Abmeldungen“, zeigt Kaufmann die Probleme auf: Denn viele Familien ziehen wieder fort. Dafür kommen neue. Und man fängt wieder von vorne an.

„Der Pool an Unterstützungsangeboten ist wirklich groß. Das alles bringt aber nur etwas, wenn sie auch genutzt werden“, betont Jugendamtsleiter Reinhard Goldbach. „Es gibt noch viele Baustellen.“

Viele Familien ziehen wieder fort

Seit Dezember 2020 sind 953 Rumänen und 340 Bulgaren nach Hagen gekommen, 555 Rumänen und 203 Bulgaren sind wieder fortgezogen. Insgesamt leben somit aktuell 4833 Rumänen und 2140 Bulgaren in Hagen. „In NRW haben wir die höchste Zuwandererquote“, hebt auch Goldbach hervor, dass das Thema Integration die Verwaltung seit der Flüchtlingswelle 2015 massiv beschäftigt.

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„Wir stehen dazu über die Task Force in engem Kontakt mit Städten, die ähnliche Herausforderungen haben“, so Kaufmann, „unter anderem Gelsenkirchen und Dortmund.“ Die Stadt habe in den vergangenen Jahren ein großes Unterstützungsnetzwerk aufgebaut, das von der Sprachförderung über Projekte in der Beratung und Vermittlung, gesichertes Wohnen, Begleitung in faire Arbeit, Bildung für Kinder/Erwachsene, Gesundheit und Prävention bis hin zu Konfliktmanagement im Quartier reicht.

Mit der Integration will man so früh wie möglich ansetzen: „Das Beste wäre: Jedes Zuwanderer-Kind geht auch in die Kita und hat dort Kontakt zu Gleichaltrigen. Das können wir aber kaum leisten. Wir bauen ständig Kindergärten, aber die Zuwanderung schluckt es auf. Wir kommen nicht nach“, betont Kaufmann. Allein 14 Einrichtungen hätte man in den vergangenen sieben Jahren errichtet, weitere stünden auf dem Plan. „Theoretisch müsste man dann eine Betreuungsquote von 70 bis 80 Prozent erreichen, praktisch klappt das nicht.“

Hagen Zuzüge und Fortzüge
Hagen Zuzüge und Fortzüge © Manuela Nossutta/ Funkegrafik NRW

Großes Misstrauen bei Familien

Zumal das Misstrauen bei den Familien groß sei: „Wenn eine Familie zuzieht, müsste man eigentlich jede Adresse aufsuchen und mit ihr in Kontakt kommen.“ Eine Arbeit, die nicht nur angesichts der personellen Ressourcen kaum leistbar sei. Gerade in der Coronazeit war es schwierig, mit den Familien in Kontakt zu bleiben.

Der Zugang funktioniert am besten über die Bildungsmediatorinnen, die als Mittler zwischen Schule, Familie und Stadt fungieren: Das Projekt haben wir nun auf weitere Schulen ausgeweitet“, gibt Goldbach Einblicke. Zwei Bildungsmediatorinnen mit Roma-Familiengeschichte sind bereits Teil des Teams vom Kommunalen Integrationszentrum – sie betreuen Familien an den Grundschulen Emil Schumacher, Erwin Hegemann, Funckepark sowie der Hauptschule Ernst Eversbusch. Zwei weitere halbe Stellen gibt es jetzt zusätzlich für die Grundschulen Geweke, Friedrich Harkort und Janusz Korczak.

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„Wir machen Fortschritte. An vielen Stellen klappt es gut, viele Familien bleiben, tendenziell ist der Teil der Kinder, die in die Schule gehen, größer als der Teil derer, die nicht gehen. An vielen Stellen gibt es aber noch Herausforderungen“, resümiert Kaufmann. Die Stadt will bei der Integration als Begleiter fungieren. Und das funktioniert nur, wenn die Familien mitziehen. Wenn sie bleiben. Und am wichtigsten: sich hier integrieren möchten.