Hohenlimburg. Thomas Wallau verlässt das Kaltwalzwerk Hüsecken Wire. Er hatte den Betrieb einst nach der Insolvenz übernommen und neu aufgebaut:
Es war kein schönes Weihnachtsfest, was die Mitarbeiter von Hüsecken Wire vor zehn Jahren gefeiert haben. Einen Tag vor Heiligabend ging die damalige Geschäftsführung zum Amtsgericht und meldete für das älteste Kaltwalzwerk Deutschlands den Bankrott. Die J.P. Hüsecken Kaltwalzwerk und Drahtzieherei GmbH war insolvent und fast 100 Mitarbeiter blickten in eine ungewisse Zukunft. „Das war tragisch und ein großer Schock“, sagt Thomas Wallau. Der Kölner übernahm knapp zwei Jahre später den Posten an der Spitze des Unternehmens. Zum Jahresende wird er Hüsecken Wire verlassen und seinen Lebensmittelpunkt aus privaten Gründen wieder ins Rheinland verlegen. Er blickt zurück auf acht teils turbulente Jahre, die das Unternehmen einerseits zurück auf die Erfolgsspur brachten, andererseits aber auch immer wieder für unvorhergesehene Herausforderungen und Rückschläge sorgte.
„Das war tragisch und ein großer Schock“
Turbulente Jahre
Als er die Geschäftsführung übernahm, da war das älteste Kaltwalzwerk Deutschlands, das damals noch unter „J.P. Hüsecken“ firmierte, auf dem Weg zurück in ruhigeres Fahrwasser. Denn schon ein halbes Jahr nach der an Weihnachten verkündeten Insolvenz fand sich mit Hörle Wire ein Käufer. Die Tochtergesellschaft der schwedischen Liljedahl Steel Wire investierte damals einen siebenstelligen Betrag, um die beiden Standorte von Hüsecken in der Nahmer zu übernehmen. Alle Mitarbeiter konnten im Unternehmen bleiben. „Das Kapital, das damals investiert wurde, haben wir längst zurückbezahlt“, blickt Wallau stolz auf das Erreichte zurück.
Vertrauen zurückgewinnen
Mit viel Respekt und Demut habe er damals an die neue Aufgabe als Geschäftsführer von Hüsecken Wire angetreten. „Ich wusste: wenn ich das in den Sand setze, dann bin ich durch.“ Wichtigste Aufgabe sei es zunächst gewesen, das Vertrauen in das Unternehmen bei Kunden, Kreditgebern und Lieferanten wiederherzustellen.
„Wir haben es nicht nur geschafft, das Unternehmen wieder in schwarze Zahlen zu bringen, sondern haben heute auch alle Schlüsselpositionen mit jüngeren Kollegen besetzt“
Außerdem musste der Generationenwechsel gemanagt werden, waren doch damals bereits viele Beschäftigte zwischen Ende 50 und Mitte 60. „Wir haben es nicht nur geschafft, das Unternehmen wieder in schwarze Zahlen zu bringen, sondern haben heute auch alle Schlüsselpositionen mit jüngeren Kollegen besetzt“, sei man heute für die nächsten Jahre und Jahrzehnte gut aufgestellt.
Zugute kam Hüsecken Wire in den ersten Jahren nach der Insolvenz die gute Konjunktur, die bundesweit damals herrschte und zusätzlichen Auftrieb gab. Ab 2015 schrieb das Unternehmen wieder schwarze Zahlen. Dann kamen die Pandemie und im Sommer 2021 die verheerende Starkregen-Flut, die das Werk in der Nahmer mit voller Wucht traf. Rund acht Millionen Euro Schaden hatte Hüsecken Wire zu verzeichnen und Thomas Wallau stockt noch heute die Stimme, wenn er von den Tagen nach der Katastrophe erzählt. „Das Schlimme war nicht das Wasser, sondern der Schlamm“.
Frauen von Mitarbeitern hätten einzelne Maschinen mit Zahnbürsten geschrubbt, um den Schlamm zu entfernen. In dieser schweren Zeit habe man aber auch viel Unterstützung von Kunden erhalten. „Das hat uns gezeigt, dass wir nach der Insolvenz viel Vertrauen zurückgewonnen hatten.“
Steigende Energiepreise
Zwei Monate nach der Flut konnte die Produktion wieder anlaufen und im Jahr 2022 konnte Hüsecken Wire so viel produzieren wie nie - und das beste Ergebnis in der Unternehmensgeschichte einfahren. Infolge des Ukraine-Krieges und schwächelnder Wirtschaft werde das Ergebnis für dieses Jahr schlechter ausfallen, sagt Wallau. „Es wird aber kein schlechtes Ergebnis sein, trotz der schwierigen Lage.“
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Auch die steigenden Energiepreise machen dem Kaltwalzwerk zu schaffen, das einen siebenstelligen Kilowatt-Bedarf an Strom hat. „Ob wir dafür im besten Fall 4 Cent pro Kilowattstunde bezahlen oder im schlimmsten Fall 40 Cent und mehr, das macht einen enormen Unterschied und lässt sich irgendwann nicht mehr an die Kunden weitergeben“. Ob Pandemie, Flut oder Ukraine-Krieg: Die Ereignisse hinterließen bei ihm eine Erkenntnis: „Es gibt keine Regeln und keine Logik mehr. Man muss sehen, wie man für sein Unternehmen das Beste aus der Situation herausholt, in der man gerade steckt.“
Aktuell befindet sich Hüsecken Wire, wie viele andere Industriebetriebe auch, in Kurzarbeit. Im Januar 2024 wolle man aber auf Normalzeit gehen, es deute sich eine bessere Auftragslage an. Stellenabbau bei den 60 Mitarbeitern plus Azubis sei derzeit kein Thema. „Das können wir uns auch nicht erlauben, weil wir weiter im demografischen Wandel sind. Wenn wir gute junge Menschen im Betrieb in Ausbildung haben, dann versuchen wir auch, diese möglichst langfristig zu binden.“
„Wenn wir gute junge Menschen im Betrieb in Ausbildung haben, dann versuchen wir auch, diese möglichst langfristig zu binden“
Pläne zum Hochwasserschutz
Auch wenn die Schäden der Flut längst nicht mehr sichtbar sind, steht das Unternehmen beim Hochwasserschutz im engen Austausch mit der Stadt Hagen. Geplant ist, große Flächen des Firmengeländes am Nahmerbach künftig als Retentionsflächen zur Verfügung zu stellen, auf denen sich das Wasser bei steigenden Pegeln verteilen kann. Rund zwei Millionen Euro stehen für diese Maßnahme derzeit an Kosten im Raum, die zu 80 Prozent aus dem Wiederaufbaufonds des Landes NRW getragen werden. Noch befindet sich das Vorhaben aber in der Planung. „Wir hoffen alle, dass es nicht wieder zu so einer Flutkatastrophe kommt, aber auf diesem Standpunkt darf man sich nicht stellen. Man muss vorbereitet sein.“
Nachfolger steht fest
Zum Jahresende wird Thomas Wallau die Geschäftsführung von Hüsecken Wire abgeben. Interimsmäßig wird dann Anders Andersson, Geschäftsführer von Hörle Wire, das Kaltwalzwerk in Hohenlimburg leiten, bis zum 1. April Markus Scholz als neuer Geschäftsführer übernimmt. Scholz ist bisher als Verkaufsleiter für das mittelständische Unternehmen Platestahl in Lüdenscheid tätig.