Nahmertal. Bei Huesecken in Hohenlimburg ist das Kaltwalzen erfunden worden. Ein Brief von Alfred Krupp belegt es. Bis heute profitiert die ganze Welt davon.
Ziemlich unscheinbar kommt die große Platte im Eingangsbereich zunächst daher. Man läuft sogar Gefahr, sie fast zu übersehen. Dabei ist die in Stahl gravierte Schrift im Eingangsbereich des Unternehmens „Huesecken Wire“ etwas derart Besonderes, dass sie zurecht dorthin gehören würde, wo Bezirksbürgermeister Jochen Eisermann sie gern hängen sehen würde: im Hohenlimburger Rathaus. „Hüsecken“ ist die Wiege des Kaltwalzens weltweit. Und besagter Brief stammt von Alfred Krupp, der ins Nahmertal die ersten beiden Walzen lieferte, die das Kaltwalzen überhaupt möglich machten.
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In wertschätzender Sprache verfasster Brief von Krupp
„Es ist mir bisher noch keine Walze so hart geraten, als diese beiden, auch sind sie durchaus rund, sodass sie schöne Ware damit anfertigen können. Die eine der beiden Walzen ist in der Mitte ein Unbedeutendes dicker als an den Seiten, welches sich aber auf die Dauer bei ihrer Arbeit verlieren wird. Ich hätte dieses gern herausgeschliffen, wenn es der Härte wegen nur möglich gewesen wäre. An dieser ist, um sie richtig zu machen, drei ganze Tage geschliffen worden“, schreibt Krupp am 26. August 1830 an Unternehmensgründer J.P Hüsecken anlässlich der ersten Kaltwalzenlieferung aller Zeiten.
Für die Walzen verlangt Krupp von Hüsecken 55 Taler
Der damals erst 18-jährige Krupp, Sohn des zuvor verstorbenen Gussstahl-Fabrikgründers Friedrich Krupp, wählt einen demütigen Tonfall, voller Respekt vor dem eigenen Metier. „Nach Empfang der Walze bitte ich, sich von der Qualität zu überzeugen zu wollen und mir dann den einig gewordenen Betrag von 55 Talern zu übermachen und mir die Freundschaft zu erweisen, mich bei ihren dortigen Freunden zu empfehlen. Nunmehr kann ich jede Walze von Gussstahl machen, sei sie auch noch so groß. In Entgegensendung ihrer angenehmen Nachrichten empfehle mich ihnen freundschaftlichst“, endet der Brief.
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Walzen und Umformen ohne vorheriges Erwärmen
Hüsecken hatte nicht nur eine Walze erhalten, mit der das damals hochpräzise Kaltwalzen nun möglich war. Krupp hatte gleichzeitig einen Technologiesprung gemacht und war nunmehr Lieferant derartiger Geräte. Das Kaltwalzen ist, extrem vereinfacht ausgedrückt, das Walzen und Umformen von Metallen zwischen zwei oder mehr rotierenden Werkzeugen bei Raumtemperatur und ohne vorheriges Aufwärmen.
Zeitsprung: 191 Jahre später. Thomas Wallau sitzt am Konferenztisch im ersten Stock des Unternehmens Huesecken an der Straße Nimmertal. Es ist derselbe Standort, an den Alfred Krupp damals seine ersten Kaltwalzen liefern ließ. Wallau ist Geschäftsführer des Unternehmens, das über 200 Jahre nach seiner Gründung noch ein bedeutender Marktteilnehmer in seinem Bereich ist.
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Arbeitsprinzip noch immer ähnlich
Huesecken fertigt aus Walzdraht Flachdrähte in verschiedenen Abmessungen und Güten. Die Erzeugnisse kommen in vielen verschiedenen Produkten zum Einsatz, darunter in Feder-, Schloss- und Beschlagkomponenten, Kabelarmierungen, Automobilen, Displays und zahlreichen anderen Anwendungen. In vielen Fensterbeschlägen, die man sieht, steckt Huesecken drin. Dass Hüsecken heute „Huesecken Wire“ heißt, ist die Folge der Insolvenz, in die das Unternehmen 2013 rutschte, aber schon 2014 durch die schwedische Liljedahl Gruppe übernommen wurde. Dazu gehören die Hörle Wire Group, die aus „Hörle Wire AB“ in Schweden, „Hörle Wire s.r.o“ in der Slowakei und eben der „Huesecken Wire GmbH“ in Deutschland besteht.
Tradition verschafft dem Unternehmen einen Namen
Dass die Übernahme nach einer Insolvenz 2013 so rasch erfolgte, ist laut Wallau der hohen Qualität der Produkte zu verdanken, die von den 60 Mitarbeitern am Hohenlimburger Standort produziert wird. „Die ist außergewöhnlich gut und dazu kommt, dass das Unternehmen traditionsreich ist. Dadurch haben wir einen Namen und dieser Standort bringt als Geburtsstätte des Kaltwalzens historisch betrachtet auch große Verantwortung mit sich“, sagt Wallau.
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Entscheidend nach der Insolvenz, nach der Thomas Wallau die Verantwortung erst übernahm, war, dass Huesecken sich nicht mehr nur abhängig von einer Branche gemacht hat, sondern das Kundenportfolio heute breiter aufgestellt ist. „Das Arbeitsprinzip ist dabei im Grunde immer noch sehr ähnlich zu dem des Gründers Hüsecken“, sagt Wallau, der diese Ähnlichkeit als faszinierend empfindet. Das Unternehmen war zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine Art Treiber des Fortschritts und der weiteren Ansiedlung von Stahlfabriken im Nahmertal.
Die Nähe zum Wasser wurde bei der Flut zum Verhängnis
Die Nähe zu den Bach- und Flussläufen von Nahmer und Nimmer verschaffte den Fabriken einen großen Vorteil bei der Stromgewinnung über Wasserkraft. Eben jene Nähe zum Wasser aber war es auch, die am 14. Juli dieses Jahres, zu großen Schäden in der Fabrik führten. 75 Prozent der Anlagen sind bis heute wieder in Betrieb. Als einzigartig beschreibt Wallau die Hilfe, die das Unternehmen auf dem kleinen Dienstweg von anderen Firmen erhalten habe.