Hohenlimburg. Die Starkregen-Flut hat tiefe Furchen im Hagener Forst ausgespült – die wieder zum reißenden Strom werden können. Wie lässt sich das verhindern?
Auch wenn neue Pflanzen längst eine grüne Decke über das Geröll gelegt haben, sind die Schneisen, die der Starkregen der Jahrhundertflut vor zwei Jahren in den Wäldern geschlagen hat, weiter gut zu erkennen. Oliver Kahl vom Forstbetrieb Dreps kümmert sich um den Fürstlichen Forst in Hohenlimburg – und sieht sich hier mit Problemen konfrontiert, die ihn noch lange beschäftigen.
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Tiefe Schneisen ins Tal
Mit dem Geländewagen geht es über einen ruckeligen Forstweg, der sich hoch über den Tälern der Obernahmer durch die Bäume schlängelt. Oliver Kahl steuert an die Stelle, die er als „Grand Canyon“ bezeichnet. Ein tiefer Talsiepen, den die Wucht des Starkregens vor gut zwei Jahren geschlagen hat, als das Wasser von zwei Seiten wie ein Keil den Hang hinunter strömte – und mehrere Häuser in der Nahmer traf. „Hier“, sagt Kahl, „entstehen erst solche Probleme.“ Der Wagen hält. Kahl steigt aus, blickt talwärts den tiefen Graben hinunter. Sein „Grand Canyon“.
„Wasser muss gebremst werden“
Aktuell fließt nur ein dünner Bach das Tal hinunter, nicht viel mehr als ein Rinnsal. Je nach Wetterlage kann sich das aber ändern, selbst wenn schwerer Starkregen wie vor zwei Jahren nur sehr selten vorkommt. „Irgendwie muss das Wasser gebremst werden“, weiß Kahl, ohne für sich in Anspruch zu nehmen, das Patentrezept dafür in der Tasche zu haben. Lose Wasserbausteine könne er sich zum Beispiel vorstellen, die entlang der Talsiepen aufgestellt werden und das Wasser ein stückweit bremsen.
Ein Problem in dem Zusammenhang: Einzelne Flächen, auf denen Waldboden durch die Flut so weit weggespült wurde, dass nur noch blanker, glatter Stein blieb. „Das ist wie eine Wasserrutsche“, sagt Kahl.
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Neue Durchlässe
Am Forstweg neben dem „Grand Canyon“ stehen mehrere massive Durchlässe aus Beton. Durchmesser: rund einen Meter. Sie sollen künftig helfen, damit Schwemmgut gebremst und das Wasser in halbwegs kontrollierten Bahnen das Tal hinunter strömt, wenn Starkregen fällt. Mehrere Talsiepen dieser Art sind bei der Flut entstanden, und an vielen Stellen sind neue Durchlässe dieser Art geplant, aber noch nicht eingebaut. „Es wird viel gemacht“, unterstreicht Kahl. Aber es muss auch noch viel getan werden.
Waldwege erneuert
Die Talsiepen – nicht die einzige Baustelle, wenn es um den Kampf gegen Flutschäden im Forst geht. Im Geländewagen geht es weiter durch den Forst, hinab ins Tal Richtung Hohenlimburg. „Diesen Forstweg konnten wir nach der Flut lange nicht befahren“, erzählt Kahl. Inzwischen ist der Weg wiederhergestellt. Beim Wiederaufbau solcher Forstwege werden private Forstbesitzer – wie in diesem Fall das Fürstenhaus – unterstützt.
Fördermittel des Landes
Nachdem das Land NRW die Förderrichtlinien vergangenes Jahr geändert hat, können von der Flut beschädigte Forstwege auch über Fördermittel aus dem Wiederaufbauprogramm NRW erneuert werden. Voraussetzung: Die Wege sind in den Wiederaufbauplan der Kommunen aufgenommen. Die Stadt Hagen hat mehr als hundert Wegebaumaßnahmen in den Wiederaufbauplan eingestellt, der sich in drei Bereiche Dahl-Süd, Dahl-Nord und Hagen aufteilt.
37 Kilometer im Stadtgebiet
Unterm Strich sind das rund 37 Kilometer beschädigter Waldweg rund um Hohenlimburg, Dahl, Priorei und Delstern, die wieder instandgesetzt werden. Für die Bewilligung des Förderantrags der Stadt ist die Bezirksregierung Arnsberg zuständig. Zur Zeit erstellt das Regionalforstamt Ruhrgebiet die Leistungsverzeichnisse für jede Baumaßnahme. „Bis alle Projekte in den Hagener Wäldern abgearbeitet sind, wird es einige Jahre dauern“, skizziert Peter Bergen, zuständiger Forstamtsleiter im Regionalforstamt Ruhrgebiet, auf Anfrage.
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Tote Waldflächen
Einige Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte, wird es dauern, bis eine weitere Baustelle im Forst langsam geschlossen werden kann: Denn Trockenheit und Borkenkäfer haben teils große Freiflächen im Hohenlimburger Forst hinterlassen, die sich wie große kahle Flecken über die Hänge verteilen. „Bei den Flächen, die aufgeforstet werden müssen, reden wir von hunderten von Hektar“, blickt Maximilian zu Bentheim-Tecklenburg auf den gesamten fürstlichen Forst. „Da brauchen wir kreative Lösungen.“
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Förderung fehlt
Die Möglichkeit seien allerdings begrenzt. „Wir könne nicht das tun, was optimal für den Hochwasserschutz wäre“, räumt er ein. „Es ist finanziell nicht machbar.“ Es fehle auch an öffentlichen Fördermitteln. Auf Anfrage hierzu verweist das NRW-Heimatministerium auf die sogenannte Förderrichtlinien „Extremwetterfolgen“, mit der private Waldbesitzer finanziell Unterstützung werden könnten. „Diese richten sich in erster Linie an jene, deren Bestände von Dürre oder Borkenkäferbefall betroffen sind“, sagt Matthias Kowalski, Sprecher des Ministeriums.
Gelder für private Waldbesitzer
„Die Richtlinien können jedoch auch von Waldbesitzerinnen und Waldbesitzern genutzt werden, deren Bestände vom Hochwasser betroffen sind.“ Hierbei gebe es Förderangebote zur Initialbegrünung und Wiederbewaldung. Hier seien Förderungen von 640 Euro bis zu 10.200 Euro pro Hektar möglich. Bewilligungsbehörde sind die Regionalforstämter des Landesbetriebs Wald und Holz NRW. „Die Kolleginnen und Kollegen in den Revieren beraten Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer zu bestehenden Förderangeboten.“
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Kahle Hänge
Zurück im Geländewagen bei Oliver Kahl, auf dem Weg durch Hohenlimburg. Das Thema Hochwasserschutz beschäftigt die Bürger, weiß er. Immer wieder werde er hierzu angesprochen, in Gesprächen mit Spaziergängern im Forst.
Trotz der Fördermittel und der Hilfen von der Stadt und vom Landesbetrieb Wald und Holz: Angesichts der Topographie, die es zu bändigen gilt, wirkt Oliver Kahl ein Stück weit hilflos. „Das Wasser kommt halt aus dem Hang, und die Hänge sind kahl, daran ist der Borkenkäfer schuld“, sagt er.
„Das haben wir uns nicht ausgesucht. Aber wenn diese Hänge nicht in Wiederbewaldung gebracht werden, dann hat man immer eine Gefahr.“
„Waldboden wirkt wie Schwamm“
„Wie effektiv Hochwasserschutz in den Wäldern sein kann, das hängt sehr von der Menge des Niederschlags ab“, erläutert Holger Schüttrumpf, Professor am Lehrstuhl und Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft an der RWTH Aachen. Er gehört zu dem Projekt „Kahr“ im Rheinland, das den Wiederaufbau nach der Flut 2021 wissenschaftlich begleitet.
Möglichkeiten begrenzt
Grundsätzlich könne Waldboden sehr gut Wasser aufnehmen, sagt Schüttrumpf. „Bei extremen oder extremsten Hochwasserereignissen sind die Böden allerdings häufig gesättigt“, zieht er den Vergleich mit einem Schwamm. „Der ist effektiv, wenn er leer ist. Aber wenn ein Schwamm voll mit Wasser ist, dann kann er nicht mehr aufnehmen – und diese Situation haben wir bei extremen Hochwasserereignissen wie im Jahr 2021.“
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Ansetzen könne man auch bei Abfuhrwegen, über die das Wasser die Täler im Wald hinunter fließt. Allerdings bleiben die Möglichkeiten begrenzt. Das gesamte Wasser lasse sich nicht stoppen. „Je größer das Hochwasserereignis, umso begrenzter sind die Möglichkeiten, die wir haben.“ Optimal sei eine Kombination aus natürlichem Hochwasserrückhalt (etwa über Aufforstung) und technischem Rückhalt, wie ihn ein Rückhaltebecken im Tal schaffen könnte.