Nahmer. In einem Pilotprojekt soll ein Waldstück bei Hohenlimburg per Drohne aufgeforstet werden. Kann das gelingen?

Niemand weiß, ob dieses Experiment gelingt. Aber irgendwas wollen sie tun, um diesen Flecken tote Erde an einem Waldhang im Nahmertal wieder mit blühenden Bäumen zu beleben. Und so startete dort nun eine der größten zivilen Drohnen, die in Deutschland so fliegen, um neue Baumsamen zu verstreuen. Die Hoffnung ist groß, dass hier der Durchbruch gelingt für ein Problem, vor dem Waldbesitzer im ganzen Land stehen.

Völlig tot: Auf diesem Südhang im Nahmer Wald bei Hohenlimburg wächst seit Jahren kein Baum mehr. Nun soll moderne Technik helfen.
Völlig tot: Auf diesem Südhang im Nahmer Wald bei Hohenlimburg wächst seit Jahren kein Baum mehr. Nun soll moderne Technik helfen. © Marcel Krombusch

Tote Waldfläche im Nahmertal

Ein lautes Surren hallt über die Hänge, als das wuchtige Gefährt in die Höhe steigt. Rund 80 Kilo schwer, knapp drei Meter Spannweite. Ein kleiner Hubschrauber, wenn man so will, und das völlig autonom. Drohnenpilot Jens Weber steuert vom Boden aus per App, doch die Flugroute hat er vorher programmiert. Aufsteigen, Samen über das Feld streuen, zurückfliegen, Landen, leere Akkus austauschen und neue Samen nachladen. So der Ablauf, der sich über Stunden immer wiederholt, bis die rund acht Fußballfelder große Waldfläche komplett mit jungen Samen bestreut ist.

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Saatgut verstreut

Rund 17 Säcke Saatgut verstreut die Drohne, mehrere hundert Kilo kommen da zusammen. Akustische Infos zu ihrem Flug quiekt die Drohne zwischendurch per App – auf chinesisch. Denn die Drohne kommt vom Hersteller XAG aus China (rund 25.000 Euro Listenpreis mit Zubehör). Dieser bezeichnet sich als größter Anbieter von Agrardrohnen weltweit.

Hilft Hightech aus dem Reich der Mitte gegen das Waldsterben?

Eine Riesen-Drohne (80 Kilo schwer, rund drei Meter Spannweite) streut Baumsamen auf die tote Erde.
Eine Riesen-Drohne (80 Kilo schwer, rund drei Meter Spannweite) streut Baumsamen auf die tote Erde. © Marcel Krombusch

Die Initiatoren des Projektes hoffen es zumindest, denn die Lage ist ernst: Vertrocknete Zweige knacken unter den Füßen von Oliver Kahl, als er über den Rand des Steilhanges im Nahmertal geht. Der Förster betreut die Wälder des Fürstenhauses zu Bentheim-Tecklenburg um Hohenlimburg und Iserlohn. Dabei sieht er sich mit großen kargen Stellen konfrontiert.

Doch eine Fläche wie hier, im Schatten der Windräder bei Veserde, hat er noch nie gesehen: Wo von Kaisers Zeiten an die Fichten gen Himmel ragten, blüht seit fünf Jahren gar nichts mehr. Erst der Borkenkäfer, dann die Trockenheit haben diese acht Fußballfelder große Fläche komplett rasiert.

Flächen ausgetrocknet

Die Sonne, die im Sommer prall auf den Südhang scheint, hat den einst nährstoffreichen Boden völlig ausgetrocknet. „Das ist für mich Neuland“, sagt Oliver Kahl. „Es wächst nichts.“ Wer dieses tote Stück Land aufforsten will, sieht sich mit weiteren Problemen konfrontiert, wie etwa der Lage. Schließlich ist der Hang so steil, dass Waldarbeiter hier kaum neue Samen setzen können. Auch schweres Gerät kam an seine Grenzen: „Wir hatten eine Raupe geordert. Die sind aber direkt wieder abgereist, es war ihnen zu steil.“

Der Südhang im Nahmerwald ist seit Jahren tot: Eine Drohne streut nun neue Samen. So sol die Fläche wieder aufgeforstet werden.
Der Südhang im Nahmerwald ist seit Jahren tot: Eine Drohne streut nun neue Samen. So sol die Fläche wieder aufgeforstet werden. © Marcel Krombusch

Anders mehrere Firmen aus der Region, die sich im Aufforsten aus der Luft, per Drohne, eine Lösung erhoffen – und darin auch einen lukrativen Geschäftszweig der Zukunft sehen. Bei „GreenAgain“ und „Feldsaaten Freudenberger“ beschäftigt man sich seit zwei Jahren mit dem Thema.

Angesichts des schwierigen Terrains reizte in Hohenlimburg auch die sportliche Herausforderung. Da der Boden keine Nährstoffe hat, seien die Ansprüche an Saatgut umso höher. „Das ist für uns ein interessantes Projekt“, sagen Benedikt Blumenraht und Martin Meyer, Feldsaaten Freudenberger. „Wir begleiten es, weil wir wissen wollen, welche unserer ausgewählten Pflanzen hier Potenzial haben und es schaffen, an diesem Südhang zu wachsen, wo alles verbrennt.“

Im Idealfall wachsen dort, wo die Samen nun liegen, in ein paar Jahren Sandbirke und Waldkiefer in die Höhe.

Aus diesem Saatgut sollen Sandbirke und Waldkiefer sprießen – so die Hoffnung der Initiatoren. In Ladungen à 40 Kilo streut die Drohne das Saatgut über die tote Erde an dem Südhang im Nahmerwald.
Aus diesem Saatgut sollen Sandbirke und Waldkiefer sprießen – so die Hoffnung der Initiatoren. In Ladungen à 40 Kilo streut die Drohne das Saatgut über die tote Erde an dem Südhang im Nahmerwald. © Marcel Krombusch

Mehrere Testprojekte

Ein paar Tage zuvor war die Drohne bereits über das Feld geflogen, um Kalk auszustreuen. Durch die Kalkdüngung soll der Boden gelockert und die neuen Samen besser mit Nährstoffen versorgt werden. Das alles ist ein Experiment. Auch für Jürgen Riedel und Tobias Hobert von „GreenAgain“. Die Firma aus Brilon hat derzeit mehrere Testprojekte, bei denen sie die Aufforstung per Drohne erproben, darunter etwa im Balver Wald. Der Waldhang in der Nahmer: für die Briloner angesichts des toten Bodens eine „Extremsituation“. „Hier geht es erstmal darum, überhaupt wieder grün auf die Hänge zu bringen – und das ist ein großes Problem“, sagt Tobias Hobert von GreenAgain.

Die Unternehmen eint, dass sie dabei sein wollen, sollte das gelingen. “Wenn es Erfolg hat und wir die Kultur finden, mit der wir hier erfolgreich Wald wieder etablieren und begrünen können, dann gibt das langfristig eine gute Partnerschaft“, hofft Benedikt Blumenraht, Feldsaaten Freudenberger, auf einen Erfolg.

Gruppenbild für das Pionierprojekt: Beteiligt sind Tobias Hobert und Jürgen Riedel von der Firma
Gruppenbild für das Pionierprojekt: Beteiligt sind Tobias Hobert und Jürgen Riedel von der Firma "Greenagain" sowie Benedikt Blumenraht und Martin Meyer von Feldsaaten Freudenberger und Drohnenpilot Jens Weber. Oliver Kahl vom Forstbetrieb Dreps und Katrin Fieseler vom Fürstlichen Forstamt hoffen auf einen Erfolg. © Marcel Krombusch

Samen mit Granulat umhüllt

Damit die von der Drohne ausgestreuten Samen nicht vom Wind verweht werden, sind sie mit speziellem Granulat beschwert. Dazu wird Klee ausgestreut. Er soll schnell wachsen und mit seinem Blätterschirm einen Sonnenschutz für die jungen Baumsamen bilden. Außerdem soll Wild, das an dem Hang nach Futter sucht, dieses eher im Klee finden, als in den jungen Samen. Auch Duft wird eingesetzt, um Wild von dem Feld und damit auch den kostbaren Samen fernzuhalten.

Schutzlos bei Starkregen

Förster Oliver Kahl beobachtet den Flug der Drohne genau. Er will mit diesem Projekt auch eine Botschaft senden: Denn das Nahmertal wurde von der Jahrhundertflut im Sommer 2021 besonders hart getroffen, reißende Ströme flossen hinab ins Tal. Die kahlen Hänge können bei künftigen Starkregen erneut zur Gefahr werden. Der Ruf nach schneller Aufforstung ist laut. „Wir tun ja was“, sagt Kahl, „nur wenn ich vor so einem Feld stehe, dann muss ich lange überlegen, wie man hier wieder Bäume hinbekommt.“

Prinzip Hoffnung

Ein paar Stunden war die Drohne in der Luft, bis das Saatgut verstreut war. So innovativ die Aussaat aus der Luft auch sein mag: Ob das Verfahren wirklich hilft, um die tote Erde an dem Hang in der Nahmer neu zu beleben, ist ungewiss. „Es ist ein Versuch“, weiß Kahl. Er wird die Fläche nun im Blick behalten. Fest steht, dass es auch im Erfolgsfall noch Jahre dauern wird, bis aus den Samen neue Bäume gewachsen sind.

Fördermittel für Projekt

Rund 1600 bis 1800 Euro pro Hektar kostet die Aussaat per Drohne. Dank Fördermitteln zur Wiederbewaldung werden solche innovativen Ansätze für Waldbesitzer interessant. Das Pilotprojekt in der Nahmer wird aus Fördermitteln und Eigenmitteln des Fürstenhauses zu Bentheim-Tecklenburg als Waldbesitzer finanziert.

Ideen aus Notlage heraus

Aktuell bieten mehrere Firmen auf dem deutschen Markt das Aufforstung per Drohne an. Ob es als Mittel gegen das Waldsterben hilft, ist noch unklar. Studien zu Erfolg oder Misserfolg der Technik fehlen. „Angesichts der aktuellen Notlage sind viele innovative Ideen entstanden“, sagt Nicole Fiegler, Sprecherin Wald und Holz NRW. „Bestenfalls wissen wir in fünf bis zehn Jahren, was sich aus solchen Ideen entwickelt hat.“ Gerade für schwer zugängliches Gelände erweise sich die Aussaat per Drohne aber als vielversprechend.

Daneben liefen etwa auch Modellprojekte, bei denen Saatgut per Feuerwehrschlauch auf die Felder gesprüht wird.