Hohenlimburg. Ein 26-jähriger Unternehmensberater aus Hagen fürchtet, Mittelständler könnten das Rennen um Fachkräfte von Morgen verlieren. Wie ernst ist das?
„Nenn mich bitte nicht Guru“, sagt Marcel Eberhardt im Gespräch mit dem Reporter. Doch wer dem 26-Jährigen zuhört, dem begegnet eben ein Sprech, der sehr an Coaches und Gurus erinnert, die Unternehmen auf ihrem erfolgreichen Weg in die Zukunft begleiten wollen. Marcel Eberhardt geht dabei gleich noch einen Schritt weiter: Er will den eingesessenen Mittelstand aufrütteln. Angesprochene Unternehmen geben sich gelassen:
Wandel der Arbeitswelt
„Der Wandel in der Arbeitswelt hat begonnen, und jedes Unternehmen, das das versteht, stellt sich neu auf“, sagt Eberhardt. Wer es nicht schafft, sich als attraktiver und guter Arbeitgeber aufzustellen, der werde in den nächsten Jahren „wegselektiert“, so prophezeit es der Hohenlimburger. Es geht um ein Rennen, in dem Unternehmen weit über den Hagener Kosmos hinaus stecken. Ein Rennen um die Fach- und Führungskräfte von morgen, die besten und klügsten Köpfe der Zukunft.
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Rennen um Fachkräfte
„Unternehmen wie zum Beispiel Waelzholz und Bilstein sehen die Veränderung. Sie haben schon Schwierigkeiten, die Leute zu kriegen, aber noch nicht in dem Maße, in dem sie es als bedrohlich erachten“, sagt Erhardt. „Da werden wir in drei bis fünf Jahren aber hinkommen, und dann ist die Frage: Ist es zu spät oder schafft man es noch, den Veränderungsprozess zu gehen?“
Markige Worte und Prognosen, die in einer Zeit, in dem nahezu jede Branche über fehlendes qualifiziertes Personal klagt, auf offene Ohren stoßen dürfte. Wie will er die Probleme lösen?
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Unternehmensberatung gegründet
Marcel Eberhardt setzt mit seiner Unternehmensberatung „Straling“ an. Der Anspruch: „Ich möchte mein Unternehmen zum besten Arbeitgeber der Welt entwickeln und bei den Leuten das Gefühl auslösen, dass sie unbedingt bei uns arbeiten wollen.“ Oder kürzer: Er will Unternehmen helfen, „geiler zu sein als Apple“.
„Geiler sein als Apple“
Apple – der Tech-Giganten aus Amerika, der von Unternehmensberatungen als wertvollster Konzern der Welt gelistet wird. Von dem Konzern ist es nicht weit zu der Szene, in der sich der Hohenlimburger bewegt und die ihn seit Jahren beflügelt: der Startup-Szene im Silicon Valley.
Als Schüler hat Marcel Eberhardt in der zehnten Klasse mit Klassenkollegen eine Schul-App programmiert. Später hat er Websites entwickelt, digitale Designs entworfen. Er studierte Betriebswirtschaftslehre in Bochum, arbeitete bei verschiedenen Unternehmensberatungen und half „ein paar Startups, „ihre ,Brand’ aufzubauen.“
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Marken aufbauen
Mit „Brand“ ist die Marke gemeint. Dass zur Startup-Szene ein von Anglizismen durchzogener Sprech gehört, ist bekannt. Neue Begriffe stehen immer für Wandel und Veränderung – und englische Wörter hören sich auch manchmal cooler an, als sie wirklich sind, das räumt Eberhardt ein. Doch im Kern stecken da oft Themen hinter, die für die junge Generationen enorm wichtig sind, sagt er. Wie bei der Unternehmenskultur, weil es da auch um „purpose“ gehe.
Wieder englisch. Mit „purpose“ ist grob gesagt ein höherer Sinn gemeint, der hinter der Arbeit steckt. Bis Eberhardt selbst den Weg hin zu der Arbeit gefunden hat, die ihn erfüllt, brauchte es einen Impuls.
Leistungssportler im Judo
Er war früher Leistungssportler im Judo, fand sich nach einer Verletzung ausgebremst wieder: „Vom Judo an sieben Tagen die Woche hin zu gar kein Judo mehr in der Woche.“ Über ein Youtube-Video sei er auf die Startup-Szene aufmerksam geworden. Es lockte das schnelle Geld. „Ich dachte damals, da wird man mit 16 Jahren innerhalb von zwei Wochen zum Multimillionär“, sagt Eberhardt und lacht.
Naive Spinnerei, wie er bald feststellte, als die Millionen eben nicht auf dem Konto landeten. Dafür erlebte er in der Szene das, was ihm im klassischen Ausbildungsweg fehlte: die Freiheit, sich auszuprobieren und auch mal unkonventionell zu denken. „Ich habe schnell erkannt, dass ich Verantwortung will. Nicht der Position, sondern der Freiheit wegen. Ich liebe es, ein weißes Papier vor mir zu haben und zu sagen, in welche Richtung es gehen kann und wo der kluge Weg liegt.“
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Kaum Rückhalt in Hagen
Eine Attitüde, mit der er sich in seiner Heimat als Außenseiter wahrnimmt. Rund zwölf Kunden betreue er aktuell mit seiner Unternehmensberatung Straling, die meisten aus Berlin und München, sagt er. Nicht eines dieser Unternehmen kommt aus dem Hagener Stadtgebiet. Die digitale Mentalität, die Offenheit gegenüber kreativen Denkern der Startup-Szene – hier finde er damit wenig Anklang.
Im Hagener Unternehmerrat setzt er sich für ein Umdenken ein, gibt sich aber resigniert: „In München hatte ich am ersten Tag einen Kunden. Er fand es gut, was ich gesagt habe, und wollte es einfach mal ausprobieren. Diese Mentalität würdest du hier nie haben.“
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Mit Mitstreitern bemühe er sich, einen Anlaufpunkt für Startups in der Hagener Innenstadt zu realisieren. Jedoch sei es schwierig, überhaupt die Startups zu finden, die sich dort ansiedeln wollten. Schnell werde sich hier wenig ändern. „Wenn ich ehrlich bin, will ich etwas verändern für die Leute, die nach mir kommen.“
Doch was macht ihn so sicher, dass er den Schlüssel für erfolgreiche Unternehmen der Zukunft hat? Ist das Gerede von dem Verschwinden der Unternehmen, die sich dem Wandel der Arbeitswelt nicht anpassen, nicht mehr als Marketing, um seine Beratung als besten Ausweg anzupreisen?
„Ob ich den richtigen Weg habe, das kann jedes Unternehmen für sich entscheiden“, sagt Eberhardt, „aber was merken wir? Es gibt ganz viele Unternehmen, die sehr große Schwierigkeiten haben, gute Leute zu finden. Es geht manchmal gar nicht darum, Leute zu finden, sondern gute Leute.“
Unternehmen optimistisch
Wie gut sind hiesige Unternehmen im Rennen um Fachkräfte von Morgen aufgestellt? „Die Zeiten, als die Bewerbungen in Wäschekörben reinkamen, sind leider vorbei“, sagt Marco Luciani, Ausbildungsleiter bei C.D. Waelzholz. „Es wird schwieriger, die Ausbildungsplätze zu füllen, aber auch dieses Jahr haben wir alle Plätze besetzen können.“
Alle Ausbildungsplätze besetzt
Er sieht Waelzholz gut für die nächsten Jahre gewappnet. „Den jungen Menschen heute ist ein freundliches Arbeitsklima wichtig“, sagt er. „Früher waren die Schüler nach dem Praktikum von der Arbeit begeistert, mittlerweile sind sie davon begeistert, dass wir sie nett und gut behandeln.“ Das Unternehmen passe sich den Bedürfnissen der jungen Generation an – und bekomme genug Nachwuchs.
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Soziale Medien nutzen
Auch Bilstein gibt auf Anfrage an, man habe keine Probleme, Azubis zu finden. „Uns ist es wichtig, nachhaltig und technisch innovativ zu sein, wie auch Arbeitsbedingungen und Rekrutierungsmethoden beständig zu modernisieren“, so Tina Prinz, Bilstein-Sprecherin. Kultur und Atmosphäre könnten nicht von der Führung vorgegeben werden, sondern würden von allen Beschäftigten gestaltet, so dass es darauf ankommt, hier alle mit einzubeziehen. Social Media nehme beim Werben um Nachwuchskräfte eine größere Rolle ein.
„Dieser Trend hält bereits seit Jahren an und wird von der Bilstein Group genutzt. Aber auch hier werden wir die Möglichkeiten noch weiter ausbauen.“