Hagen. Pfarrer Martin Wehn geht nach zwölf Jahren an der Spitze der Diakonie Mark-Ruhr in den Ruhestand. Wie er auf diese Zeit blickt.

Es ist ein Ort, an dem man spüren kann, worauf es im Kern ankommt: Menschen so zu nehmen, wie sie sind, gastfreundlich zu sein, ihnen Würde und eine Mahlzeit zu geben, ihnen zuzuhören. Es kommen Menschen, mit denen es das Leben nicht immer gut gemeint hat. Und so wird dieser Ort mitten in Hagen gleich mehrfach in der Woche zu einem, an dem der liebe Gott nicht fern ist.

Martin Wehn, von Hause aus Pfarrer, hat diesen Ort gewählt. Er, der theologische Geschäftsführer der Diakonie Mark-Ruhr, sitzt hinten an einem Tisch in Luthers Waschsalon und nimmt einen Schluck Kaffee aus der Tasse. „Ich bin in der Diakonie, weil es um Menschen geht“, beschreibt er einen Antrieb, den er mit vielen seiner mittlerweile 3500 Kollegen in mehr als 15 Tochter-Unternehmen teilen mag und blickt in einen Gastraum, der an diesem Morgen ausgesprochen gut gefüllt ist.

Der Arbeitsplatz im Wichernhaus

Sein eigentlicher Arbeitsplatz liegt nur einen Steinwurf von der Einrichtung, in der es um die Grundbedürfnisse der Menschen geht, entfernt. Es ist ein Büro im Wichernhaus. „Ein letztes Foto am Schreibtisch – das hätte nicht gepasst“, sagt Martin Wehn, der Ende August mit 65 Jahren offiziell in den Ruhestand geht. Und Ilona Ladwig-Henning, die Leiterin von Luthers Waschsalon, nickt.

Wehn ist regelmäßig hier. Wenn auch in größeren Abständen – wie er einräumt. „Als ich als junger Pfarrer gestartet bin, ging es mir doch vor allem um die pragmatischen Dinge“, sagt er. Die stehen in Luthers Waschsalon an jedem Öffnungstag im Fokus.

Pfarrer in Hohenlimburg

Wehn, der in Wuppertal und Tübingen Theologie studiert hat, begann 1984 als Vikar in Nachrodt-Obstfeld. Zwei Jahre später wurde er Jugendpfarrer im Kirchenkreis Iserlohn, 2000 Pfarrer der Evangelisch Reformierten Kirchengemeinde Hohenlimburg. Ein Grenzgänger zwischen Hagen und dem Märkischen Kreis ist jener Mann, der in Letmathe lebt. Vielleicht hat sie deshalb gepasst, die Stelle an der Spitze des Wohlfahrtsverbands, der durch die Fusion im Jahr 2011, an der die Kirchenkreise Hagen, Hattingen, Witten, Iserlohn und Schwelm beteiligt waren, noch einmal gewachsen ist.

Martin Wehn ist Geschäftsführer der Diakonie - er geht Ende August in den Ruhestand.
Martin Wehn ist Geschäftsführer der Diakonie - er geht Ende August in den Ruhestand. © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing

„Die Fusion, das Zusammenwachsen, ist ja seinerzeit von außen durchaus kritisch beäugt worden“, sagt Martin Wehn, „dadurch sind wir zu einem der fünf größten regionalen Diakonischen Werk in Rheinland, Westfalen und Lippe geworden. Aber wir sind trotz unserer Größe in der Region mit ihren vier Kirchenkreisen verwurzelt.“

Team in der Verantwortung

Für Wehn selbst war das ein Schritt – raus aus der Gemeinde, hin zunächst als Vorstand zum Diakonischen Werk Iserlohn, später dann zur Diakonie Mark-Ruhr. „Man hat viel mehr mit organisatorischen Dingen zu tun“, beschreibt Wehn, der gemeinsam mit dem kaufmännischen Geschäftsführer Volker Holländer an der Spitze steht. „Aber wir sind ein Team von zwölf Menschen, die immer wieder zusammenkommen. Führungsverantwortung wird geteilt. Es ist nicht unsere Idee, von oben an den Experten vorbei in die Fachgebiete hinein zu regieren.“

Die Aufhebung der kirchlichen Zugehörigkeit für Mitarbeiter vor rund zehn Jahren war eine der Ideen, die die Diakonie angegangen ist. „Wir sind heute ein Team, das aus Menschen mehr als 70 verschiedener Nationalitäten und aller möglichen Glaubensrichtungen besteht. Darunter sind auch Menschen, die keiner Konfession angehören. Alle, die sagen, eure Arbeit finden wir gut, sind erst einmal willkommen“, sagt Wehn und blickt auf eine Zeit, in der es für Arbeitgeber immer wichtiger wird, sich zu platzieren. „Ich hätte es vor 15 Jahren nicht für möglich gehalten, dass uns der Fachkräftemangel einmal so beschäftigt.“

Für ein soziales Pflichtjahr

Ein Mangel, der auch damit zu tun habe, dass es keinen Zivildienst mehr gibt. „Auf diesem Weg haben gerade Männer in soziale Berufe hineingeschnuppert und sind geblieben“, sagt Wehn, „von daher unterstütze ich in der Diskussion um eine soziales Pflichtjahr den Vorschlag des Bundespräsidenten.“ Und weiter: „Gerade der Blick auf die Pflege bereitet mir große Sorgen. Was passiert mit Menschen, die im Alter niemanden haben, der sich kümmert? Das ist auf dem Feld der Sozial- und Gesundheitspolitik eine tickende Zeitbombe.

Positiv hebt Martin Wehn die Zusammenarbeit hervor – mit der Stadt Hagen, mit dem Jobcenter und mit den anderen Wohlfahrtsverbänden. „Das hat sich besonders in Krisen erwiesen“, sagt der scheidende Diakonie-Geschäftsführer und blickt auf Flüchtlingswellen, Corona und Jahrhundertflut. „Bei der Flut sind wir zum Beispiel mit dem Arztmobil schon am Tag nach der Flut ins Volmetal und nach Hohenlimburg gefahren. Bei der Hochwasserhilfe arbeiten Kommunen und verschiedene Wohlfahrtsverbände eng zusammen.“

Zwischen Rad, Segelboot und Garten

Daneben kommt es ihm darauf an, der freien Wohlfahrtspflege Gehör zu verschaffen. „Es gibt einen Trend, immer mehr in kommunale Hand zu verlagern“, sagt Martin Wehn, „ich will da keinem Mitarbeiter zu nahe treten – aber Jobcenter und Stadt sind Behörden. Die Wahl zu haben, an wen man sich wendet, wenn man in einer bestimmten Situation Hilfe braucht – das ist ein wichtiger Teil der Demokratie.“

Sich für Menschen in Hagen und Umgebung einzusetzen – auch das wird ab Ende August eine der Aufgaben von Wehn-Nachfolger Matthias Börner, einem Geistlichen aus Wuppertal, sein. Und der Rentner Wehn? „Ich fahre gern Rad, ich segele gern, ich muss mich um unseren neuen Garten kümmern, ich überlege, ein Seniorenstudium aufzunehmen“, sagt Wehn. „Und ich kann mir vorstellen, mich beim Bürgerbus einzubringen.“ Bei einer Organisation, bei der es um Menschen geht.