Hagen-Mitte. Wer in diese Dusche muss, steht am Rande der Hagener Gesellschaft. Ein Test, der zeigt, worum es in „Luthers Waschsalon“ geht. Um Menschenwürde.
Zuhause – das ist schon ein paar Jahre her –, da hatten wir unsere Dusche durchdacht. Bodentief sollte sie werden. Da ging es darum, welche Fliesen verwendet werden, welchen „Regenfallkopf“ die Dusche kriegt und ob da eine Sitzbank reingemauert wird oder nicht. Wenn ich hier so stehe, in dieser vielleicht bemerkenswertesten Dusche der Stadt, dann ist mir das in diesem Moment sehr unangenehm. Nicht, weil ich selbst ein Bad wie ein römischer Kaiser hätte, sondern weil jene, die in diese Dusche steigen, gar nichts haben. Für sie ist das hier alles. Im Rahmen unserer diesjährigen Weihnachtsspenden-Aktion habe ich eine Dusche in Luthers Waschsalon genommen. Es geht dabei nicht nur um Wasser, Duschgel und saubere Füße. Es geht um Menschenwürde.
Ich nenne ihn Hans. So gute fünf Minuten vor mir ist er mit seinen Sachen aus dem Duschraum gekommen. „Moin“, hatte er gesagt. Mehr nicht. Er hatte sich seine Kappe aufgezogen, seine benutzten Handtücher bei Dieter in der Wäschekammer abgegeben und war vorne im Aufenthaltsraum bei den anderen Bedürftigen verschwunden. Er hat weder sich noch mich gefragt, was ich denn eigentlich in dieser Dusche will. Einfach nur „Moin“. Da war er fertig.
Wäre ich so bedürftig wie Hans, wäre ich wohnungslos oder mein Einkommen viel zu niedrig oder würde ich in Grundsicherung stecken oder meine Rente einfach nicht zum (Über)Leben reichen, dann wäre diese Dusche mein Seelenheil. So wie für Hans. Der Ort, an dem man zweimal in der Woche die Unreinlichkeiten des Alltags an sich beseitigen kann. (Lesen Sie auch: Luthers Waschsalon in Hagen – Sein Gesicht kennt hier jeder)
Achtung vor sich selbst
Ein Grundbedürfnis. Nicht nur eine Frage von Würde, sondern auch von Achtung sich selbst gegenüber. Von äußerlichem Wohlbefinden, das auf das innere wirkt. Es mag so normal sein für viele, die morgens in die Dusche steigen, vielleicht das Unterputz-Radio anstellen, hinterher noch Bodylotion auftragen oder sich unter dem warmen Wasserstrahl mit noch müden Augen die Zähne putzen. Für Hans und all die anderen nicht.
Mir ist das hier wichtig. Nicht für mich. Ehrlich gesagt: Es gibt Test-Situationen, in denen ich mich wohler fühle. Aber hier geht es um die Sache und die vielen Menschen, die nicht anders können als herkommen zu müssen.
++++ WP-Weihnachtsaktion für Luthers Waschsalon: Auktion in Hagen erlöst 15.005 Euro +++
Schon etwas mehr als 76.000 Euro haben unsere Leser in diesem Jahr für Luthers Waschsalon gespendet. Ich finde das beeindruckend. Ich finde das den größten Schulterklopfer für die 13 Ehrenamtlichen, die unter der Leitung von Ilona Ladwig-Henning hier Dienst am Menschen tun. Für Dieter, der 50 Maschinen Wäsche die Woche durch die Trommeln jagt. Für die Kaffee-Ausschenker, die Kleidungssortierer, die Zuhörer.
Wenn man in der Mitte der Gesellschaft unterwegs ist, manche vielleicht sogar in ihren höheren Sphären, dann wird man Luthers Waschsalon noch nie betreten haben. Folglich wird man sich auch kein Bild davon machen können, was für Menschen sich unter diese Dusche stellen, die mich gerade beprasselt. Das sind nicht ausschließlich Obdachlose, schon gar nicht nur Menschen, die sich viele in einer Art Zerrbild mit zerrissenen Klamotten, ungepflegt und mit einer Art Landstreicher-Bild vorstellen.
Armut trifft hier jene, die mal dachten, dass sie im Alter nicht arm sein würden. Rentner, für die die Rente nicht reicht und denen die Energiepreis-Explosion den letzten Cent raubt. Auch sie steigen in diese Dusche, bringen ihre Wäsche her, nutzen den Service einer allgemeinmedizinischen Untersuchung oder des Zahnarztes der regelmäßig kommt.
Alles, wirklich nahezu alles hier, ist spendenfinanziert, wenn gleich der Waschsalon unter Trägerschaft der Diakonie steht. Von den Weihnachtstütchen, die ausgeteilt werden bis zum Duschgel, das sie mir in die Hand gedrückt haben. Und deshalb ist jeder Euro so wertvoll, den jene, die nicht hier duschen kommen müssen, über haben oder spenden möchten.
Die Dusche macht mir klar: Der Rand der Gesellschaft kann so nah sein. Zwischen Klarkommen und Armut liegt oft nicht viel. Gut, dass es den Waschsalon gibt.