Hagen. Zu Pfingsten sprechen Dechant und Superintendent über das Fest, dessen Bedeutung und die Herausforderungen der Kirche in Hagen.

Auf der Liste der Feiertage, deren Bedeutung nur wenige Menschen kennen, nimmt Pfingsten vermutlich einen Spitzenplatz ein. Superintendent Hennig Waskönig und Dechant Dieter Aufenanger aus Hagen sprechen über das kirchliche Fest.

Pfingsten gilt auch als „Geburtstag der Kirche“. Was heißt das? Und was heißt es in der heutigen Zeit?

Aufenanger: An Pfingsten wird die Zusage Jesu „Ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20b) Wirklichkeit durch die Sendung des Hl. Geistes. Und die Kirche hat den Auftrag, das Evangelium weiterhin zu verkünden und mit allen Menschen zu leben. Das Pfingstfest als Geburtstagsfest erinnert uns, diesen Auftrag zu feiern und gibt uns Mut, heute in dieser Welt mehr denn je die Frohe Botschaft weiterzusagen und mit allen zu leben.

Waskönig: An Pfingsten feiert die Kirche nicht sich selbst. Sie feiert Gottes verbindende Kraft, den Heiligen Geist. Wie passend, dass an diesem Festtag häufig ökumenische Gottesdienste gefeiert werden. Gottes Geist verbindet Menschen – über Grenzen hinweg. Und es wird reichlich getauft an Pfingsten. Wie wunderbar! Denn so zeigt sich: Gottes Geist stärkt die Verbindungen zum Himmel.

Die biblische Pfingstgeschichte erzählt von der Wirkkraft des Heiligen Geistes. Sie wird als gewaltiges Brausen beschrieben. Ist hieraus inzwischen nicht eher ein laues Lüftchen geworden?

Aufenanger: Lässt sich von einem „lauen Lüftchen“ reden, wenn sich Menschen zum Beispiel im Sinne der „Bewahrung der Schöpfung“ im Umweltschutz engagieren? Lässt sich von einem „lauen Lüftchen“ reden, wenn Menschen um des Evangeliums willen heute eingesperrt, gefoltert und getötet werden?! Weil sie sich lautstark und mutig für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen? Hier bei uns in Deutschland und Europa wünschte ich mir manchmal ein noch viel deutlicheres Wort von Bischöfen und anderen Verantwortungsträgern zu sozialen, gesellschaftlichen und politischen Themen. Christ-Sein heißt eben im Geist Jesu Christi zu handeln und auch in dieser Gesellschaft sich einzubringen.

Waskönig: Mir ist an dieser Stelle noch eine andere Perspektive wichtig. Tatsächlich kommt der Heilige Geist in der Pfingstgeschichte mit ordentlich Wums daher. An anderer Stelle der Bibel machen Menschen allerdings mit Gottes Gegenwart auch andere Erfahrungen. Der Prophet Elia zum Beispiel steht am Berg Horeb und erlebt Gottes Vorübergehen als stilles, sanftes Sausen. Die Erfahrungen mit Gottes Gegenwart sind sehr unterschiedlich: mal eher ein gewaltiges Brausen, mal eher ein leises, laues Lüftchen. Das war damals so und ist heute vermutlich nicht anders. Spannend finde ich daher, was aus einer solchen Begegnung folgt. In der Pfingstgeschichte bleiben die Menschen verstört stehen und fragen sich verwundert: Wieso verstehen wir einander gerade? Was soll hieraus werden? Das ist ein besonders heilvoller Moment: Ihr Leben wird unterbrochen und es zeigen sich Möglichkeiten und Dimensionen des Miteinanders, die zuvor nicht im Blick gewesen sind. Solche Unterbrechungen gibt es auch heute. Doch wir Menschen müssten bereit sein, sie als solche zu erkennen.

Sprache spielt in der Pfingsterzählung eine entscheidende Rolle. Sie verbindet die Menschen untereinander. Wie kann es in einer Stadt, in der viele Nationalitäten miteinander leben, gelingen, Verbindungen zu den Menschen zu schaffen und zu stärken? Spricht Kirche da die richtige Sprache?

Waskönig: Ich muss bei dieser Frage an eine neue Bibelausgabe denken. Sie heißt „Alle Kinder Bibel. Unsere Geschichten mit Gott“ und ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie es gelingen kann, biblische Geschichten rassismus- und diversitätssensibel zu erzählen. Bereits auf dem Umschlagbild wird sichtbar, wie vielfältig, bunt und verschieden wir Menschenkinder sind. Und diese Vielgestaltigkeit setzt sich im Innern, in der Erzählung der einzelnen biblischen Geschichten fort. Ich würde mich freuen, wenn diese Bibel an vielen Stellen in Hagen zum Einsatz kommt. Denn hier findet sich eine Sprache, mit Worten und in Bildern, die Verbindungen stärken und den Zusammenhalt zwischen Menschen verschiedenster Nationalitäten fördern kann.

Aufenanger: Die Kirche spricht dann die richtige Sprache, wenn sie vom Gegenüber verstanden wird. Manchmal drücken Taten viel deutlicher als Worte aus, was mit Pfingsten gemeint ist. Beispiele dafür sind neben vielen anderen die Arbeit der Caritas und der Diakonie. Erst vor zwei Jahren bei den großen Überschwemmungen hier in Hagen und anderswo haben wir uns in gelebter Nächstenliebe verständigt und miteinander gesprochen – egal, welche Sprache der in Not geratene Mensch gesprochen hat.

„Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.“ So heißt es am Ende der biblischen Pfingstgeschichte. Mit Blick auf Ihre beiden Kirchen: Was hat für Sie Bestand, was wird bleiben?

Aufenanger: Bestand hat in der Tat die „Lehre der Apostel“ und deren Zeugnis der Auferstehung. Diese Lehre muss jedoch immer auch wieder in die jeweilige Zeit hineingesprochen werden. Es bedarf dazu immer wieder neuer Formen, Worte und Möglichkeiten. Es ist wichtig und richtig, als Gemeinschaft das Leben miteinander zu teilen – Höhen und Tiefen, Lachen und Weinen.

Waskönig: Für mich kommt in der biblischen Aufzählung dem „Brotbrechen“ eine besondere Bedeutung zu. Ich bin überzeugt, dass wir als christliche Gemeinschaft, als Kirchen uns auch künftig durchs Teilen auszeichnen werden. Der Einsatz für andere wird ein wesentlicher Teil unserer Beständigkeit sein. Wir werden gebraucht. Und wir sind da – mit allem, was uns zur Verfügung steht..