Hagen. Pflegekräfte haben am Johannes-Hospital in Hagen einen Flyer einer Klinik aus Herdecke unterm Scheibenwischer gefunden. Die Hintergründe.

„Wer schleicht so spät durch Nacht und Wind, verteilt seine Flyer ganz geschwind? Sie klemmen sie sicher, aber nicht warm. Sogar unter des Geschäftsführers Scheibenwischer-Arm.“

Das Agaplesion Allgemeine Krankenhaus hat mit diesem Gedicht auf Facebook reagiert. Der Geschäftsführer der Katholischen Kliniken Hagen hat zum Telefonhörer gegriffen und sich mit den Kollegen des Gemeinschaftskrankenhauses Herdecke „ausgetauscht“. Die wiederum zeigen sich einsichtig. Es geht um einen dreist anmutenden Versuch, Mitarbeiter des Johannes-Hospitals in Boele abzuwerben.

Johannes-Hospital wird geschlossen

Die Klinik im Norden von Hagen wird im Laufe des nächsten Jahres geschlossen. Die Psychiatrie wird an das Zentrum für seelische Gesundheit in Elsey verlegt. Zahlreiche Abteilungen wandern ab an das Agaplesion Allgemeines Krankenhaus. Die Mitarbeiter des Johannes-Hospitals werden jeweils übernommen, müssen sich aber an einen neuen Arbeitsplatz gewöhnen.

Henning Eichhorst, Geschäftsführer der Katholischen Kliniken, hat mit seinem Kollegen in Herdecke telefoniert.
Henning Eichhorst, Geschäftsführer der Katholischen Kliniken, hat mit seinem Kollegen in Herdecke telefoniert. © WP | Michael Kleinrensing

Weil Pflegepersonal auf dem Markt begehrt ist und es an Fachkräften in diversen Kliniken mangelt, tritt nun das Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke auf den Plan: Zahlreiche Mitarbeiter des Johannes-Hospitals haben unter den Scheibenwischern ihrer vor der Klinik geparkten Autos jetzt Flugblätter gefunden. „Menschen zu helfen, ist Ihre Berufung? Bewerben Sie sich jetzt“, ist darauf zu lesen. Und weiter: „Werden Sie teil eines hochmotivierten Teams. Wir bieten ein wertschätzendes Arbeitsklima, flache Hierarchien und den Freiraum, sich weiterzuentwickeln. Wir suchen Intensivpflegerinnen.“ Unten auf dem Flyer findet sich das Logo des Gemeinschaftskrankenhauses Herdecke. Dazu gibt es einen QR-Code.

Abwerbung im Prozess der Umstrukturierung

Der Abwerbeversuch trifft die beiden Hagener Häuser zu Beginn des Umstrukturierungsprozesses. Denn noch sind die Mitarbeiter des Johannes-Hospitals bei der Katholischen Krankenhaus GmbH beschäftigt. Im Rahmen der Verhandlungen zur künftigen Kliniklandschaft in Hagen haben die KKH sowie Agaplesion vereinbart, dass sämtliche Mitarbeiter unter Wahrung ihres Tarifs und ihrer Rechte am neuen Standort weiterbeschäftigt werden. Bedenkt man die angespannte Personallage in den Kliniken und den Umfang der Neustrukturierungen, die mit einer auch baulichen Erweiterung am AKH verbunden sind, so ist der Erfolg des Projekts auch davon abhängig, dass möglichst viele KKH-Mitarbeiter das Agaplesion-Angebot auch annehmen.

„Dieses Vorgehen hat uns schon verwundert“, erklärt Christian Bers, Sprecher der katholischen Krankenhaus GmbH. Allerdings habe das Gemeinschaftskrankenhaus im Austausch versichert, dass es sich um ein Missverständnis gehandelt habe. „Ein bewusstes Abwerben von Mitarbeitern in dieser Situation haben sie nicht geplant. Wir haben das untereinander geklärt.“ Das AKH beschränkte sich auf den durchaus humorigen Post und verzichtete auf eine offizielle Stellungnahme.

Herdecker Klinikum rudert zurück

Immerhin: Das Gemeinschaftskrankenhaus ruderte zurück. „Dies war so von uns nicht vorgesehen und wir bedauern dieses Versehen“, so Sprecherin Vanessa Walter. „Unser Geschäftsführer Christian Klodwig hat dies auch in einem klärenden Gespräch mit Herrn Eichhorst telefonisch erörtert.“

Die Neustrukturierung der Klinik-Landschaft, die mit einer Schließung des Johannes-Hospitals ebenso verbunden ist wie mit Millionen-Investitionen am Allgemeinen Krankenhaus sowie am katholischen St.-Josefs-Hospital in Altenhagen hatte in den letzten Wochen für Schlagzeilen gesorgt. Die beiden Geschäftsführer Alex Hoppe (AKH) und Henning Eichhorst (KKH) hatten erklärt, mit dem Projekt eine hochwertige und wohnortnahe medizinische Versorgung in den nächsten Jahren sicherzustellen. Auch die Mitarbeitervertretung der KKH hatte die Neuaufstellung letztlich nicht in Frage gestellt.