Hagen. In Lüdenscheid wird darüber diskutiert, die Umleitung für die A 45 für Lkw zu sperren. Das hätte schlimme Folgen für Hagen und das Volmetal.
Vor genau einem Jahr hat sie sich für das Foto im Süden von Hagen ans Fenster gestellt, hat hinausgeblickt und wie auf Bestellung donnerte ein 40-Tonner durch das Bild. Dass man den Lastwagen auf dem Bild nicht hören, dafür aber sehen konnte sei geschenkt. Seither hat sich wenig verändert. „50 Lastwagen in 20 Minuten sind keine Seltenheit“, spricht Ursula Schäfer von Verhältnissen, wie man sie vielleicht von der A 44 im Ruhrgebiet gewohnt ist.
Ursula und Manfred Schäfer wohnen aber eher im Gegenteil vom Ruhrgebiet. Sie wohnen im beschaulichen Volmetal, durch das sich die Bundesstraße 54 schlängelt. Seit aber die Rahmedetalbrücke in Lüdenscheid marode und komplett gesperrt ist, ist es vor der Tür der Schäfers und vieler weiterer Anwohner in Rummenohl, Priorei und Dahl vorbei mit der Ruhe. Denn wenn – was täglich vorkommt – sich der Verkehr auf der offiziellen Umleitung zwischen den Abfahrten Lüdenscheid und Lüdenscheid-Nord staut, suchen Verkehrsteilnehmer nach Alternativen, nach schnelleren Wegen. Nun droht weiteres Ungemach – von dem auch Ursula Schäfer schon gehört hat: „Und jetzt stellen Sie sich mal vor, die Sperren die offizielle Umleitung durch Lüdenscheid für Lastwagen“, sagt sie. „Wissen Sie, was dann hier los ist...?“
Ministerpräsident Wüst: Durchfahrtsverbot jetzt möglich
Völlig abwegig ist dieser Plan nicht. Denn im Vorfeld seines Besuchs in Lüdenscheid am letzten Montag hatte sich NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) in einem Interview mit den Lüdenscheider Nachrichten so geäußert: „Bund und Land haben es gemeinsam möglich gemacht, dass ein Durchfahrtsverbot für Lkw möglich ist. Die örtlichen Behörden können nun die entsprechende Anordnung treffen. Anschließend kann Straßen NRW die Schilder aufstellen, die bereits besorgt sind.“
Eine Aussage, die in der Bergstadt als „anmaßend“ empfunden wurde, wie Stadtsprecher Sven Prillwitz es gegenüber unserer Zeitung formuliert. „So einfach, wie er sich das vorstellt, ist es eben nicht. Es ist ja nicht damit getan, ein paar Schilder aufzustellen.“
Verbot auf Autobahn nicht umsetzbar
Natürlich ist es das Ziel der Stadt Lüdenscheid, die gebeutelten Menschen, die unmittelbar an der Umleitung leben, zu entlasten. Aber zu welchem Preis? „Wir haben ja nichts erreicht, wenn wir den Verkehr auf andere Straßen im Stadtgebiet oder in Nachbarkommunen verlagern. Das, was jetzt diskutiert wird, ist nicht unsere Wunschlösung.“ Denn letztlich will die Stadt Lüdenscheid den Verkehr weiträumig umlenken. Ein Durchfahrtsverbot für den Transit-Lkw-Verkehr ab dem Autobahnkreuz Olpe wäre eine Lösung, die rechtlich aber nicht umsetzbar ist.
Was am Ende bleibt, ist die Sperrung der Umleitung, bei der aber auch der Märkische Kreis mitspielen müsste, weil sich die Abfahrt Lüdenscheid-Nord eben nicht auf Lüdenscheider, sondern auf Schalksmühler Stadtgebiet befindet. Die Folge einer solchen Sperrung: Lastwagenfahrer, die die Stadt nicht freiwillig weiträumig umfahren, müsste in Lüdenscheid-Süd die Autobahn verlassen und in Hagen-Süd wieder auffahren. Sie würden künftig zusätzlich am Fenster von Ursula und Manfred Schäfer vorbeirollen.
Abstimmung auch mit Hagen
Ob es aber überhaupt und wann es dazu kommt, ist offen. „Wir befinden uns gerade in der Abstimmung“, sagt Sven Prillwitz. Was im Übrigen auch Thomas Lichtenberg, Leiter des Ordnungsamts der Stadt Hagen und selbst Volmetaler bestätigt: „Wir befinden uns in einem Arbeitskreis, an dem auch Straßen NRW und die Autobahn GmbH beteiligt sind, in einem engen Austausch. Ich sehe keine Gefahr, dass es für Hagen schlimmer als im Moment wird. Letztlich muss es unser Ziel sein, alles an Fernverkehr, was eben möglich ist, frühzeitig umzuleiten.“ Das NRW-Umweltministerium habe übrigens eine Lösung für ein Durchfahrtsverbot angekündigt. Man warte gespannt.
Für Lichtenberg bleiben letztlich weiter Probleme bestehen: „Selbst wenn die Stadt Lüdenscheid und der Kreis ein Fahrverbot für den Fernverkehr erlassen sollten – wie will man denn die Einhaltung überwachen? Ein Zielverkehr muss ja weiter möglich sein. Da fehlt mir wirklich jede Phantasie.“
Landtagsabgeordnete nehmen Stellung
Zu Wort gemeldet haben sich auch die SPD-Landtagsabgeordneten Ina Blumenthal und Gordan Dudas. „Das angekündigte Durchfahrtverbot für den Schwerlastverkehr droht zur Farce zu werden“, erklären die beiden Politiker, die für das Volmetal und den Märkischen Kreis im Landtag sitzen. „Das jetzt angekündigte Durchfahrtsverbot für den Schwerlastverkehr ausschließlich auf der bestehenden Bedarfsumleitung sorgt lediglich für eine Verlagerung der Probleme. In der Konsequenz werden Anwohner und Kommunen gegeneinander ausgespielt.“
In einer „Volmetaler Erklärung“ fordern sie ein viel weiter gefasstes Durchfahrtsverbot, das sich unter anderem auch auf die B 54 bezieht. Neben weiteren Maßnahmen wie Tempo 30 auf diversen Abschnitten plädieren sie auch dafür, die weiträumige Umfahrung für Spediteure attraktiver zu machen, in dem man dort die Maut aussetzt.
L 528 bleibt länger gesperrt
Angesichts des jetzt drohenden weiteren Ungemachs tritt für die Anwohner im Volmetal eine weitere Umleitung schon fast in den Hintergrund: Weil sich die Bauarbeiten an der Landstraße 528 zwischen Breckerfeld und Hagen länger hinziehen, wird auch hier der Verkehr über die B 54 umgeleitet. Breckerfelds Bürgermeister, der seit der Autobahnsperrung einen erheblich gestiegenen Lkw-Verkehr auch in der Hansestadt feststellt, hat in einem Brief an Straßen NRW noch einmal unterstrichen, dass man nicht auf den Gedanken kommen solle, Verkehre offiziell durch den engen Breckerfelder Ortskern umzuleiten.
Die Lastwagen rollen derweil weiter an der Tür der Schäfers vorbei. Bis zu 50 in 20 Minuten. „Der Mensch wird zu einem Gewohnheitstier“, beschreibt Ursula Schäfer, wie sie die Verkehrskatastrophe erträgt. Seit einem Jahr hat sich für sie nichts geändert.