Lüdenscheid/Berlin. Ein Jahr lang ist die A 45 schon gesperrt. Und immer noch bewirft sich die Politik mit Dreck. Warum eigentlich? Eine Analyse.

Von der „sauerländischen Mentalität des Anpackens“ ist im Bundestag eher selten die Rede. Bei der emotionalen Debatte über einen Gesetzentwurf der Union zur Beschleunigung des Neubaus der A-45-Brücke bei Lüdenscheid. Vertreter der Ampel-Koalition zerrissen das Papier erwartungsgemäß in der Luft. Es wird in den weiteren parlamentarischen Beratungen keine Chance haben. So sehr sich Florian Müller und Paul Ziemiak von der CDU auch mühten, den konstruktiven Ansatz des Vorschlags zu betonen. Das Jahres-Jubiläum der Brückensperrung war Tag des Mit-dem-Finger-auf-andere-Zeigen.

Nicht nur in Berlin.

Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), zu einem Zeitpunkt NRW-Verkehrsminister, als das Land noch für die Bundesautobahnen zuständig war, kommt Montag nach Lüdenscheid, um sich dort mit ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern sowie Wirtschaftsvertretern auszutauschen. Die Presse ist dabei nicht erwünscht, Wüst werde anschließend ein Statement abgeben, heißt es aus der Staatskanzlei. Das habe die CDU vor Ort so entschieden. Die CDU vor Ort sagt, das habe die Staatskanzlei so entschieden.

In einem Interview mit den „Lüdenscheider Nachrichten“ antwortete Wüst auf die Frage, warum er denn jetzt erst komme: Er sei ja schließlich vor einem Jahr schon da gewesen, und überhaupt immer mal wieder in „die Region“ gereist. Mag sein. Aber im Dezember 2021 eilte der Ministerpräsident zu einem ergebnislosen Show-Termin unter Ausschluss der Öffentlichkeit nach Lüdenscheid. Seitdem türmt sich Unzufriedenheit auf. Und „die Region“ ist ziemlich groß. Dass seine zahlreichen Besuche dort zur Verbesserung der Situation in Lüdenscheid geführt hätten, ist nicht öffentlich bekannt. Denn die A 45 stand dabei ja nicht im Vordergrund.

Durchbruch beim Thema Fahrverbot?

Wüst lässt sich jetzt per Interview dafür feiern, dass nun doch ein Durchfahrtsverbot für den Lkw-Transitverkehr in Lüdenscheid kommen werde, was einen Tag vorher schon NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) dieser Zeitung verraten hatte und auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) als eine Art Durchbruch angekündigt hatte.

Auf der verzweifelten Suche nach guten Nachrichten im Zusammenhang mit der gesperrten Sauerlandlinie, liefern sich Politiker in Bund und Land ein bizarres Wettrennen. Die Schilder für die Verbote sind übrigens längst in Auftrag gegeben.

Es wird viel falsch gespielt an der Autobahn 45. Denn die Gemengelage ist unübersichtlich. CDU und Grüne bilden in NRW eine Koalition; die Kritik der Christdemokraten an der immer noch häufig so genannten Öko-Partei darf in Berlin also nicht zu scharf ausfallen. Die SPD führt die Ampelkoalition in der Hauptstadt, stellte aber gleichzeitig in entscheidenden Jahren des Infrastruktur-Niedergangs ebenfalls den Verkehrsminister in Düsseldorf.

Unübersichtliche Gemengelage

Die FDP saß in der NRW-Landesregierung, als Wüst das Verkehrsressort führte. Jetzt arbeitet sich der liberale Bundesverkehrsminister Volker Wissing im Interview mit dieser Zeitung am CDU-Landrat des Märkischen Kreises ab, der Durchfahrtsverbote verzögere. Wohl wissend, dass vor Ort Verbote zu gravierenden Folgen führen. Denn Lkw lösen sich nur ganz schwer in Luft auf.

Gleichzeitig berichtet der „Spiegel“ über einen Gesetzentwurf aus dem Hause Wissing zur Beschleunigung von Infrastrukturmaßnahmen. Es gibt Übereinstimmungen mit dem Entwurf der Union. Die Grünen sind auf dem Baum.

Grund für die nun angekündigten Fahrverbote – ein ganzes Jahr nach der Sperrung – ist übrigens allein der Druck „von unten“. Den Menschen in Lüdenscheid und auf den Umleitungsstrecken ist die Situation nicht mehr zuzumuten; das haben sie immer wieder deutlich zum Ausdruck gebracht. Paul Ziemiak (CDU) sprach gestern im Bundestag von „Körperverletzung“.

Ziemiak spricht von Körperverletzung

Ein Jahr nach der Sperrung der Autobahn 45 wird es nun höchste Zeit, auf eine lösungsorientierte Sachebene zurückzukehren. Die Schuldigen an der Misere in den Geschichtsbüchern gelb zu markieren, bringt die Menschen in Lüdenscheid und die Wirtschaft in Südwestfalen kein Stück nach vorne. Im Gegenteil: Das erzeugt Politikverdrossenheit.

Es liegen Vorschläge von gesellschaftlich relevanten Gruppen aus Südwestfalen auf dem Tisch, wie der Region über die Durststrecke von wie viel Neubaujahren auch immer geholfen werden kann. Die Liste muss jetzt schleunigst in die politische Debatte eingebracht werden. Und vor allem ehrlich. Die Suche nach Schuldigen hilft jetzt nicht mehr.

Schuld tragen viele, die in den vergangenen 15 bis 20 Jahren politische Entscheidungen getroffen haben. Die Menschen in Lüdenscheid und Umgebung, die tragen keine Schuld.