Hagen. 30 bis 40 Haltestellen werden pro Jahr in Hagen behindertengerecht ausgebaut. Über Kosten, Priorisierung und was Menschen mit Behinderung denken.
Immerhin – der Knopf an der Haltestelle hilft schon weiter. Er erspart den Blick aus dem Rollstuhl heraus auf den Fahrplan. Denn wer ihn drückt, hört die Ansage, welcher Bus als nächstes kommt. Dazu kommt die Verkehrsinsel, die ein paar Meter weiter entstanden ist und für Menschen mit Behinderung zu einer wahren Rettungsinsel werden kann. Und trotzdem geraten Elvira Schmidt, André Schulte und Michael Kegelmann im öffentlichen Personennahverkehr in Hagen immer wieder an Grenzen.
Menschen mit Behinderung – davon gibt es hier an der Boeler Straße viele. Sie leben in einer Einrichtung der Caritas, im Wohnhaus St. Barbara. Die meisten arbeiten in den Werkstätten des Sozialverbands, werden zur Arbeit abgeholt, nutzen aber in der Freizeit die Busse der Hagener Straßenbahn und den Öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV).
Über die Rampe in den Bus
„Für diese Verkehrsinsel“, sagt Rollstuhlfahrer Michael Kegelmann, „wurde es wirklich höchste Zeit. Sie erspart uns weite Umwege und ermöglicht es uns, die kürzeste Strecke zur Haltestelle zu nehmen.“
Und obwohl ausgerechnet an der Haltestelle Siedlerstraße direkt im Schatten der Verwaltung der Hagener Straßenbahn AG der perfekte behindertengerechte Ausbau noch auf sich warten lässt, kommen Kegelmann und seine Freunde hier klar. „Wir kommen hier auch im Rollstuhl gut in den Bus“, sagt er, „die meisten Fahrer sind freundlich, fragen, wie sie helfen können, fahren die Rampe so aus, dass alles klappt.“
Das aber ist längst nicht überall in der Stadt der Fall. „An der Friedensstraße/Alleestraße beispielsweise ist die Rampe so steil, dass man alleine keine Chance hat“, zählt Kegelmann nur eines von vielen Beispielen in der Stadt auf. Von S-Bahnstationen wie in Wehringhausen oder Westerbauer, an denen lange Treppen ein unüberwindbares Hindernis darstellen, ganz zu schweigen. Aber: „In Dortmund rund um den Phoenix-See – da ist man viel weiter als in Hagen.“
Hagen sollte weiter sein
Der Ausbau geht auch in Hagen voran. Wenn mitunter auch äußerst schleppend. Was auch am lieben Geld liegen mag. „Den guten Willen will ich da niemandem bei der Stadt absprechen“, sagt Meinhard Wirth, Leiter der Werkstätten bei der Caritas und gleichzeitig Vorsitzender des Behindertenbeirats, „aber eigentlich sollten wir in Hagen weiter sein. Es kommt immer wieder zu Verzögerungen. Und mehr als 30 Haltestellen pro Jahr sind nicht drin.“
Das Problem aus seiner Sicht: Es gibt keine bindende Verordnung, nur eine Empfehlung. „Die beruht auf der Behindertenrechtskonvention“, sagt Wirth und wird deutlich: „In meinen Augen gibt es ein Grundrecht auf Mobilität. Teilhabe kann nicht funktionieren, wenn Menschen mit Behinderung schon an Bushaltestellen scheitern.“
171 Haltestiege komplett behindertengerecht
Überall ist das nicht der Fall. Die Stadt Hagen verweist auf 171 Haltesteige, die bereits umgebaut seien. Hinzu kämen noch einmal 80, die nicht vollständig behindertengerecht seien, weil es beispielsweise ein sogenanntes Hochbord gäbe, dafür aber kein Blindenleitsystem.
In der Stadt gibt es insgesamt 983 Haltesteige (Haltestellen haben mitunter mehrere Haltesteige). Für den Ausbau gebe es eine Prioritätenliste, die 2018 vorgestellt worden sei. Diese berücksichtigt unter anderem Ein- und Ausstiege sowie die Anzahl der Linien. Daneben gebe es eine Sonderkategorie. „Haltestellen sind aufgrund ihrer räumlichen Nähe zu Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen vorrangig umzubauen“, so Clara Treude, Sprecherin der Stadt.
2022 sind in einem dritten Bauabschnitt bereits die Haltestellen Seniorenzentrum Buschstraße (stadteinwärts und stadtauswärts), St.-Josefs-Kirche (stadteinwärts und stadtauswärts), Osthofstraße (stadteinwärts und stadtauswärts) sowie Emilienplatz (stadteinwärts) umgebaut worden. Darüber hinaus gebe es nach Auskunft der Stadt einen Förderbescheid für 17 weitere Haltestellen, deren Umbau im vierten Bauabschnitt jetzt ausgeschrieben werde.
Die Gesamtkosten für den dritten Abschnitt belaufen sich auf 293.300 Euro (Fördermittel 167.600 Euro), die für den vierten gar auf 1.329.800 Euro (Fördermittel 1.180.900 Euro). Eventuelle Mehrkosten muss die Stadt tragen.
30 bis 40 Haltestellen pro Jahr
Der Ausbau umfasst in aller Regel die Installation eines Hochbordes sowie eines taktilen Leitsystems. „Zum Teil werden Haltestellen durch die Hagener Straßenbahn AG mit einer dynamischen Fahrgastinformation ausgestattet“, so Treude.
Pro Jahr will die Stadt 30 bis 40 weitere Haltestellen in Angriff nehmen. Die Zeit, die von einer ersten Planung bis zur Umsetzung vergeht, beträgt drei bis vier Jahre. „Der Ausbau“, so Treude, „geht auf der Grundlage der 2018 beschlossenen Kategorisierung stetig voran.“
Allerdings rangiert die Stadt mit einer Ausbauquote von 16 Prozent im Vergleich zu anderen Kommunen am unteren Ende der Rangliste.