Hagen. „Aus dem Dunkeln ein Licht“ ist ein Woche gegen Rassismus und Antisemitismus in Hagen überschrieben. Ein Gespräch mit einer Teilnehmerin.

Es sind Themen, die eine Stadt Hagen bewegen, in denen Menschen aller möglichen Herkunft mit- und nebeneinander leben. Themen, die auf traurige Weise an Aktualität gewonnen haben, als ein 16-Jähriger Mitte September einen Anschlag auf die Synagoge in der Potthoffstraße geplant hatte. „Aus dem Dunkeln ein Licht“ ist keine Reaktion darauf. Denn zu diesem Zeitpunkt war die Aktionswoche gegen Antisemitismus und Rassismus von Jüdischer Gemeinde, Kultopia und Jugendtheater Lutz längst in Planung. Und doch hat sie dadurch auf bedrückende Art an Bedeutung gewonnen. Jasmin Angelina (26) hat an vielen Veranstaltungen teilgenommen. Sie ist Mitglied und eine der Leiterinnen der Gruppe „Lichter der Großstadt“. Ein Gespräch mit einer Frau mit eher dunkler Haut und schwarzen Haaren über eine ungewöhnliche Woche, über Rassismus und eine Gruppe junger Menschen, bei denen Werte wichtiger als Herkunft sind.

Wie haben Sie diese Woche und das Projekt „Aus dem Dunkeln ein Licht“ empfunden?

Jasmin Angelina: Sehr emotional, sehr bewegend. Dass man miteinander im Gespräch ist, halte ich für total wichtig. Und genau das ist immer wieder passiert. Es waren gut, intensive Diskussionen wie nach der Podiumsveranstaltung am Mittwoch im Jugend- und Kulturzentrum Kultopia, als es um die Erinnerungskultur in Deutschland und um die Perspektive der Opfer ging. Solche Gespräche sind für mich wichtiger, als irgendeinen Ort aufzusuchen und dort still zu gedenken.

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Aber ist es nicht auch wichtig, an die Pogromnacht zu erinnern?

Ja. Aber bei den klassischen Gedenkveranstaltungen stellt sich für mich oft die Frage: Ist das wirkliche Anteilnahme oder nur Publicity in eigener Sache? Ich hätte gern weniger Reden und mehr Taten. Es geht darum, Solidarität zu leben und nicht nur darüber zu sprechen. Worte allein schützen nicht vor Rassismus, Antisemitismus oder Sexismus und Gewalt – vor allem nicht, wenn sie nur einmal pro Jahr gesprochen werden. Die Frage ist doch: Was passiert im Alltag, um Rassismus und Antisemitismus zu begegnen? Wie Idil Baydar in der Diskussionsrunde am Mittwoch sagte: Warum lernen Schüler beispielsweise Latein und nicht Hebräisch und damit auch mehr über jüdisches Leben, obwohl doch das Judentum Teil unserer Kultur ist?

Was hat diese Woche besonders gemacht?

Das Schönste war für mich, dass wir das Projekt gemeinsam mit der Jüdischen Gemeinde gestaltet haben. Dazu kommen das Besinnen auf gemeinsam Werte, die erfrischenden Diskussionen mit Menschen, die ganz unterschiedliche Hintergründe haben. Es geht dabei nicht darum, wer Recht hat. Es existieren mehrere Wahrheiten.

Wie haben Sie selbst Rassismus erlebt?

Das hat sich schon in der Schule durchgezogen. Der negative Höhepunkt: In der Oberstufe auf dem Gymnasium war ich nahezu die einzige mit Migrationshintergrund. Als es um einen Schüleraustausch nach Spanien ging, hat mir ein Lehrer erklärt, ich dürfe nicht mit. Sein Argument: Er glaube nicht, dass ich die deutsche Kultur repräsentiere. Egal in welchen Lebensbereichen: Man benötigt einfach mehr Kraft, mehr Stärke. Aufgrund meines Äußeren schreiben mir Menschen bestimmte Eigenschaften zu. Wenn ich mich hingegen mit meinem deutsch klingenden Namen ohne Akzent am Telefon um eine Wohnung bewerbe, werde ich garantiert eingeladen.

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Welche Rolle spielt ein Migrationshintergrund?

Offenbar ein große. Aber wenn ich neu in einen Raum komme und die erste Frage lautet: Woher kommst du? Dann muss ich sagen: Niemand hat einen Anspruch, das von mir zu erfahren. Niemand kann auch von mir fordern, dass ich mich integrieren müsse. Wie und wo soll ich mich denn hin integrieren? Ich bin in diesem Land, in diesem System groß geworden. Wenn jemand wie ich verschiedene kulturelle Hintergründe hat, dann ist das doch eine Ressource und kein Mangel. Ich würde mich nicht als sichtbar streng gläubige Muslima bezeichnen und trotzdem werde ich aufgrund meines Äußeren mit antimuslimischen Vorurteilen konfrontiert. Ich bin es leid, mich rechtfertigen zu müssen. Letztlich habe ich von Deutschen „gelernt“, dass das Wort Jude ein Schimpfwort sein kann.

Was bedeutet die Herkunft in der Gruppe „Lichter der Großstadt“?

Engagement im Jugendkulturzentrum Kultopia

Jasmin Angelina ist 26 Jahre alt.

Sie ist gelernte Industriekauffrau, studiert aber aktuell Psychologie in Bochum.

Sie hat das Reichenbach-Gymnasium in Ennepetal besucht, später das Berufskolleg.

Sie engagiert sich im Jugendkulturzentrum Kultopia in der Gruppe „Lichter der Großstadt“, leitet Theaterworkshops und Workshops zu politischen und autobiografischen Themen.

Keine. Wir sind – wenn man das so sagen mag – eine heterogene Gruppe mit dem gemeinsamen Ziel, die Gesellschaft ein bisschen besser zu machen. Viele von uns erleben die Gruppe als ein Familie. Fast alle haben eigene Erfahrungen mit Rassismus gemacht. Die meisten sind von Diskriminierung oder Sexismus betroffen. Die Basis sind – bei allen Unterschiedlichkeiten – gemeinsame Werte. Durch die Gruppe erhalten viele die Möglichkeit, sichweiterzuentwickeln. Bei uns kann man Dinge in einem geschützten Raum ausprobieren.