Hagen. Das Kultopia, das Lutz und die Jüdische Gemeinde Hagen haben ein Projekt gegen Antisemitismus entwickelt. Unsere Zeitung begleitet es.

Es gibt eine Vision. Eine Vision, die irgendwie Bände spricht. Gandhi Chahine formuliert diese Vision, die alle Beteiligten teilen: „Ich möchte gerne meinen Freund Hagay Feldheim in der Synagoge besuchen, ohne dass ich vor der Tür an einem Polizeiauto vorbei muss“, sagt Chahine.

Die Polizei allerdings steht täglich vor dem jüdischen Gotteshaus an der Potthofstraße. Und das nicht erst, nachdem es am 15. September dort zu einem Großeinsatz gekommen war. Eine Hundertschaft hatte das Gebäude umstellt, nachdem offenbar geworden war, dass ein 16-Jähriger einen Terroranschlag auf die Synagoge geplant hatte.

Schwarzer Tag in Hagens Geschichte

Hagen: Viele Veranstaltungen gegen Antisemitismus

„Aus dem Dunkeln ein Licht – eine Woche der Erinnerungen und neue Perspektiven“ - so ist die Aktionswoche gegen Antisemitismus und Rassismus überschrieben. Neben der Jüdischen Gemeinde, dem Lutz-Theater, dem Kultopia nebst Music-Office sind auch Jugendring, Falken und die Initiative „Demokratie leben“ beteiligt.

Unsere Zeitung begleitet das Projekt und was sich daraus ergibt, in einer Partnerschaft.

Tag 1: Sonntag, 7. November, 17 Uhr, Auftaktveranstaltung im Lutz, anschließend Theatervorstellung „Der Trafikant“ mit Nachgespräch.

Tag 2: Montag, 8. November, 12 Uhr, Lutz, „Der Trafikant“; 17 Uhr, Klezmer-Workshop und Mitsingkonzert, Kultopia.

Tag 3: Dienstag, 9. November, Lutz, „Nathan“ mit Nachgespräch; 16.30 Uhr, Stadtexpedition; 18 Uhr: Gedenkveranstaltung Synagoge, Potthofstraße.

Tag 4: Mittwoch, 10. November, Lutz, „Nathan“ mit Nachgespräch; 18 Uhr, Kultopia, Aus dem Dunkeln ein Licht, Podiumsgespräch und World-Café.

Tag 5: Donnerstag, 11. November, 10 Uhr, Kultopia, Gedenkknoten, Theaterpädagogischer Workshop; 17 Uhr: Stadtexpedition mit Führung durch die Synagoge.

Tag 6: Freitag, 12. November, 10 Uhr, Kultopia, Gedenkknoten, Theaterpädagogischer Workshop; Soul-Food, Gedankenaustausch, Theaterbotschaft, Kampstraße 13.

Tag 7: Samstag, 13. November, 19 Uhr, Lutz, Ama la vita, Konzert Microphone Mafia.

Tag 8: Sonntag, 14. November, 10 Uhr, Kultopia, Gegen das Vergessen, Workshop; 11 Uhr, Lutz, Guten Morgen - Boker Tov, Musik, Geschichten und Luftballon-Aktion für die ganze Familie; 15 Uhr, Kultopia, thematisches Filmscreening.

Anmeldung zu den Veranstaltungen sind im Kultopia und in der Hagener Innenstadt möglich: musicofficehagen@email.de. Oder im Lutz: lutz@theater-hagen.de. Für die Führung in der Synagoge unter: info.jkg.hagen@gmx.de.

Dieser 15. September ist ein schwarzer Tag in der Geschichte der Stadt. Aber lange vor diesem schwarzen Tag hatte es schon einmal einen schwarzen Tag gegeben. Die Pogromnacht am 9. November 1938. An diesem Tag wurden auch in Hagen von Nationalsozialisten Wohnungen von Juden gestürmt, Geschäfte zerstört, die Synagoge angegriffen.

Und bereits Monate bevor der geplante Anschlag die Stadt erschütterte, hatten sich das Jugendzentrum Kultopia mit dem Music-Office, die Junge Bühne Lutz am Theater Hagen und die Jüdische Gemeinde zu einem ganz besonderen Projekt entschlossen. Dieses Projekt und das, was daraus erwachsen kann, wird unsere Zeitung als Partner ganz eng begleiten.

Aus dem Dunkeln ein Licht

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„Aus dem Dunkeln ein Licht“ – so ist die Zeit von Sonntag, 7. November, bis zum Sonntag, 14. November, überschrieben. Es sind acht Tage, an denen es täglich an den verschiedensten Orten Veranstaltungen gibt, die die Themen Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit in den Fokus rücken. Es geht um Theaterstücke, um Diskussionen, um Workshops, Podiumsgespräche, Konzerte und eine Stadtexpedition auf den Spuren jüdischer Geschichte und jüdischen Lebens.

Als Anja Schöne, Anne Schröder, Daria Malygina, Hagay Feldheim und Gandhi Chahine die Idee entwickelten, konnten sie von der traurigen Aktualität, die dieses Projekt im Herbst 2021 in Hagen bekommen sollte, noch nichts ahnen. Aber es ist nicht allein der vereitelte Sprengstoffanschlag, der diese Idee zu einer so wichtigen macht.

„Es besteht eine gewisse Diskrepanz zwischen der Energie und dem Engagement, das es braucht, um so eine Woche zu organisieren, und dem, was wir Juden in täglicher Realität erleben müssen“, sagt Hagay Feldheim, der auf der einen Seite von einem hohen Wirkungsgrad des Projektes spricht, der deutschlandweit seines Gleichen suche, auf der anderen Seite aber den Antisemitismus, dem er und die Gemeindemitglieder im Alltag ausgesetzt sind, nicht aus dem Auge verliert. „Deshalb fragt sich die Gemeinde, was nach dieser Woche kommt… Deshalb ist es so wichtig, dass sich eine Dynamik entwickelt.“

Woche der neuen Perspektiven

Darin sind sie sich alle einig, die da zusammensitzen und die diese Woche entwickelt haben. Und genau so war auch der Kommentar der Stadtredaktion Hagen gemeint, in dem das gesamte Team am Tag nach dem Anschlag betont hatte, dass die Stadtgesellschaft an der Seite der jüdischen Gemeinde stehe. Nicht nur an einem Tag, an dem ein geplanter Terroranschlag der Glaubensgemeinschaft den Boden unter den Füßen weggezogen hatte, sondern auch an jedem Tag, an dem Antisemitismus Raum greift.

Um diese „Woche der Erinnerung und neuer Perspektiven“ zu organisieren und um daraus mehr werden zu lassen, haben sie sich zusammengeschlossen. „Mit dem Thema Antisemitismus beschäftigen wir uns immer wieder“, sagt Lutz-Leiterin Anja Schöne, „umso schöner ist es, dass aus dem Impuls, gemeinsam etwas zu erschaffen, jetzt diese Woche erwachsen ist. Es geht nicht darum, dass möglichst viele Menschen kommen und gucken. Es geht darum, diejenigen, die die Veranstaltungen besuchen, zu beteiligen.“

Ideen aus der Jüdischen Gemeinde

Kontinuität ist dabei ein wichtiges Thema. „Es geht um neue Formate, die wir nicht allein, sondern mit der jüdischen Gemeinde gemeinsam entwickeln wollen“, sagt Gandhi Chahine, „Hagay Feldheim ist ein so kreativer Kopf. Viele Ideen, die wir entwickelt haben, stammen von ihm. Daneben war es uns wichtig, nicht ein Programm für Jugendliche und junge Menschen, sondern eines mit ihnen gemeinsam auf die Beine zu stellen.“

Um diesen Prozess zu verstetigen, sollen auch die Hagener Schulen künftig intensiver eingebunden werden. „Die Woche ist ein Startpunkt“, erklärt Anne Schröder, „wir wollen auch künftig Workshops für Schüler anbieten. Darin sehen wir eine Chance, dafür zu sorgen, dass das Thema Antisemitismus nicht wieder aus der öffentlichen Diskussion verschwindet.“

Haltung entwickeln

Wie wichtig es ist, gerade diese Gruppe zu erreichen, unterstreicht auch Hagay Feldheim: „Es ist eben nicht sonderlich populär, Position für die Schwachen zu beziehen.“

„Und deshalb“, sagt Gandhi Chahine, „begleiten wir Jugendliche dabei, eine Haltung zu entwickeln. Es muss klar werden, dass jeder Angriff auf eine Synagoge und die jüdische Gemeinde jeden in dieser Stadt trifft. Egal welche Herkunft oder welchen Glauben er hat. Wer das verstanden hat, dem fällt es nicht schwer, sich einzumischen.“