Hagen. Hochwasser-Opfer in Hagen fühlen sich von Politik und Stadtspitze im Stich gelassen. Das sind die Gründe.

Es ist nicht nur eine Geschichte, die man hier erzählen kann. Es sind so viele Geschichten. Der Satz von Elvira Stremmel aus Hagen aber fasst zusammen, was die vereinigte Nachbarschaft in der Straße namens Laake denkt: „Willkommen in Hagens vergessenem Stadtteil. Willkommen in Delstern.“ Was Anwohner in vielen Gesprächen mit der Stadtredaktion in von der Flut schwer getroffenen Gebieten wie dem Volmetal, Eckesey, oder Hohenlimburg beklagen, sehen Stadtspitze und Politik aber völlig anders.

Elvira Stremmel, Matthias Adolphs, Bernd Zeugner, Wolf Klasen und Rolf Zillner sind nur einige derer, die in Delstern nahe am Fluss wohnen. Sie alle nutzen dieselben Vokabeln. Sie sprechen von einem „Skandal“, von einem „Trauerspiel“. Und dabei nehmen sie nicht nur die Zustände in den Blick, die die Flutkatastrophe im Schatten der Hochbrücke hinterlassen hat, sondern sie klagen auch Politik und Verwaltungsspitze an. Von denen, so sagen sie übereinstimmend, habe sich hier seit dem 14. Juli noch nie einer blicken lassen. Und das, obwohl doch Oberbürgermeister Erik O. Schulz in der Fritz-Killing-Straße in direkter Nachbarschaft aufgewachsen sei.

Flutopfer in Hagen fühlen sich alleingelassen

Auch interessant

„Wir fühlen uns alleingelassen – bis heute“, sagt Matthias Adolphs, der mit Frau, zwei Kindern und der Großmutter gemeinsam ein Haus in unmittelbarer Nähe zur Volme bewohnt. Und Delstern ist nicht der einzige Stadtteil, aus dem auch solche Stimmen zu vernehmen sind.

Die Flut hatte bei Familie Adolphs fast bis zur Kellerdecke im Einfamilienhaus gestanden. Seit Wochen arbeiten dort Trocknungsgeräte. „Ich kenne keinen Ansprechpartner bei der Stadt“, sagt Adolphs. „Wenn es darum geht, die Menschen beim Ausfüllen von Anträgen zu helfen, dann kommt hier einmal in der Woche die Caritas vorbei.“

Komplexe Fragen – keine Antworten

Das Fachwerkhaus von Wolf Klasen steht direkt an der Volme. Die Flut hat es unterspült.
Das Fachwerkhaus von Wolf Klasen steht direkt an der Volme. Die Flut hat es unterspült. © WP | Michael Kleinrensing

Nicht anders hört es sich an, wenn Wolf Klasen über die Stadt spricht. Unterstützung? „Welche Unterstützung“, sagt der Mann, der in einem alten Fachwerkhaus direkt am Wasser wohnte. Die Flut hat das Gebäude unterspült.

Die Besitzverhältnisse der Grundstücke sind komplex. Den Garten hat er von der Stadt gepachtet, die Fläche, auf dem das Gebäude steht, ist Privateigentum. „Ob das Haus hier stehenbleiben kann und darf? Ich habe keine Ahnung – von der Stadt war noch niemand hier“, sagt er. Trotz der Ungewissheit hat er jetzt begonnen, im Inneren aufzuräumen und zu sanieren. „Was soll ich denn machen? Es vergammelt ja sonst alles.“

Großes Lob für die Freiwilligen Helfer

Auch Rolf Zillner verliert kein gutes Wort: „Am Volmeufer muss doch jetzt dringend was gemacht werden“, sagt er. „Aber mit uns Anwohnern hat noch niemand darüber gesprochen. Um es mal ganz deutlich zu sagen: Ohne den TuS Volmetal, ohne die Facebook-Gruppe, ohne freiwillige Helfer wäre hier bis heute nichts passiert.“ Helfer, wie der Steinmetz Karsten Jünk einer war. „Er ist mit einem Bagger gekommen, hat den hochgespülten Asphalt weggeschaufelt“, so Elvira Stremmel, „ohne seinen Einsatz könnten wir bis heute unsere Häuser nicht erreichen.“

Auch interessant

Dabei geben die Anwohner hier der Stadt eine Mitverantwortung dafür, dass es hier in Schlagweite der Umgehungsstraße zu dieser unfassbaren Katastrophe gekommen ist. „Früher waren gegenüber Weiden und Wiesen“, sagt Bernd Zeugner. „Da hätte sich das Wasser ausbreiten können. Als die Straße neu gebaut worden ist, ist aber massiv Erde aufgeschüttet worden.“ Es habe damals Proteste in Delstern gegeben. Ein Brief mit Unterschriften, in dem man noch einmal darauf hingewiesen habe, dass es sich um ein Überschwemmungsgebiet handele, sei 1978 an die Stadt gegangen. „Das hat aber niemanden interessiert – so wie heute.“

Auch interessant

Versorger will jetzt Gasleitungen legen

Völlig unklar ist für die Anwohner, wie sie hier künftig heizen sollen. „Unsere Anlagen sind kaputt. Öltanks weggeschwemmt worden“, sagt Matthias Adolphs. „In diesen Zeiten weiter auf Öl zu setzen, ergibt keinen Sinn.“ Gasleitungen aber gibt es hier nicht. Ob und wann sich daran etwas ändert, war lange unklar. Immerhin: Am Mittwoch hat die Enervie signalisiert, dass im September gebaut werden soll.