Hagen. Das Landgericht Hagen rollt einen Raserprozess neu auf. Dabei kommt heraus: Die Frau eines Angeklagten hatte gelogen.

Es war der spektakuläre Hagener Raser-Prozess um den schweren Verkehrsunfall auf der Feithstraße, der gestern vor einer anderen Kammer des Landgerichts noch einmal nachverhandelt werden musste. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte wegen fehlerhafter Strafzumessung die erste Entscheidung aufgehoben, sodass die beiden Angeklagten – der eine (heute 38) war damals zu einer Haftstrafe, der andere (inzwischen 50) zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden – am Montag erneut in dieser Sache vor Gericht standen.

Bei dem gravierenden Frontalaufprall zwischen einem Skoda und einem Ford waren im Mai 2016 sechs Personen zum Teil schwer verletzt worden. Hinzu kam: Die Ehefrau (47) des älteren Angeklagten hatte im ersten Verfahren gelogen und dem Gericht ein großes Märchen aufgetischt.

Bundesgerichtshof bemängelt Tatsachen nicht

Unfall mit hohem Aufwand nachgestellt

Das erste Urteil im Raser-Prozess war am 3. Juli 2017 gefällt worden.

Der Prozess hatte vor dem Hintergrund mehrerer Verfahren um illegale Rennen (u.a. um ein Rennen 2015 in Köln, bei dem eine 19-jährige Radfahrerin starb und um eines im Jahr 2017 in Mönchengladbach, bei dem ein Mann 36 Meter weit durch die Luft gewirbelt wurde und sofort starb) bundesweit für Aufsehen gesorgt.

Um den genauen Hergang nachvollziehen zu können, war der Unfall an der Feithstraße aufwändig nachgestellt worden.

Die vom Landgericht am 3. Juli 2017 durch Urteil festgestellten Tatsachen zum Unfallgeschehen hatte der BGH nicht bemängelt: Am 16. Mai 2016 rasen die beiden Angeklagten, der nunmehr 50-Jährige im roten Skoda Fabia (170 PS), der andere im schwarzen Audi A6, mit mindestens 80 Stundenkilometern über die vierspurige, an dieser Stelle nahezu gerade verlaufende Feithstraße. Als gegen 19.20 Uhr von einem Parkstreifen am Rand ein Rentnerpaar mit seinem Smart auf den rechten Fahrstreifen zieht, kommt es zu dem Unfall mit tragischem Ausgang.

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Der Audi fährt nach links, der Skoda-Fahrer will ihm ausweichen, verreißt das Steuer und schleudert mit hohem Tempo in den Gegenverkehr. Hier stößt er mit dem Ford einer Hagener Familie zusammen, in dem ein sechsjähriger Junge so schwer verletzt wird, dass er wochenlang in Lebensgefahr schwebt. Das Kind erleidet ein stumpfes Bauchtrauma, muss künstlich beatmet werden, wird mehrfach operiert, ein Teil seines Dünndarms muss entfernt werden.

Hagener Fall für Richter nicht vergleichbar mit tödlichen Raserunfällen

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Vergleichbar mit tödlichen Raserunfällen in Köln, Mönchengladbach oder Berlin sei der Hagener Fall trotzdem nicht, so die damalige Vorsitzende Richterin in ihrer Urteilsbegründung: „Die Kammer konnte hier, anders als von der Staatsanwaltschaft angeklagt, kein Rennen feststellen.“

Als Motiv für seine überhöhte Geschwindigkeit hatte der angeklagte Skoda-Fahrer im ersten Prozess „einen Notfall“ vorgegeben: Sein damals elfjähriger Sohn würde unter Epilepsie-Anfällen leiden, die manchmal eine halbe Stunde und länger andauern könnten. Kurz vor dem Unfall, so der Angeklagte, hätte er einen Handyanruf seiner Ehefrau erhalten: Der Junge hätte einen Zitteranfall erlitten, sein Zustand würde sich rapide verschlechtern, er müsste dringend in die Notfallambulanz gebracht werden.

Angeklagter und Zeugin lügen vor Gericht

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„Deshalb habe ich Gas gegeben, um das Leben meines Kindes zu retten“, täuschte er der Kammer vor. Auch die damalige Ehefrau, als Zeugin vernommen, hatte seinerzeit das Gericht belogen und die Geschichte von dem Anruf und dem kranken Kind bestätigt. Gestern gab die (mittlerweile geschiedene) Frau jedoch zu, dass alles nur erfunden worden war. Familienangehörige hätten Druck auf sie ausgeübt: Aus Angst, dass ihr Mann sonst ins Gefängnis müsse, habe sie schließlich für ihn falsch ausgesagt.

„Er hat sie aber nachweislich nicht dazu angestiftet“, betont sein Verteidiger Ralph Giebeler, „und sie hat für diese Falschaussage eine Geldstrafe von 450 Euro bekommen.“

Haftstrafe und Bewährungsstrafe für Unfallverursacher

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Die Strafkammer unter Vorsitz von Richter Jörg Weber-Schmitz verkündete am Mittag bereits das neue Urteil: Zwei Jahre und neun Monate Gesamtstrafe für den Audi-Fahrer (38) wegen fahrlässiger Körperverletzung in fünf Fällen, sowie unerlaubten Entfernens vom Unfallort. In dieses Urteil wurde eine andere Altstrafe mit einbezogen.

Der Skoda-Fahrer aus Hohenlimburg (50) erhielt wegen fahrlässiger Körperverletzung in vier Fällen ein Jahr Haft, ausgesetzt zur Bewährung. Er muss außerdem 1500 Euro Geldbuße zahlen.

Richter Weber-Schmitz zu den Angeklagten: „Der Unfall hatte dramatische Folgen. Währen Sie vorschriftsmäßig gefahren, wäre er vermeidbar gewesen.“