Hagen. Wie hat das Amt den Menschen verändert? Was waren seine größten Niederlagen im Jahr 2019? Hagens Oberbürgermeister Erik O. Schulz im Interview.
Er befindet sich jetzt im sechsten Amtsjahr. Und im kommenden Jahr geht es bei den anstehenden Kommunalwahlen um die Titelverteidigung: Hagens Oberbürgermeister Erik O. Schulz spricht im Interview mit der WESTFALENPOST über Erfolge und Niederlagen – und was das Amt mit ihm gemacht hat.
Gehen Sie mit Siegesgewissheit in die Kommunalwahlen? Oder bleibt die Angst, dass es mit der Wiederwahl doch nicht klappen könnte?
Erik O. Schulz: Ich bin nicht siegesgewiss, aber Angst ist genauso wenig ein guter Berater. Ich habe Respekt vor meinen Mitbewerbern, bin aber dennoch optimistisch und sage: Ich habe Lust, noch einmal Oberbürgermeister zu werden. Ich gehe mit der Aussage zu den Hagenerinnen und Hagenern , dass es aus meiner Sicht gute Gründe gibt, dass ich meine Arbeit fortsetzen kann. Und ich sage auch deutlich: Ich hoffe auf eine Bestätigung der Allianz der Vernunft aus CDU, Grünen und FDP. Deshalb freue ich mich auch über das mehr als deutliche Votum für meine Kandidatur bei den Grünen, so wie auch vorher schon über die Entscheidung von FDP und CDU, die mich nominiert haben.
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Hat das Amt des Oberbürgermeisters den Menschen Erik O. Schulz in den vergangenen fünf Jahren verändert?
So ein Amt ist eine Herausforderung. Ob ich mich verändert habe? Das Amt ist inhaltlich fordernd. Man hat als Oberbürgermeister in der Regel eine Sieben-Tage-Woche. Es bleibt weniger Zeit für Freizeit und Freunde. Und obwohl ich vorher ja schon lange als Geschäftsführer eines kommunalen Unternehmens gearbeitet habe: Die Masse an Informationen, die auf einen Oberbürgermeister zukommen, die vielen Entscheidungen, die er zu treffen hat – das konnte ich vorher gar nicht so einschätzen, obwohl ich ja Verwaltung gelernt habe. Ich habe in den fünf Jahren im Amt eine Menge gelernt. Ich freue mich aber auch, dass mir von Bürgern bei vielen Begegnungen gespiegelt wird, dass ich ein sehr greifbarer OB bin, der auch vor Ort bei Veranstaltungen, bei Vereinen und Institutionen präsent ist. Ich habe so viel Neues kennengelernt in den vergangenen Jahre. Auch vieles, mit dem ich sonst nicht in Berührung gekommen wäre. Daher sage ich auch mit sehr viel Demut, dass ich dafür dankbar bin.
Verheiratet und Vater zweier Kinder
Erik O. Schulz (54) ist seit Juni 2014 Oberbürgermeister. Das frühere SPD-Mitglied trat als parteiloser Kandidat für CDU, FDP und Grüne an. Die drei Parteien unterstützen ihn auch 2020 wieder.
In der ersten Runde der Wahl erreichte er 47,8 Prozent der Stimmen, in der Stichwahl besiegte er dann SPD-Kandidat Horst Wisotzki mit 62,7 Prozent.
Der Diplom-Verwaltungswirt und Verwaltungsbetriebswirt ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Blicken wir auf das vergangene Jahr zurück: Was waren für Sie die Top-3- Erfolge?
Als erstes will ich sagen: Dass das integrierte Stadtentwicklungskonzept ISEK mit breiter Mehrheit verabschiedet worden ist, das ist ein großer Erfolg. Der zweite große Erfolg ist, dass wir trotz der angespannten Haushaltssituation bei der Mobilitätswende ein klares Signal gesetzt haben: 3 Millionen Euro mehr für die Hagener Straßenbahn und damit 15 Prozent mehr Fahrleistung, das ist ein entscheidender Schritt. Und als drittes möchte die Entwicklung am Hengsteysee nennen. Mit der Entscheidung, in das Hengsteybad viel Geld zu investieren, ist der erste Schritt für viele weitere Entwicklungen gegangen worden. Und wenn ich noch etwas ergänzen darf: Den großen Erfolg des Bauhausjahres, das breite Engagement, mit dem die Aktivitäten hier in Hagen getragen worden sind, das habe ich mit großer Freude im Jahr 2019 gesehen.
Und umgekehrt – was waren die Top-3-Niederlagen, die Sie als Oberbürgermeister erleben mussten?
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Ich will gar nicht von Niederlagen sprechen, aber von Herausforderung, die ich empfunden habe. Die erste Herausforderung ist sicherlich, dass insbesondere die vielen wichtigen Bauprojekte - von der Marktbrücke bis zum OGS- und Kita-Ausbau - realisiert werden. Es ist enttäuschend, dass Bauvorhaben nicht angegangen werden können, weil die Firmen fehlen. Das Geld ist da und trotzdem können die Aufträge nicht umgesetzt werden. Mit diesem Problem stehen wir nicht allein da – aber das ist kein Trost. Die zweite Herausforderung ist, dass wir trotz der erheblichen Investitionen im Betreuungsbereich – wir haben in dieser Wahlperiode deutlich mehr als 1000 Kitaplätze und Plätze in Offenen Ganztagsschulen zusätzlich geschaffen – noch immer nicht alle Bedarfe decken können. Wir haben die Versorgungsquote noch nicht da, wo wir sie gerne hätten. Und die dritte Herausforderung ist aus meiner Sicht, dass die Deutsche Umwelthilfe Hagen mit einer Klage überzieht, obwohl wir hier bereits erhebliche und erkennbare Anstrengungen unternehmen, um die Schadstoffbelastung in der Luft zu reduzieren. Und wenn ich auch hier noch etwas darüber hinaus anmerken darf: Mich hat der Wegzug des Journalistenzentrums Haus Busch traurig gemacht. Trotz des erheblichen Engagements der Stadt hat hier eine Traditionsinstitution Hagen verlassen.
Der ISEK-Prozess sollte der Masterplan für Hagen werden. Jetzt hat man den Eindruck, das Ganze versandet, erreicht zumindest nicht die Masse der Bevölkerung. Wird ISEK doch noch zum „Schlager“?
Da möchte ich Ihnen ausdrücklich widersprechen. Ich weiß gar nicht, woher Ihr Pessimismus kommt. Wenn ich nur an den Auftakt des Prozesses denke, mit einer Hagen-Konferenz, an der sehr viele Bürger teilgenommen haben und an die vielen unterschiedlichen Veranstaltungen in der Folge, bei denen wir ganz viele unterschiedliche Gruppen eingebunden haben, dann ist ISEK nicht versandet. Aber Beteiligung kostet auch Zeit, ich bin froh, dass wir uns diese genommen haben. Dass das Integrierte Stadtentwicklungskonzept jetzt mit so breiter Mehrheit im Rat verabschiedet worden ist, ist ein gutes Zeichen. Und ich freue mich jetzt auch auf die Hagen-Konferenz II, bei der die Bürger noch einmal eingebunden werden. Aber Sie haben recht: Die Ergebnisse des ISEK-Prozesses müssen jetzt auch umgesetzt werden. Es darf nicht so sein, dass gesagt wird: Das ist ja ein schönes Konzept, aber jetzt machen wir mal richtig Politik. Ich will aber auch an einem Beispiel deutlich machen, dass wir die Ergebnisse des ISEK schon jetzt umsetzen: Ein zentraler Gedanke ist, dass wir Flächen schonen. Sie sehen das an den neuen Baugebieten, die wir auf Emst ausweisen werden: Da wird kein neues Gebiet auf der grünen Wiese geplant, sondern es werden Baulücken geschlossen.
Mal realistisch betrachtet: Wann können die Hagener ihren ersten Cocktail im neuen Beach Club am Hengsteysee trinken? Oder sehen Sie noch Gefahren, dass das Ganze komplett scheitern könnte?
Nein, ich sehe keine Gründe, warum das noch scheitern sollte. Es gibt generell eine breite Mehrheit für die Investitionen. Und die in die Gastronomie des Hengsteybades können ja schnell umgesetzt werden. Für den eigentlichen neuen Beach Club wird mit Hochdruck am Planungsrecht gearbeitet. Ich bin sehr optimistisch, dass wir im Jahr 2021 an die Umsetzung gehen können. Und auch wenn es bis dahin noch nicht im Beach Club direkt am See geht: Den Cocktail kann man vorher schon in der neu gestalteten Gastronomie im Hengsteybad trinken. Hier wird sich wirklich schnell sichtbar etwas tun.
Die „Schwarze Null“ ist in der Diskussion, allenthalben werden neue Investitionen gefordert. Wären Sie froh, wenn die gesetzlichen Fesseln für Städte gelockert werden und Hagen auch wieder mehr Schulden machen dürfte?
Das Lockern von Regeln, um mehr Schulden zu machen, sehe ich nicht als den richtigen Weg. Die erheblichen Spar-Anstrengung, die wir in den vergangenen Jahren unternommen haben, haben uns hier in Hagen den Spielraum gegeben für die notwendigen Investitionen, die wir jetzt für die Zukunft der Stadt tätigen können: Unter anderem in den Busverkehr, in Kitas oder in Radwege. Meine Forderung bleibt aber: Wir brauchen die Hilfe von Bund und Land beim Abbau der Altschulden, die Hagen durch den Strukturwandel nicht nur selbst zu verantworten hat. Wenn wir diese millionenschwere Zinslast, die trotz des niedrigen Zinsniveaus weiterhin viele Millionen Euro beträgt, besser in die Stadt investieren könnten, dann wäre das ein großer Schritt. Und es muss eine dauerhafte Entlastung bei den Sozialkosten geben, damit wir nicht neue Schulden anhäufen müssen. Das kann nicht die alleinige Aufgabe von Kommunen sein.
Die Beigeordneten – also Kämmerer Christoph Gerbersmann, Ordnungs- und Umweltdezernent Thomas Huyeng, Kultur-, Sozial- und Bildungsdezernentin Margarita Kaufmann und Baudezernent Henning Keune - sind ja quasi Ihre Minister. Sind Sie zufrieden oder könnten Sie sich eine Kabinettsumbildung vorstellen?
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Das Bild ist ja schon falsch. Die Dezernenten sind keine Minister. Ein Bundeskanzler kann über den Bundespräsidenten Ministerinnen und Minister ernennen und entlassen. Dezernenten sind vom Stadtrat gewählt. Ich kann aber sagen, dass ich mit den Dezernenten sehr eng und wirklich vertrauensvoll zusammenarbeite.
Den Grünen haben Sie aber in Aussicht gestellt, dass es auch ein eigenes Umweltdezernat, das auch für Mobilität zuständig wäre, geben könnte.
Natürlich ist zu überlegen, wie man auf neue Herausforderungen eingeht. Aber wie gesagt: Wenn es um Strukturen und Person geht, entscheidet letztlich der Rat.
Das kommende Jahr ist ein Wahljahr. Im September werden die Bürger zur Urne gerufen. Welche Projekte werden Sie konkret als OB auf den Weg bringen? Wird es noch mal Geschenke oder auch Zumutungen geben?
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ch bin schon in den letzten Oberbürgermeister-Wahlkampf ohne große Versprechungen gegangen. Zudem: Wir haben gerade einen Haushalt für das kommende Jahr verabschiedet, der enthält Zukunftsinvestitionen, aber keine Steuererhöhungen. Das ist das Programm, das es jetzt für uns als Verwaltung abzuarbeiten gilt. Ich will weiter an den Themen arbeiten, an denen wir jetzt schon dran sind. Nehmen Sie den Bereich Bauordnung. Da sind wir bei der Bearbeitung von Bauanträgen schon deutlich besser geworden. Der Ausbau von Kita- und OGS- Plätzen hat weiter Priorität. Wir arbeiten an der Schaffung neuer Gewerbeflächen. Und im Bereich der Digitalisierung wollen wir es mit größeren Fördersummen erreichen, dass es keine weißen Flecken mehr gibt. Aber es wird keine OB-Marketing-Maßnahmen geben, keine Werbeprojekte.
Die Zahl der Menschen mit Migrationshintergrund wächst in Hagen. Was ist Ihr Eindruck: Werden Sie auch von den Migranten als ihr Oberbürgermeister wahrgenommen? Muss es noch viel mehr Anstrengungen geben, die durch viele Migranten geprägte Gesellschaft mehr in Rat und Verwaltung auch abzubilden?
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Ich bin schon in den vergangenen Wahlkampf, aber vor allem auch in den mehr als fünf Jahren meiner Amtszeit auf viele Migrantenorganisationen zugegangen, rund 30 von ihnen habe ich auch besucht. Das waren sehr wichtige Begegnungen, auch mit sehr vielen Familien. Aber wir dürfen uns sicherlich nichts vormachen: Es gibt ein Erreichbarkeitsproblem - hier wie dort. Daran müssen wir arbeiten. Auch hier in der Verwaltung wollen wir die interkulturelle Kompetenz unserer Mitarbeiter stärken, um besser mit Menschen mit einem anderen kulturellen Hintergrund kommunizieren zu können. Und bei der Personalplanung ist es natürlich unser Ziel, dass mehr Menschen mit Migrationshintergrund hier in der Verwaltung arbeiten, damit auch andere sehen: Das könnte auch etwas für mich sein, auch ich habe eine Chance. Und was die Repräsentanz im Stadtrat betrifft: Das ist Sache der Parteien, die ihre Kandidaten aufstellen. Aber natürlich wäre es wünschenswert, wenn der Stadtrat die Gesellschaft abbilden würde - und zwar im Hinblick auf Frauen und Männer, Berufe, Alter und auch auf Herkunft.
Zum Schluss: Was machen Sie eigentlich, sollten Sie die Wahl verlieren?
Damit beschäftige ich mich nicht. Ich hab ja eingangs gesagt, dass ich um eine zweite Amtszeit werbe, und damit auch eine Kontinuität im Amt.