Wehringhausen. Er ist der neue Geschäftsführer der Hagen-Agentur – und auf einer großen Mission. Er soll Hagen verändern. Und er nimmt die Herausforderung an.
Wie konnte er nur? Hat er keine Lust, seine bis dato bergauf verlaufende Karriere in genau diese Richtung fortzusetzen? Was um alles in der Welt hat ihn geritten, nach Hagen zu gehen? Eine Stadt ohne Image. Ohne Flächen. Ohne Vision. Seine Freunde und Kollegen aus Fachkreisen fragten ihn das immer wieder. Und immer wieder sagte Volker Ruff: „Genau deswegen. Um mit vielen dieser Vorurteile aufzuräumen.“
Seit gut einem halben Jahr wirkt der 48-Jährige in dieser Stadt. Unauffällig für weite Teile der Bevölkerung, aber schon jetzt sehr verändernd auf mehreren Ebenen. „Was Hagen fehlt, ist ein Image. In dieser Stadt müssen einige Dinge durchbrochen werden. Mein Team und ich sind dabei, genau das zu tun.“
Ausblick vom Bismarck-Turm. „Ich bin immer wieder gerne da oben“, sagt Ruff, der neue Geschäftsführer der Hagen-Agentur, das so, als wäre er schon 30 Jahre Hagener. Der hochgewachsene Mann, der über seinen Anzug an diesem Vormittag Wanderklamotten gezogen hat, war zuletzt elf Jahre Wirtschaftsförderer im Kreis Soest. Und er hätte, wenn man den Einschätzungen der Presse und Fachleuten glauben schenken mag, dort nicht gehen müssen. Ruff war erfolgreich und innovativ. Er hat einem großen ländlichen Kreis ein neues Image verpasst und viele Fördermillionen ins Soester Umland geholt.
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Ruff blickt von hier oben auf Hagen. „Das ist beeindruckend“, sagt Ruff. Was genau? „Dieser Blick hier oben zeigt alles, was Hagen ist. Seine Probleme, aber auch seine Chancen.“ Ruff deutet hinüber in Richtung der Deutschen Edelstahlwerke. „Ein Stahlwerk mitten in der Stadt“, wundert er sich leise. „Und eigentlich keine Fläche, bis auf die Westside hinter dem Bahnhof. Aber wir werden ohnehin aufhören, nur in Flächen zu denken.“
Moment! Flächen sind doch das Gesprächsthema überhaupt, wenn es um den Wirtschaftsstandort Hagen geht. Wir haben keine. Und die, die wir haben, sind nicht gut erfasst, aufgearbeitet oder beworben. Herr Ruff, das hat diese Zeitung öfter aufgeschrieben, als alle Türme am Drei-Türme-Weg Treppen haben.
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Viel zu lange in denselben Kategorien gedacht
„In Hagen wurde viel zu lange in drei Kategorien gedacht. In Flächen, in Flächen und in Flächen. Nicht, dass Sie mich falsch verstehen, wir brauchen dringend ausreichend Flächen, um unsere Unternehmen zukunftsfähig zu halten, aber das reicht mir ehrlich gesagt nicht. Ich bin froh, dass es hier in Hagen mit der HIG eine Gesellschaft gibt, die sich jetzt räumlich um freie Flächen oder Brachen kümmert. Aber was mir hier völlig fehlt, ist der nächste Schritt beispielsweise. Eine Projekt-GmbH, die Ideen auf und rund um Flächen bringt. Visionen eben. Ich weiß, das klingt immer so hochgestochen, aber genau darum geht es mir.“
Sein Beispiel: Die Westside hinter dem Bahnhof. „Wir können doch nicht nur zur Expo-Real nach München fahren und sagen „Hier, wir haben da in Hagen eine geile Fläche. Wer will da drauf?“. Nein, wir brauchen auch eine stadtplanerische Vision für das Viertel rund um die Westside. Für die Stadt davor. Wir müssen sagen, dass es uns ernst ist, das Bahnhofsviertel und die weitere Innenstadt zu verändern. Auch wenn das zehn oder 20 Jahre dauern kann. Nicht mehr den Mangel verwalten, sondern das Potenzial ausschöpfen. Ich will, dass Hagen mutig endlich ist.“
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Ähnlichkeit zu Südwestfalen als Vorteil für Hagen
Zuversicht wohnt in dem großen Mann, der gleichzeitig sehr ehrlich formuliert: „Klar habe ich Angst zu versagen. Ich weiß, worauf ich mich da eingelassen habe. Aber ich sehe die Chancen. Hagen ist in seiner Struktur sehr ähnlich zu Südwestfalen, wo ich vorher gewirkt habe. Und ich weiß einfach, was man aus dieser Stadt machen kann.“ Mit seiner eigenen Hagen-Agentur hat er angefangen. „Die Strukturen und die Arbeitsweise waren auf keinen Fall so aufgestellt, dass das Hagen erfolgreich nach vorne gebracht hätte. Eine der wichtigsten Neuerungen ist die gedankliche Haltung, dass wir nicht mehr in Stadtbezirken, sondern in Themen denken. Ich will stadtweit mit dem Team wirken. An der Schnittstelle zwischen Stadtplanung und Wirtschaftsförderung. Und ich merke jedem Einzelnen im Team an, dass er bereit ist, diesen Weg mitzugehen.“
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Klingt alles toll. Da kommt der Volker Ruff und krempelt diese Stadt um. Sind wir ehrlich: Menschen mit solchen Ansagen hat diese Stadt schon zuhauf gehört. „Ich muss liefern, ich weiß das. Wer solche Sachen wie ich sagt, der muss auch Ergebnisse bringen. Und das werde ich. Das ist mir im Kreis Soest gelungen und das wird mir auch hier gelingen“, sagt Ruff. Was Ruff wesentlich von den gerade erwähnten Dampfplauderern unterscheidet, sind seine Erfahrungen. Dazu formuliert er Ziele, die passgenau für Hagen scheinen. Die vielbeschworene Digitalisierung voranzutreiben beispielsweise. „Aber Achtung: auf niedrigschwelligem Niveau. Dem Handwerker aus Haspe darf ich nicht mit Industrie-4.0-Lösungen kommen, die mit seinem Betrieb in Hagen mal so gar nichts zu tun haben. So ist das aber bislang gemacht worden.“ Ein anderes Beispiel sei das Thema Energie und Ressourcen-Effizienz in Unternehmen: „Das Thema ist sehr groß und ich werde es angehen. Alle Unternehmen stehen vor der Herausforderung, dass sie ihre Produktion sparsamer, zum Beispiel mit Blick auf den CO2-Ausstoß, organisieren müssen. Das ist ein schwieriger Prozess, der aber Geld einsparen und Möglichkeiten eröffnen kann. In Soest haben wir jedes Jahr bis zu acht Millionen Euro Fördergelder dafür geholt.“
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Events und Veranstaltungen seien eine andere Baustelle. „Wir haben da im Team einen Kollegen, der jedes Jahr eine Menge Events auf die Beine stellt, die angesehen und etabliert sind. Das Springe-Fest zum Beispiel. Aber wir müssen auch beginnen, darüber nachzudenken, wie wir über unsere Veranstaltungen in Nachbarkommunen hineinwirken können. Wenn wir immer nur für uns feiern, wird das Gefühl nicht verschwinden, dass wir nur der Parkplatz von Dortmund sind.“
Das „Mindset“ ändern, die Haltung zu Hagen verbessern
Und Ruff kann sehr gut nachempfinden, wie das „Mindset“, also die geistige Haltung zur eigenen Stadt, sich in Dortmund und Hagen unterscheiden. Er lebt im Dortmunder Stadtteil Hörde, nur drei Kilometer vom Hengsteysee entfernt. Hagener Grenzgebiet, aber von der Städte-Mentalität her so weit weg wie die Wallachei.
Vielleicht ist das schwierigste an Ruffs Mission nicht, dass er Strukturen verändern muss. Er sieht sich selbst als „Manager und Lobbyist des Wirtschaftsstandorts Hagen, nicht einzelner Unternehmen. „Ich muss vielmehr die Stadt verändern“, sagt er. Und Ruff muss in Hagen in die Köpfe kommen. Auf allen Ebenen. Auch auf jener, wo er als Außenstehender bereits schnell erkannt hat, dass es eine Art Hagener Klüngel gibt. „Ein innerer Kreis, in dem sich alle nah sind und alle duzen“, wie Ruff es beschreibt. Das muss nichts Schlechtes sein. Es kann aber auch ein Hemmschuh sein. Stillstand, das weiß Ruff, ist Rückschritt.
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Oft kommt er erst um 20 oder 21 Uhr nach Hause
Für den Erfolg verzichtet Volker Ruff auf manches. Privatleben beispielsweise. „Natürlich habe ich eins. Mit meiner Frau, die Marketingleiterin ist und gleich gesagt hat „Mensch, geh‘ nach Hagen, da kannst du richtig was verändern“. Und mit unseren beiden Kindern. Sie sind fünf und sieben Jahre alt.“ Einen 17-jährigen Sohn hat Ruff dazu aus erster Ehe. „Aber ich komme aktuell oft erst um 20 oder 21 Uhr nach Hause. Ich versuche, morgens auf jeden Fall eine ruhige halbe Stunde mit den Kindern zu haben.“
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Ruff trägt eine Liste mit den in seinen Augen 120 wichtigsten Unternehmen in Hagen bei sich. „Die besuche ich alle.“ Der leidenschaftliche Mountainbike-Fahrer (allerdings mit E-Antrieb) weiß, dass sein Wirken äußerlich schwer messbar sein wird. „Von der Vorstellung, dass ein Bürger direkt bemerkt, wie erfolgreich wir in der Hagen-Agentur sind, muss man sich eh verabschieden. Aber ich weiß, wo wir hinwollen und wo die Erfolge liegen.“ Ruff hat sich als Erstes gewünscht, dass er ständiger Gast im Verwaltungsvorstand der Stadt Hagen wird. Dem hat man gerne zugestimmt. „Ich will hören, was sie dort besprechen. Ich muss wissen, wie Hagen tickt.“ Nur so könne er versuchen, gegen das spürbare negative Grundrauschen anzuarbeiten. „Das Tolle ist doch: Wir haben Potenzial. Welche Stadt kann das von sich sagen?“