Hagen. . Bei der Entwicklung der Planungsideen für Hagen sind 16 Ziele entwickelt worden. Wir erklären, welche Themen mit Priorität verfolgt werden.

Der Name kam von Beginn an arg sperrig daher: Das Integrierte Stadtentwicklungskonzept – kurz ISEK – soll den Rahmen bilden und gleichzeitig Orientierung dafür bilden, wohin die Reise in Hagen künftig gehen könnte. Wie wollen wir wohnen, wie soll künftig der Verkehr fließen, welche Flächen sollen für Gewerbe reserviert bleiben und wie soll das Miteinander in den Quartieren funktionieren?

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Die nachträglich kreierte Formel „Hagen plant 2035“ beschreibt schon deutlich griffiger, womit sich die Planungsverwaltung in Zusammenarbeit mit der Politik und viel Sachverstand aus der Bürgerschaft seit einem Jahr beschäftigt.

ISEK dient als Instrument zur Identifizierung von Stärken und Schwächen, zur Verständigung über Zielvorstellungen und zur Ableitung von passenden Handlungsansätzen. Obwohl das Konzept eher als informelles Planungsinstrument gilt, das zunächst keinerlei Rechtswirkung erzeugt, werden sich die entscheidenden Weichenstellungen im künftigen Flächennutzungsplan wiederfinden. Dazu gehört der Blick auf die soziale Zusammensetzung der Hagener Bürgerschaft ebenso wie auf die von hohen Leerständen geprägte Wohnungssituation und die Lage der Wirtschaft mit dem hohen Anteil an produzierendem Gewerbe.

Stärken und Schwächen benennen

Inzwischen wurden 16 strategische Ziele herausgearbeitet, die den weiteren Fahrplan des Gestaltungsprozesses bestimmen. Als Stärken wurde bislang identifiziert, dass Hagen über eine Scharnierlage verfügt am Übergang von Ruhrgebiet und ländlich geprägten Räumen, einen attraktiven Naturraum zu bieten hat und mit dem Bildungs- und Kulturangebot punkten kann. Klare Schwächen sind die geringe Dynamik am Wohnungsmarkt (Sanierungsstau), die teils erhebliche Verkehrsbelastung sowie die mangelhaften Entwicklungsmöglichkeiten für das Gewerbe aufgrund der topographischen Limits.

In den nächsten Etappen wird versucht, detaillierte Stadtbezirkskonzepte zu entwickeln, die am Ende in ein aufeinander abgestimmtes räumlich-strategisches Gesamtkonzept münden sollen. Ziel bleibt es, dass Hagen sich langfristig als attraktive, klar profilierte und lebenswerte Großstadt im regionalen Reigen behaupten kann.

Hier ein Überblick über die 16 strategischen Ziele, auf die sich der Hagener Rat zuletzt einstimmig verständigt hat. Dabei sagt die Reihenfolge nichts über die Wertigkeit der Ziele aus:

1. Kompakte Siedlungsstrukturen in den Flusstälern und an den Hängen

Die Stadtstrukturen sind parallel zur industriell-gewerblichen Entwicklung der Stadt historisch gewachsen. Besonders markant sind dabei die Siedlungsbänder entlang der Flüsse sowie auf einigen Höhenlagen. Grundsätzlich sollen diese Strukturen bewahrt und eine weitere Zersiedelung in die Freiräume vermieden werden. Dazu gehört auch, durch gezielten Rückbau jene Räume zu schaffen, die Entwicklung und Aufwertung im Bestand ermöglichen. Durch intelligente Kompaktheit muss Infrastruktur nicht unnötig erweitert werden, was erhebliche Folgekosten vermeidet.

2. Hagener Szeneviertel – urbane Quartiere entwickeln

Stadtteilzentren wie hier in Haspe werden für das Miteinander in Hagen auch künftig eine ganz wichtige Rolle spielen.
Stadtteilzentren wie hier in Haspe werden für das Miteinander in Hagen auch künftig eine ganz wichtige Rolle spielen. © Michael Kleinrensing

Klassische Szeneviertel, meist geprägt durch Gründerzeit-Bebauung, kleinteiligen Einzelhandel mit Gewerbe, Gastronomie und Kultur machen in vielen Städten den besonderen Charme aus und prägen ein positives Image. Diese Viertel wie Altenhagen, Wehringhausen, Remberg oder auch Oberhagen bieten direkt angrenzend an die Innenstadt viele gute Rahmenbedingungen für den Zuzug spezifischer Zielgruppen wie Studenten, stadtaffine Familien und aufstiegsorientierte Migranten. Diese Qualitäten gilt es zu stärken, um mit einer guten sozialen Durchmischung zu einer Stabilisierung und Belebung dieser Stadtviertel beizutragen. Dazu bedarf es einer Förderung des bürgerschaftlichen Engagements.

3. Hagener Zentren – kurze Wege zwischen Wohnen, Versorgung, Lernen und Begegnung in Stadtbezirken

Neben der klassischen Innenstadt gilt es, die Stadtbezirks- und Stadtteilzentren als Rückgrat der Basisversorgung zu stärken. Eine Ausweitung von Angeboten auf der grünen Wiese und die Dezentralisierung von Bildungseinrichtungen (Fachhochschule und Fernuni) fördern das Ausbluten der Nebenzentren und verstärken den überflüssigen Individualverkehr. Daher sollten Funktionen wie Wohnen, Einkaufen, medizinische Versorgung und Dienstleistungen an den gewachsenen Standorten verdichtet und durch attraktiven Wohnraum, beispielsweise auch für Senioren, gestärkt werden. Dazu bedarf es stadtteil- und quartiersbezogener Konzepte, um an entsprechende Fördermittel zu gelangen.

4. Sozial gerechtes Hagen – Stabilisierung und Aufwertung benachteiligter Quartiere

In Hagen droht – nicht erst durch die Zuwanderung – eine zunehmende Spaltung der Stadt in gut situierte sowie sozial und ökonomisch benachteiligte Quartiere. Mancherorts hat sich eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt, so dass die Balance bloß noch durch eine langfristige stabilisierende Aufwertung wieder herzustellen ist. Neben städtebaulichen Interventionen gilt es, die sozialintegrativen Angebote in diesen Quartieren zu stärken. Dabei spielt der Präventionsgedanke im Hinblick auf Familie und Erziehung, Gesundheit, Bildung und Kultur eine zentrale Rolle und soll künftig zur Wahrung des sozialen Gleichgewichts in der Stadt systematisch verstärkt werden.

5. Wohnen in Hagen – Anpassung und Qualifizierung des Wohnungsangebotes

Die jüngste Wohnungsmarktstudie hat unmissverständlich vor Augen geführt, dass der Hagener Markt von einer hohen Leerstandsquote geprägt ist. Vor allem in den innerstädtischen Tal-Lagen konzentrieren sich die sozialen Probleme, was auch die Abwanderungsbewegungen verstärkt. Um die Einwohnerentwicklung zu stabilisieren, gilt es, nicht mehr marktfähige Immobilien abzureißen (350 pro Jahr) und durch zukunftsfähige Wohnformen (150 pro Jahr) zu ersetzen. Dazu ist ein stadtteilspezifisches Mitein­ander der Wohnungsgesellschaften und der Einzeleigentümer gefordert, aber auch die Einführung eine kontinuierlichen Wohnungsmarktbeobachtung sowie einer Beratungsstelle für Modernisierung. Weitere Ziele: Rückbau von Hochhäusern, Förderung von kreativen Wohnideen (WGs, Begegnungshöfe, Nachbarschaftsprojekte etc.).

6. Vier Flüsse und zwei Seen – erlebbar in einer Stadt

Die Vielzahl an Flüssen und Seen bedeutet für Hagen ein echtes Alleinstellungsmerkmal, das ins Bewusstsein der Bürger zurückgeholt werden sollte. Allerdings sind viele Gewässerabschnitte kaum für die Öffentlichkeit zugänglich. Hier eröffnet sich die Chance, ein etwa 50 Kilometer langes, identitätsstiftendes Netz aus Fuß- und Radwegen zu entwickeln, das auf Grundlage eines Masterplanes zu einer Säule der Freizeitgestaltung und des Tourismus werden könnte. Gleichzeitig können durch die systematische Erschließung und Öffnung verbauter Gewässerabschnitte auch die Wohnquartiere mit Blick auf die Aufenthaltsqualität deutlich aufgewertet werden.

7. Das baukulturelle Erbe Hagens – identifizieren, entwickeln, inszenieren

Auch wenn es sich auf den ersten Blick nicht immer gleich erschließt – Hagen ist eine Stadt mit herausragenden baukulturellen, städtebaulichen und architektonischen Zeugnissen diverser Epochen und Strömungen. Einige prägen Plätze und Straßen, andere finden sich versteckt im Verborgenen, weil häufig auch die entsprechenden Investitionen fehlen. Hier bietet es sich an, mit Hilfe eines Gestaltungsbeirates die Perlen wieder in den Vordergrund zu rücken, Hagen als Stadt des Jugendstils besser zu vermarkten und somit gezielter Fördermittel zu akquirieren. Zumal die Förderung des baukulturellen Erbes die Identifikation der Bürger mit Hagen verstärkt und die Außenwahrnehmung verbessert.

8. Wohnzimmer und Potale – Qualität im öffentlichen Raum

Öffentliche Plätze, Parks oder auch Spiel- und Sportanlagen wurden allesamt geschaffen, um als „Wohnzimmer“ der Bürger zu Begegnungs- und Treffpunkten zu werden, die das soziale Miteinander stärken. Stattdessen werden sie häufig als Angsträume wahrgenommen. Daher müssen diese Orte ebenso wie die Stadteingänge (Einflugschneisen) gestalterisch-funktional aufgewertet werden, um auch die Identifikation der Menschen mit ihrer Stadt zu unterstützen. Instrumente könnten ein freiraumplanerischer Ideen- und Realisierungswettbewerb sowie die Erstellung eines Spiel- und Sportflächenleitplans sein.

9. Grünes Netzwerk für Mensch und Natur

In kaum einer Großstadt liegen Siedlungs- und Waldbereiche so dicht beieinander wie in Hagen. Ein Schatz aus Grün- und Freiräumen, den es nicht zuletzt zur Verbesserung des Stadtklimas zu bewahren gilt. Allerdings fehlt es oft an der Durchlässigkeit, Erreichbarkeit und Anbindung der Natur- und Landschaftsschutzgebiete. Das ist allerdings die Grundvoraussetzung dafür, Hagen als grüne und waldreiche Großstadt zu profilieren und Zentrum und Außenbereiche miteinander zu verflechten.

10. Mobilität neu denken

Die privilegierte Verkehrslage Hagens wird mit Blick auf die Schadstoff- und Lärmbelastung zunehmend zum Fluch. Die Konzentration der Verkehrswege entlang der Siedlungsbänder in den Tal-Lagen macht es erforderlich, Mobilität neu zu denken. Dazu gehört zum einen, dass die Bürger ihr Mobilitätsverhalten überdenken, aber sich der Mix aus Auto-, Bus-, Rad- und Fußgängerverkehr (Modal Split) verändert. Förderung der E-Mobilität ist ebenso geboten wie die Schaffung eines zeitgemäßen Fuß- und Radwegenetzes sowie die Hinterfragung der Großkreuzungen und Hochbrücken. Ebenso sollen durch ein neu zu schaffendes Amt für Verkehrsmanagement die Wirtschaftsverkehre quer durch die Stadt auf den Prüfstand gestellt werden.

11. Entzerrung von Konfliktlagen

Das dichte Nebeneinander von Wohnen, Industrie und Verkehr sorgt vor allem in den Tal-Lagen zunehmend für Konflikte zwischen den einzelnen Nutzungen und sollte getrennt werden. Daher ist es geboten, Stadträume grundsätzlich neu zu definieren, beispielsweise Wohnnutzungen aufzugeben und somit Gewerbe bessere Entfaltungsmöglichkeiten zu eröffnen. Umgekehrt gilt es, Gewerbe in attraktiven Wasserlagen auf den Prüfstand zu stellen, um diese Areale besser für attraktive Wohnangebote zu nutzen.

12. Nutzung auf alten Flächen

Die aktuelle Debatte über Gewerbeflächenpotenziale in Hagen macht deutlich, dass durch die Topographie kaum noch Raum für nennenswerte industriell nutzbare Flächen besteht. Somit rückt die Nutzung von Brachen, vor allem mit dem Ziel einer hohen Arbeitsplatzrelevanz, in den Fokus. Ein Sündenfall wie in Haspe, wo auf der Brandt-Brache eine gewerblich-industriell genutzte Fläche für eine Einzelhandelsnutzung umgewandelt wurde, soll sich nicht wiederholen. Dazu bedarf es eines gesamtstädtischen Gewerbeflächenmanagements sowie eines Brachflächenkatasters, um den Verbrauch von Freiflächen im Außenbereich zu vermeiden.

13. Hagen produziert

Das produzierende Gewerbe in Hagen bildet mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil von etwa 30 Prozent die tragende Säule der Stadtökonomie. Die Unternehmen schaffen über Investitionen, Steuern und Abgaben, Arbeitsplätze, Sponsoring und aktive Beteiligung am gesellschaftlichen Leben die Basis für die Vitalität des Gemeinwesens. Deshalb bleibt es eine zentrale Aufgabe, für diese Betriebe vorausschauend und bedarfsgerecht Flächen in geeigneter Größe zu erschließen und zu reservieren, statt sie mit Kfz-Pflegebetrieben zu belegen. Gleichzeitig gibt es den Leitgedanken, nicht-störende Produktionen (Agenturen, Büros, Werkstätten, Start-Ups, etc.) in urbane Quartiere zu lotsen, um den Flächenverbrauch zu reduzieren und Stadträume zusätzlich zu vitalisieren. Das führt zudem dazu, kreative, innovative und gut ausgebildete Menschen zunehmend in Hagen zu halten. Begleitet werden soll dieser Prozess durch ein gesamtstädtisches Gewerbeflächen-, Leerstands- und Betriebsflächeninformationsmanagement.

14. Hagen schmiedet Bildungsketten

Hagen gilt als attraktiver Bildungsstandort, der neben dem klassischen Schulsystem von der Grundschule bis zum Gymnasium auch über mehrere Berufsschulen sowie eine Fachhochschule und Fernuniversität verfügt. Damit sind nahtlose Bildungsbiografien von der Einschulung bis zum Jobeinstieg möglich. Durch engere Kooperation von Bildung und Wirtschaft soll es gelingen, Fachkräfte in der Stadt zu halten und damit den Standort zu stärken. Außerdem sollen die beiden Hochschulen in der Innenstadt beispielsweise durch Denkfabriken oder Showrooms sichtbarer werden oder sogar ein zentrales Bildungsquartier in der Innenstadt geschaffen werden.

15. Smart City – Hagen als intelligente Großstadt

Angesichts der fortschreitenden Digitalisierung und den Notwendigkeiten aufgrund des Klimawandels soll sich Hagen in den nächsten beiden Jahrzehnten in eine unter ökonomischen, ökologischen und zivilgesellschaftlichen Aspekten intelligente, effiziente und vor allem ressourcenschonende Großstadt verwandeln. Dabei sollen digitale Steuerungs- und Kommunikationssysteme das stadtgesellschaftliche Leben zunehmend prägen und somit das Alltagsleben vereinfachen und effizienter gestalten. Bürgerschaftliches Engagement soll wesentlich dazu beitragen, „Smart City“ tatsächlich bedarfsgerecht zu entwickeln. Sollten hier zeitnah Erfolge erzielt werden, könne Hagen aus Innovationen ein Alleinstellungsmerkmal entwickeln, das den Standort sowohl für junge Menschen, aber auch für Start-Up-Unternehmen zusätzlich interessant macht.

16. Hagen – starker Nachbar in der Region

Die althergebrachten Grabenkämpfe, ob Hagen Teil des Ruhrgebietes oder des Sauerlandes sei, sollen endgültig ad acta gelegt werden.Vielmehr soll die Stadt künftig als selbstbewusstes Oberzentrum auftreten, dass trotz aller Konkurrenz auf den Themenfeldern Wohnumfeld oder auch Unternehmensansiedlungen regionale Kooperationen sucht und dort auch als Impulsgeber auftritt. Intensivere Zusammenarbeit sind beispielsweise auf dem Terrain ÖPNV, beim Tourismus oder auch der Ausweisung von Gewerbegebieten möglich. Auch die Internationale Gartenausstellung 2027 mit den Seepark-Ideen könnte zur Nagelprobe für ein intensiveres Miteinander mit den Nachbarn werden.