Hagen. Das Urteil im Spielhallen-Prozess ist gefallen: Der Angeklagte muss ins Gefängnis, könnte aber schon bald in den offenen Vollzug kommen.

Der Angeklagte (43) im Hagener Spielhallenprozess ist am Freitag vom Landgericht zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Damit muss der 43-Jährige weiter hinter Gittern bleiben. Der Haftbefehl bleibt entgegen der Forderung der Staatsanwaltschaft aufrechterhalten. Der offene Vollzug ist laut Anwalt Hans Reinhard aber schon bald denkbar.

Andreas Behrens, Vorsitzender der Wirtschaftsstrafkammer, sprach in seiner Urteilsbegründung davon, dass zuvor auch eine viel höhere Haftstrafe im Raum gestanden habe. Immerhin lägen unter den über 500 angeklagten Fällen über 50 der besonders schweren Steuerhinterziehung vor. Und schon der Einzelfall könne mit bis zu zehn Jahren Haft belangt werden. „Aber es sprechen viele Dinge für den Angeklagten.“

Software zur Manipulation der Ergebnisse eingesetzt

Letztlich habe das Oberhaupt einer 30-köpfigen Familie, deren Lebensunterhalt er lange finanziert habe, gegenüber der Allgemeinheit laut Gericht einen Gesamtschaden von 19,57 Millionen Euro zu verantworten. Größtenteils verursacht durch eine Manipulationssoftware, die die Gewinnergebnisse der Automaten in zahlreichen Spielhallen des Verurteilten manipulierte und steuerlich zu seinen Gunsten beeinflusste. „Knapp sieben Millionen Euro konnten durch den Angeklagten wieder ausgeglichen werden. Das ist eine enorme Quote“, so Behrens.

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Hinter dieser Summe verbergen sich mehrere Dinge: Beschlagnahmtes Bargeld (allein 5,8 Millionen Euro wurden bei den Familienmitgliedern sichergestellt), versteigerte Luxus-Sportwagen für über eine Million Euro und die Veräußerung oder Zwangsversteigerung mehrerer Privat-Immobilien. „Die wirtschaftliche Existenz des Angeklagten und der Großfamilie sind vernichtet“, so Behrens. Die Spielhallen haben die Besitzer gewechselt, die Immobilien und Autos ebenfalls.

Neben seinem umfänglichen Geständnis kommt für das Gericht hinzu, dass der Verurteilte unter den Bedingungen der mittlerweile 14-monatigen Untersuchungshaft enorm leide. Er, der ein Luxus-Leben gewohnt war, teile sich eine kleine Zelle mit zwei anderen Männern und sehe seine Familie und seine drei Kinder kaum. Dazu komme, dass er rechtzeitig, aus eigenem Antrieb und mit Nachdruck darauf hingewirkt habe, dass die Strategie seines anfänglichen Strafverteidigers, von dem er sich getrennt hat, nicht weiterverfolgt wird. Der hatte unter anderem behaupten wollen, das Verfahren gleiche einem „Fake“, sei wild konstruiert, es gebe keine Beweise und die Polizei habe einen verdeckten Ermittler in der Familie eingesetzt. All das zerbröselte vor Gericht. Und letztlich gab der 43-Jährige offen zu, dass die Vorwürfe stimmen und er das gesamte Geld „verballert“ habe.

Gericht erkennt Reue des Verurteilten an

„Er hat der Allgemeinheit stark geschadet und unglaubliche Reichtümer angehäuft“, sagt Richter Behrens. Das sei völlig unangemessen und der Verurteilte der Proto-Typ eines protzigen Neureichen gewesen, der den Hals nicht vollkriegen konnte und 300.000-Euro-Sportwagen selbst bezahlte. „Er hat sich nicht wie ein Familienoberhaupt benommen“, so Behrens, der dennoch glaube, dass ihm derartige Fehler nicht wieder geschehen würden.

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Das sieht auch Verteidiger Hans Reinhard so: „Mein Mandant ist bewegt und traurig. Aber er weiß, dass er einen großen Fehler gemacht hat. Er hätte auch wie Krösus leben können, wenn er das ganze Geld versteuert hätte.“ Positiv sieht Reinhard die Perspektive des Verurteilten. Er könne schon bald in offenen Vollzug kommen. Die 14-monatige U-Haft und ein Drittel Strafreduzierung durch gute Führung müssten in Betracht gezogen werden. Reinhard: „Und danach hat er eine gute Perspektive. Er kann wieder arbeiten gehen. Er verfügt über einen Einser-Abschluss und ist Diplom-Ingenieur.“

Der gesamte Fall hatte im September 2018 große Öffentlichkeit erlangt, als Ermittler die Privathäuser der Familie bei einer Groß-Razzia unter die Lupe nahmen. Da liefen die Manipulationen von Geldautomaten schon fünf Jahre lang. An das wichtigste Beweisstück in dieser Sache, ein Notebook, kamen die Ermittler aber erst, als bei einem Bekannten des Verurteilten, der ihm die Schummel-Software verkauft hatte, im Jahr 2016 eine Hausdurchsuchung wegen Schwarzarbeit stattgefunden hatte.

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Unklar ist noch, ob der Verurteilte Revision gegen das Urteil einlegen wird. Das würde den Weg in die vorzeitige und teilweise Freiheit deutlich verzögern, weil dann erst die nächste Instanz entscheiden muss.