Hagen/Mannheim. Als Jigzaw beleidigte Nuhsan C. aus Hagen die Töchter der TV-Familie Geiss äußerst vulgär. Die Richter ziehen nun Grenzen für Rap-Songs.

Dem umstrittenen Rapper Nuhsan C. alias Jigzaw droht vor Gericht eine empfindliche Niederlage gegen „die Geissens“. Es geht um Grenzen, die auch für die Vulgär-Sprache im Rap gelten.

Bleibt es auch im November bei der Urteilsverkündung bei dem, was die Richter der zuständigen Zivilkammer am Landgericht Mannheim angekündigt haben, dann müssen Jigzaw, der bekannte und ebenfalls höchst umstrittene Rapper Kollegah und dessen Produktionsfirma Alpha Musics an die beiden minderjährigen Töchter des aus dem Privat-Fernsehen bekannten Ehepaars Robert und Carmen Geiss jeweils 50.000 Euro bezahlen.

Rapper Nuhsan C. (Jigzaw) .
Rapper Nuhsan C. (Jigzaw) . © Jens Stubbe | Jens Stubbe

Der in Hagen aufgewachsene Nuhsan C., der wegen einer Messerstecherei auf dem Wilhelmsplatz, seiner Flucht und seiner ständigen Provokationen gegenüber Behörden über Monate für Schlagzeilen gesorgt hatte, hatte die Töchter in einem von dem Kollegah-Label produzierten Rap-Song aufs Übelste sexistisch beleidigt und ihnen – so kann die Passage jedenfalls interpretiert werden – Gewalt angedroht.

Landgericht München verbietet Passage

Schon im Dezember war deshalb eine einstweilige Verfügung durch das Landgericht München erlassen worden: Die entsprechende Passage musste Jigzaw aus seinem Song „Medusablick“ entfernen, sein damals neues Album musste zeitweise vom Markt genommen werden. Nun also der zweite Akt in diesem Fall: Über seinen Anwalt Dr. Andreas Boele (München) hatte das Ehepaar Geiss, das durch das Reality-TV-Format „Die Geissens“ berühmt geworden ist, Nuhsan C., Kollegah und das Label verklagt. Zunächst sogar auf Zahlung von insgesamt 190.000 Euro. Den Geiss-Töchtern stehe für das erlittene Unrecht diese Geldentschädigung zu.

Vor dem Landgericht Mannheim: Nur Dr. Andreas Boele, der Anwalt der Geissens, ist erschienen. Die Richter lassen erkennen: Sie werden zugunsten seiner Mandanten entscheiden.
Vor dem Landgericht Mannheim: Nur Dr. Andreas Boele, der Anwalt der Geissens, ist erschienen. Die Richter lassen erkennen: Sie werden zugunsten seiner Mandanten entscheiden. © Alex Talash | Alex Talash

So sah es nun auch das Landgericht Mannheim in der mündlichen Verhandlung, wie dessen Sprecher Joachim Bock der WESTFALENPOST bestätigt. Die Richter reduzierten aber die Summe: Jeweils 50.000 Euro Entschädigung für die beiden minderjährigen Töchter Shania (15) und Davina (16) halte das Gericht generell für angemessen, ließ es in der Verhandlung erkennen. Die insgesamt 100.000 Euro müssen sich, wenn der Richterspruch denn rechtskräftig wird, allerdings Nuhsan C., Kollegah, das Label Alpha Musics und der Vertrieb teilen. Auf Nuhsan C. kämen also 25.000 Euro zu.

Nuhsan C. offensichtlich in der Türkei

Weder die Familie Geiss noch Nuhsan C. oder Kollegah waren bei dem Prozess in Mannheim persönlich anwesend. C. hatte wohl schon im März die Ladung bekommen, diese aber ignoriert. Er befindet sich auch nicht mehr in Deutschland, sondern offensichtlich weiterhin in der Türkei. Zur Erinnerung: Wegen einer Gewalttat in Hagen, für die er mehrere Jahre Jugendstrafe absitzen musste, sollte der 25-jährige schon vor Jahren in die Türkei abgeschoben werden.

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01. Juni 2018, Hagen. Rapper Kollegah holt Rapper Nuhsan C. aus der JVA Hagen ab. Verteidiger Dr. Christof W. Miseré hatte Haftverschonung beantragt. Rapper Kollegah hat die Kaution über 40.000 bar bezahlt. Die Polizei Hagen und eine Hundertschaft sicherte das JVA Gelände vor den Fans.
Von Helmut Ullrich, Alex Talash, Michael Koch

Er ist zwar in Hagen geboren, hat aber nur die türkische Staatsangehörigkeit. Der Abschiebung hatte er sich mehrfach entziehen können, unter anderem hatten die Behörden nach dem Tod seines Vaters einen Aufschub bewilligt, später beantragte er sogar – letztlich erfolglos – Asyl wegen einer möglichen Gefährdung in der Türkei. Dann kam die Messerattacke auf dem Wilhelmsplatz, bei der ein anderer Mann durch ihn schwer verletzt worden war. C. floh nach der Tat, lebte monatelang im Untergrund und verhöhnte via Youtube die Behörden.

Rapper Kollegah holt Nuhsan C. gegen Kaution aus Gefängnis

Nachdem er schließlich doch geschnappt wurde, wurde er in erster Instanz am Amtsgericht Hagen zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Kollegah zahlte eine hohe Kaution und holte ihn medienwirksam aus der Untersuchungshaft. In einem monatelang sich hinziehenden Berufungsverfahren vor dem Landgericht bekam er schließlich eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Seiner nun tatsächlich drohenden Abschiebung entzog er sich im Juni durch die freiwillige Ausreise in die Türkei.

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Ob die Familie Geiss letztlich den Anteil an der Entschädigung, den Nuhsan C. wird zahlen müssen, bekommt, ist unklar, da dieser nun in der Türkei lebt. Das Landgericht Mannheim wollte dazu keine Stellung nehmen. Rechtsexperten gehen aber davon aus, dass erst ein türkisches Gericht dieses Urteil bestätigen muss, damit die Behörden es auch in der Türkei vollstrecken können. Nuhsan C. war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Christof Miseré, der C. als Strafverteidiger in Hagen vertreten hatte, war im Zivilverfahren nicht sein Anwalt: „Ich hatte auch länger keinen Kontakt zu ihm.“

Anwälte: Geiss-Töchter haben weiter Angst nach Rap-Song

Der Münchener Anwalt Dr. Andreas Boele, der die Familie Geiss vertritt, machte indes deutlich, welche Auswirkungen der Rap-Song hat: „Meine Mandanten haben Angst, nach Deutschland zu kommen und sind seit der Veröffentlichung sehr verunsichert.“ Die Töchter hätten sich aus den sozialen Netzwerken zurückgezogen, um nicht angegriffen zu werden. Boele: „Man weiß nie, wozu Fans gerade von Rappern fähig sind.“

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Seit der Veröffentlichung versuchten die Töchter, Deutschland so gut es geht zu meiden, so Boele: „Wenn sie hier sind, dann aber mit einer großen Anzahl an Leibwächtern. Aus Angst, dass die Textzeilen von irgendeinem Verrückten umgesetzt werden.“ Der Familie Geiss gehe es mit der Geldentschädigung nicht um den letzten Euro: „Wir wollen der Rap-Szene ein Zeichen setzten, dass so etwas nicht einfach publiziert werden darf. Gewaltphantasien und sexuelle Phantasien haben in Songs nichts zu suchen. Gerade wenn es um Minderjährige geht.“